Zunge wird zum Joystick 29.11.2013, 13:05 Uhr

Rollstuhlsteuerung mit magnetischem Zungenpiercing

Mit Hilfe eines speziellen Zungenpiercings können Menschen, deren Arme und Beine gelähmt sind, einen elektrischen Rollstuhl oder einen Computer steuern. Das neue Steuerungssystem hat sich in einer klinischen Studie als schnell erlernbar und sehr präzise erwiesen.

Das Headset erfasst über ein magnetisches Feld die genaue Position des Zungenpiercings. Ein Smartphone steuert mit diesen Daten den Rollstuhl. Insgesamt sechs Befehle sind bislang möglich. 

Das Headset erfasst über ein magnetisches Feld die genaue Position des Zungenpiercings. Ein Smartphone steuert mit diesen Daten den Rollstuhl. Insgesamt sechs Befehle sind bislang möglich. 

Foto: Georgia Institute of Technology

Die menschliche Zunge bewegt sich schnell und mit großer Präzision. Das haben sich amerikanische Forscher zunutze gemacht und ein neues Steuerungssystem entwickelt. Für Menschen mit einer Querschnittslähmung, bei der alle vier Extremitäten betroffen sind, könnte diese Erfindung ihre Bewegungsfreiheit mit dem elektrischen Rollstuhl enorm verbessern.

In einer ersten klinischen Studie war die Steuerung per Zungenpiercing den bisher gebräuchlichen Methoden deutlich überlegen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler nun im Fachmagazin Science Translational Medicine vorgelegt.

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Magnet in der Zunge steuert den Rollstuhl in alle Richtungen

Maysam Ghovanloo, Professor für Elektrotechnik am Georgia Institute of Technology in Atlanta, und ein Team von Wissenschaftlern, darunter auch Mediziner in Rehabilitierungseinrichtungen, haben das sogenannte Tongue-Drive-System, das Zungen-Steuerungssystem, entwickelt. Dazu gehören ein kleines magnetisches Zungenpiercing, ein Headset mit Sensoren und ein Smartphone.

Das Headset erfasst über das magnetische Feld die genaue Position der Zunge, die sich wie ein Joystick im Mund bewegt, und überträgt sie in einen Befehl an das Smartphone. Dieses steuert dann das Endgerät, einen elektrischen Rollstuhl oder einen Computer. Insgesamt sind mit der neuen Technik sechs verschiedene Befehle möglich. Die bisher übliche Rollstuhlsteuerung, die über das Ein- und Ausatmen mittels eines Trinkhalmes aktiviert wird, erlaubt dagegen nur vier Möglichkeiten.

Zungensteuerung ist durchschnittlich drei Mal schneller als übliche Atemsteuerung

Ihr Tongue-Drive-System haben die Forscher in einer klinischen Studie mit elf querschnittgelähmten und 23 gesunden Personen testen lassen. Dafür erhielten die Testpersonen kleine Aufgaben: Sie sollten zum Beispiel den Cursor auf einem Computerbildschirm möglichst rasch auf eine bestimmte Stelle lenken. Die Menschen ohne Querschnittslähmung führten diese Aufgabe dann einmal mit der normalen Computermaus und ein anderes Mal mit dem Zungenpiercing aus.

Dabei stellte sich heraus, dass die Steuerung über das Zungenpiercing zwar langsamer war, sich aber nach entsprechendem Training immer mehr der Reaktionsgeschwindigkeit annäherte, die mit der Maus erreicht wurde. In weiteren Aufgaben sollten die Probanden mit der Zungensteuerung eine Telefonnummer anklicken und mit ihrem elektrischen Rollstuhl einen Hindernisparcours absolvieren.

Mit dem Zungenpiercing steuern Versuchspersonen den elektrischen Rollstuhl durch einen Hindernisparcours. Dabei machten sich schnell Lerneffekte bemerkbar. 

Mit dem Zungenpiercing steuern Versuchspersonen den elektrischen Rollstuhl durch einen Hindernisparcours. Dabei machten sich schnell Lerneffekte bemerkbar. 

Quelle: Georgia Institute of Technology

Gegenüber der Atemsteuerung, die die elf gelähmten Probanden bisher alle verwendet hatten, sei die neue Zungensteuerung im Durchschnitt drei Mal schneller und genauso präzise, schreiben die Forscher. In dem sechswöchigen Versuch hätten die Testpersonen die Zungensteuerung nur einmal pro Woche geübt. „Wir haben extrem große Verbesserungen von Sitzung zu Sitzung erlebt“, sagt Maysam Ghovanloo. „Das zeigt, wie schnell der Mensch das neue System erlernen kann.“

Nun wollen die Wissenschaftler das Tongue-Drive-System, das bisher nur in der kontrollierten Umgebung von Labor oder Krankenhaus getestet wurde, auch im häuslichen Umfeld ausprobieren. Dann will Ghovanloo das System bald mit seinem neu gegründeten Unternehmen Bionic Science und in Zusammenarbeit mit der Universität vermarkten.

Ein Beitrag von:

  • Gudrun von Schoenebeck

    Gudrun von Schoenebeck

    Gudrun von Schoenebeck ist seit 2001 journalistisch unterwegs in Print- und Online-Medien. Neben Architektur, Kunst und Design hat sie sich vor allem das spannende Gebiet der Raumfahrt erschlossen.

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