Zwei in Eins 29.06.2013, 08:00 Uhr

Schnelle Protonen für gleichzeitige Diagnose und Therapie

Die Strahlentherapie bestimmter Tumorarten mit Protonen hat sich mittlerweile etabliert. Nun fanden Wissenschaftler heraus, dass besonders schnelle Protonen auch für bildgebende Verfahren eingesetzt werden können. Ziel der Forscher ist es jetzt, Tumore bereits während der Untersuchung zu behandeln.

Auch die bestehende Therapie mit Kohlenstoffionen, die bei GSI entwickelt wurde, könnte durch die Protonen-Theranostik verbessert werden. 

Auch die bestehende Therapie mit Kohlenstoffionen, die bei GSI entwickelt wurde, könnte durch die Protonen-Theranostik verbessert werden. 

Foto: GSI

Experten des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, der Technischen Universität Darmstadt (TUD) und des Los Alamos National Laboratory (LANL) ist es gelungen, Mäuse sowie eine sogenannte Matroschka, eine menschenähnliche Spezialpuppe, die für Dosimetrie-Experimente in der Raumfahrt genutzt wird, mit schnellen Protonen zu durchleuchten und mit dieser Technologie erstmals Bilder und Filme von biologischem Material zu erzeugen.

Bislang wurden nach Angaben der GSI-Experten nur leblose Objekte mit Protonen untersucht, etwa Plasmen oder Explosionen, und ein Abbild der Bewegungen darin erzeugt.

Zum Einsatz kamen bei den Experimenten in Los Alamos in einem Teilchenbeschleuniger erzeugte Protonenstrahlen mit einer Stärke im Giga-Elektronenvolt-Bereich (GeV), die nach Angaben von Marco Durante, Leiter der Biophysik bei der GSI, rund 98 % der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Protonenstrahlen, die bislang in der Therapie eingesetzt würden, erreichten im Vergleich nur rund 50 % der Lichtgeschwindigkeit.

Protonenstrahlen gegen kleine Tumore einsetzen

Die Geschwindigkeit ist nach Durantes Worten entscheidend, wenn es um die präzise Steuerung des „Protonenmessers“ geht und Fehler minimiert werden sollen. Die Bilder hätten eine hohe Auflösung, sehr kleine Strukturen seien erkennbar und das empfindliche, gesunde Gewebe könne genauer vom Tumor abgegrenzt werden.

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„Der Einsatz von Protonenstrahlen mit solch hoher Energie ist ideal, um kleine Tumoren im Patienten für eine gezielte Protonentherapie abzubilden“, sagen auch die Experten am LANL. Je schneller der Strahl sei, desto geringer die Streuung im gesunden Gewebe.

Die amerikanischen Forscher verweisen darauf, dass vor allem bei kleinen Tumoren die exakte Lokalisierung oft sehr schwierig ist. Bisher werden Informationen über krankes Gewebe per Computertomographie (CT), also durch Röntgenstrahlen gewonnen. Die Scans würden zum Teil Wochen oder Monate vor Therapiestart gesammelt mit der Gefahr, dass sich die Position des Tumors bis zum Beginn der Bestrahlung verändere, so die Experten in Los Alamos.

Gleichzeitig behandeln und visualisieren

Der GeV-Protonenstrahl aber könnte, so glaubt die Forschergruppe, einen Tumor gleichzeitig behandeln und visualisieren: „Die gleichen schnellen Protonen, die für die Bildgebung eingesetzt werden, könnten auch für die direkte Behandlung eines Tumors genutzt werden“, sagt Durante. „Man könnte gezielt und millimetergenau eine Dosis Protonen durch den Tumor hindurch schießen, um ihn zu zerstören – zielen und schießen“, erklärt der Physiker.

Der Strahl soll zudem direkt während der Behandlung ein genaues Bild der Umgebung des Tumors liefern – wertvolle Informationen, um die Therapie für Folgesitzungen noch präziser zu planen: „Das ist bei sehr empfindlichem Gewebe in der Umgebung, wie Rückenmark oder Hirnstamm, besonders wichtig“, betont Durantes Kollege Matthias Prall.

Und die Diagnose mit schnellen Protonen bietet nach Überzeugung der Wissenschaftler einen weiteren Vorteil: Röntgenstrahlen dringen anders in das Gewebe vor als Protonen, das heißt, die im CT gewonnenen Daten müssen derzeit noch für die Protonenbestrahlung umgerechnet werden. Ein Schritt, der künftig entfallen könnte, sodass die Berechnungen in Vorbereitung der Therapie verbessert werden könnten.

Verfahren auch für schwere Ionen grundsätzlich tauglich

Grundsätzlich glauben die GSI-Experten, dass das Verfahren auch für schwere Ionen tauglich ist, wie sie bereits im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum für den klinischen Einsatz getestet werden. Im Herbst sollen gemeinsam von GSI, TUD und LANL weitere Experimente mit biologischen Proben stattfinden. Danach soll entweder ein künstlicher Tumor in einer Matroschka-Puppe oder an einem Tier mit Protonen sichtbar gemacht und direkt therapiert werden.

In Zukunft sollen solche Experimente auch an der derzeit im Bau befindlichen Beschleunigeranlage „Fair“ (Facility for Antiproton and Ion Research) in Darmstadt durchgeführt werden. Ein entsprechender Experimentierplatz für Plasma- und Biophysiker sei geplant, sagt Durante. Der Doppelringbeschleuniger könne deutlich höhere Energien erzeugen als die bisherigen Anlagen bei der GSI und in Los Alamos: „Das wird die Bildqualität weiter verbessern und eine weitere Untersuchung der Therapiemöglichkeiten erlauben.“  

Ein Beitrag von:

  • Jutta Witte

    Surpress Journalistenbüro in Tübingen. Themenschwerpunkte: Bildung, Forschung und Wissenschaft.

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