Schuheinlage mit Sensoren übernimmt das Fühlen
Mit Hilfe einer neuen Einlegesohle werden Diabetiker gewarnt, wenn sich gefährliche Druckstellen in den Füßen entwickeln könnten. Das eingebaute Sensorsystem reagiert wie künstliche Nerven am Fuß und schickt die Messdaten aufs Smartphone des Patienten.
Das Problem der tauben Füße, das diabetische Fußsyndrom, ist bei Diabetikern weit verbreitet. Die mikroskopisch kleinen Zuckerkristalle schädigen die feinen Nervenbahnen und lassen sie absterben, so dass Druck- und Temperatursignale nicht mehr von der Haut bis in das Gehirn und zurück übertragen werden können. Jährlich müssen in Deutschland bei rund 50.000 Menschen deshalb der Fuß oder einzelne Zehen amputiert werden.
Sensordaten werden per Funk-App auf das Smartphone übertragen
Ein Team aus Magdeburger Medizinern, Ingenieuren und Orthopädietechnikern hat deshalb eine „intelligente Einlegesohle“ entwickelt, die künftig langjährige Diabetiker vor schlecht heilenden Fußwunden und Amputationen bewahren soll. Die spezielle Sohle sieht zunächst nicht anders aus als eine übliche, vom Arzt empfohlene Einlegesohle. Doch in der Sohle verbirgt sich ein eingearbeitetes Sensorsystem mit Temperatursensoren sowie acht sehr dünnen Drucksensoren. Sie wirken wie künstliche Nerven am Fuß.
Wenn der Patient zum Beispiel über längere Zeit unbeweglich steht, erhöht sich der Druck auf die Füße und deren Temperatur sinkt, weil die Durchblutung schwächer wird. Die Sensoren registrieren dies und senden die Messdaten an Computer-Chips auf der Unterseite der Einlegesohle. Die Sensormessungen werden dort analysiert und per Funk-App auf das Smartphone des Patienten übertragen.
Das System funktioniert wie eine Ampel: von grün bis rot
„Das Display ist denkbar einfach gehalten, um Interpretationsfehler zu vermeiden“, sagt der IT-Spezialist und Ingenieur für Kybernetik Thorsten Szczepanski, der die App entwickelt hat. Im Prinzip funktioniert es wie eine Straßenampel. Grün signalisiert, alles ist noch im normalen Bereich. Gelb ist ein erster Hinweis, dass der Patient die Belastung ändern sollte. Im roten Bereich ertönt zusätzlich ein Warnton oder ein Vibrationsalarm.
„Bei roter Anzeige sollte die Fußbelastung verändert werden, damit die Gewebedurchblutung verbessert wird“, erklärt Professor Peter Mertens, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie. „Bei Anstieg der Fußtemperatur soll der Fuß ganz entlastet und auf ein beginnendes Geschwür hin durch den Patienten untersucht werden. Eine Vorstellung bei dem betreuenden Arzt wäre dann der nächste Schritt.“
Die neue Einlegesohle reagiert nicht nur auf akute Druckveränderungen im Fuß, sondern liefert auch Hinweise auf die Entstehung eines Geschwürs. Dies geschieht durch einen Vergleich in der Temperatur beider Füße, denn die Mediziner wissen, dass schon sieben Tage vor der Ausbildung eines Geschwürs die Temperatur im Fuß um durchschnittlich vier Grad Celsius ansteigt.
Weitere Tests der neuen Sohle an 30 Patienten und Vergleichspersonen
Bislang haben die Forscher das neuartige Warnsystem an 20 Patienten im Stehen getestet. Dabei erwies sich die „intelligente Einlegesohle“ zu 95 Prozent als zuverlässig. Bereits nach 20 bis 30 Minuten signalisieren die Sensoren einen Temperaturabfall an der gefährdeten Stelle und fordern durch die gelbe Ampel zu einer Verhaltensänderung auf.
In den kommenden Monaten wollen die Magdeburger Wissenschaftler 30 neue Patienten mit einer peripheren Nervenbahnstörung und ebenso viele Vergleichspersonen ohne diese Schädigung in eine klinische Studie integrieren.
Für die weitere Zukunft ist vorgesehen, dass Diabetes-Patienten die intelligente Einlegesohle mit nach Hause nehmen können. Das Ziel ist, auf diese Weise das Verhalten von Patienten mit Diabetes zur Vermeidung von Geschwüren zu trainieren.
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