Sensor erkennt epileptische Anfälle früher und ruft Hilfe
Hermann von Helmholtz, Alfred Nobel, Sokrates: Sie alle litten unter Epilepsie und haben doch Großartiges geleistet. Immer noch gibt die Krankheit Rätsel auf. Mit Hilfe eines Sensors im Ohr, der mit dem Smartphone verbunden ist, wollen Forscher nun der Krankheit auf die Schliche kommen.
Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die sich in epileptischen Anfällen äußert. In Europa leiden etwa 0,6 bis 1 % der Bevölkerung an der Krankheit. Bezogen auf Deutschland entspricht das etwa 500.000 bis 800.000 Menschen. Nicht nur Erwachsene erkranken an Epilepsie, sondern auch Kinder und Jugendliche.
Die Betroffenen können jetzt darauf hoffen, dass sie durch einen kleiner Messfühler im Ohr schon früh auf einen drohenden Anfall hingewiesen werden. Zudem kann das neue System im Ernstfall schnell Hilfe rufen.
Automatische Daten- und Alarmkette
Der Sensor nutzt die Eigenschaft der Krankheit, dass sich epileptische Anfälle recht gut über einen beschleunigten Puls und bestimmte Bewegungsmuster feststellen lassen. Diese Symptome kann der kleine Knopf im Ohr messen.
Er soll die Signale über ein angeschlossenes Smartphone an einen Zentralcomputer weitergeben, der die eingehenden Daten kontinuierlich auf Auffälligkeiten prüft und notfalls Patienten, Angehörige und behandelnde Ärzte warnt. Denn im schlimmsten Fall können epileptische Anfälle tödlich ausgehen.
Epilepsie-Patienten bekommen nur die Hälfte der Anfälle mit
Teilweise finden epileptische Anfälle während des Schlafs statt, ohne dass die Betroffenen das spüren. „Wir schätzen, dass die Patienten maximal die Hälfte ihrer Anfälle bewusst wahrnimmt“, sagt Privatdozent Dr. Rainer Surges, Leitender Oberarzt an der Klinik für Epileptologie der Bonner Uniklinik. Surges leitet das Verbundprojekt EPItect, in dem verschiedene Hochschulen, Forschungseinrichtungen und das Münchner Start-up Cosinuss zusammen arbeiten, das sich auf Sensoren zur Messung von Vitaldaten des Körpers spezialisiert hat. Bei der Entwicklung des neuen Epilepsie-Sensors wird das Konsortium durch den Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik unterstützt.
Dass viele Epilepsie-Erkrankte die Häufigkeit und Stärke von Anfällen gar nicht richtig einschätzen können, erschwert Diagnose und Therapie von Epilepsien erheblich. Objektive Informationen lassen sich zwar mittels Elektroenzephalografie aufzeichnen – doch die Geräte dafür stehen in der Klinik und erfordern einen stationären Aufenthalt der Patienten. Ein mobiler Sensor könnte also die Datenlage deutlich verbessern.
Prototyp für den Epilepsie-Sensor kommt aus München
„Mobile Messgeräte würden sich in die alltäglichen Abläufe der Patienten viel besser integrieren lassen“, betont Projektkoordinator Surges. Der bereits entwickelte Prototyp eines Epilepsie-Sensors stammt von der Firma Cosinuss aus München. Das Start-up, eine Ausgründung der TU München, hat schon Sensoren zur Messung von Körperdaten für Spitzensportler entwickelt, beispielsweise für den Ironman-Weltmeister Jan Frodeno und die mehrfache Ironman-Gewinnerin Anja Beranek. Der Epilepsie-Sensor ist noch zu groß und soll in den nächsten drei Jahren weiter miniaturisiert und optimiert werden.
„Mit EPItect können wir absehbar bessere Diagnosen stellen, weil die Anfallshäufigkeit und -schwere besser erfasst wird“, sagt Prof. Dr. Christian E. Elger, Direktor der Bonner Klinik für Epileptologie. Das Gleiche gilt für die Entwicklung neuer Therapien: Auch hier könnte mit Hilfe des mobilen Minisensors zum Beispiel ermittelt werden, welches Medikament die Anfälle am wirksamsten reduziert.
Das Konsortium plant, dass die neue Technologie in wenigen Jahren marktreif ist. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt EPItect mit rund zwei Millionen Euro.
Einen ebenfalls möglicherweise lebensrettenden Sensor für Autofahrer haben Bosch und IBM entwickelt. Er steckt im Zigarettenanzünder und registriert bei einem Unfall die Stärke des Aufpralls und sendet diese Informationen an eine App, die dann den Notruf an Rettungsdienste absetzt.
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