Schwere Ionen zerstören Tumoren mit unvorstellbarer Präzision
Diese Maschine in Marburg wird viele Leben in ganz Deutschland retten: Im Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum werden Krebszellen mit Hilfe schwerer Kohlenstoff-Ionen millimetergenau zerstört. Auch an Stellen im Menschen, an denen sonst kaum noch Hilfe möglich ist. Weltweit gibt es nur wenige Anlagen dieser Art.
Vergangene Woche sind im neuen Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum, das gemeinsam von der Uniklinik Heidelberg und dem Rhön-Klinikum getragen wird, die ersten Patienten behandelt worden. Die Klinik gehört zu den wenigen Zentren weltweit, die diese neuartige Therapie zur Krebsbekämpfung ermöglichen. Die Tumoren der Kranken werden dort wahlweise mit Protonen oder elektrisch positiv geladenen Kohlenstoffmolekülen beschossen.
Diese Schwerionen dringen bis zu 30 cm tief in den Körper ein, ohne auf ihrer Bahn Schaden anzurichten. Erst im Tumor entfalten sie ihre für die Krebszellen verheerende Wirkung. Die Therapie ist um bis zu 90 % effektiver als beispielsweise die Behandlung mit Röntgenstrahlen.
Weil sich der Ionenstrahl millimetergenau positionieren lässt, ist diese Therapie vor allem für Tumoren geeignet, die nah an Nerven und Organen liegen, die keinesfalls zerstört werden dürfen. Behandlungszentren, die ausschließlich mit weniger wirksamen Protonen arbeiten, sind, relativ weit verbreitet. Einrichtungen, die auch schwere Ionen wie Kohlenstoff einsetzen, gibt es dagegen nur wenige.
Behandlung dauert nur wenige Minuten
Mediziner und Physiker haben die Ionenstrahl-Therapie am Beschleuniger der Darmstädter Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) entwickelt. Die Kohlenstoff-Ionen werden durch elektromagnetische Felder auf über 70 % der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Dann werden sie ausgekoppelt und millimetergenau auf den Tumor gelenkt. Die Behandlung dauert nur Minuten. Oft sind alle Krebszellen bereits nach wenigen Bestrahlungen abgetötet. Das Gerät der GSI konnte aber nur wenigen Patienten helfen, weil der Teilchenbeschleuniger für zahlreiche andere Forschungsvorhaben benötigt wird.
Die erste Anlage, die ausschließlich zur Behandlung von Krebspatienten dient, errichtete das Universitätsklinikum Heidelberg. Die dort arbeitenden Mediziner und Physiker sind gewissermaßen Paten der Marburger Einrichtung. Gebaut wurde das Marburger Zentrum von der Siemens AG, die auch an der Fertigstellung der Heidelberger Anlage beteiligt war. Diese besitzt eine besonders aufwendige Gantry, das ist ein 670 t schwerer äußerst beweglicher Stahlkoloss, der den Ionenstrahl beliebig lenken kann, sodass selbst schwerst zugängliche Tumoren getroffen werden können.
Eine eindrucksvolle Animation hat die Uniklinik Heidelberg ins Netz gestellt. Das Marburger Zentrum ist mit einer weit weniger komplexen Gantry ausgestattet.
Kopf wird mit einer Maske fixiert
Die Behandlung beginnt mit der Planung der Bestrahlungsstrategie auf Grund dreidimensionale tromographischer Bilder des Tumors und seiner Umgebung. Festgelegt werden die Dauer der Bestrahlung, der Weg, den der Strahl nehmen soll, und die Tiefe, in der er die Krebszellen zerstört. Während der Bestrahlung müssen die Patienten absolut ruhig liegen, damit der Ionenstrahl kein gesundes Gewebe trifft.
Bei der Bestrahlung eines Hirntumors wird der Kopf des Patienten in eine Kunststoffhülle mit Löchern für Augen und Nase eingesperrt. Die Maske wird mit der Behandlungsliege verschraubt. Ähnliche Fixierungsmöglichkeiten werden bei Tumoren in anderen Bereichen des Körpers eingesetzt. Die Liegen, die sich um sechs Achsen bewegen lassen, werden computergesteuert in die optimale Position gefahren, sodass der Tumor präzise getroffen werden kann.
Ziel der Marburger Klinik ist spätestens in zwei Jahren die Behandlung von 700 Patienten jährlich. Diese Zahl soll dann weiter gesteigert werden, so dass jährlich mehr als 1000 Patienten bestrahlt werden können.
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