Sensor überwacht Hirndruck bei „Wasser im Kopf“
Wenn der Abfluss der Hirnflüssigkeit gestört ist, implantieren Ärzte ein System in den Kopf, das den Druck reguliert. Ein neues Langzeitimplantat hilft Patienten mit Hydrocephalus, den Hirndruck einfach zu messen und zu regulieren.
Unser menschliches Gehirn ist in einer Flüssigkeit gelagert, die ständig neu produziert und ausgetauscht wird. Diese Hirn-Rückenmarksflüssigkeit, der sogenannte Liquor, zirkuliert vom Gehirn über das Rückenmark ins Blut und erneuert sich ungefähr alle acht Stunden. Ein Erwachsener produziert rund 20 Milliliter des Gehirnkammerwassers pro Stunde. Ist diese Zirkulation der Hirnflüssigkeit gestört, lautet die Diagnose Hydrocephalus, wörtlich „Wasser im Kopf“. Das Gehirn produziert dann entweder zu viel Flüssigkeit, oder diese kann nicht ordentlich abtransportiert werden. Die Flüssigkeitsräume, Ventrikel genannt, erweitern sich und der Druck im Gehirn steigt.
Über ein implantiertes Ventil wird der Hirndruck reguliert
Die Folgen sind für jeden Patienten unterschiedlich und reichen von geringer Beeinträchtigung bis zu schweren neurologischen Ausfällen. Der Hydrocephalus kann vorgeburtlich entstehen, aber auch in jedem Lebensalter, etwa durch Infektionen, Unfälle oder Tumore. Um den Druck im Gehirn auf das normale Maß zu bringen, setzen die Ärzte bei den Betroffenen einen Shunt ein. Dieses Schlauch-Ventil-System aus Kunststoff leitet den überschüssigen Liquor ab, beispielsweise in den Bauchraum. Herzstück dieses Shunt-Systems ist ein Ventil. Steigt der Druck über einen Schwellenwert, öffnet das Ventil, sinkt er wieder darunter, schließt es.
In seltenen Fällen kann es allerdings zu einer Überdrainage kommen. Dabei sinkt der Hirndruck zu stark, die Hirnkammern werden quasi ausgepresst. Bislang können Ärzte eine solche Überdrainage nur über aufwändige und teure Computer- oder Magnetresonanztomographien nachweisen. Ein neuer Sensor, den die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg gemeinsam mit der Christoph Miethke GmbH und der Aesculap AG entwickelt haben, reduziert den Diagnoseaufwand erheblich. Wird der Sensor mit dem Shunt-System ins Gehirn des Patienten implantiert, können die Ärzte den Hirndruck mit einem Handlesegerät auslesen – in wenigen Sekunden, jederzeit und ohne aufwändige Untersuchung.
Der Sensor misst Temperatur und Druck und sendet die Daten zum Lesegerät
Klagt der Patient über Beschwerden, braucht der Arzt lediglich das Handlesegerät von außen an den Kopf des Patienten zu halten. Das Gerät sendet magnetische Funkwellen und versorgt den Sensor im Shunt darüber mit Energie – das Implantat wird „aufgeweckt“, misst Temperatur und Druck in der Hirnflüssigkeit und sendet diese Daten zurück zum Handlesegerät. Ist der Druck außerhalb des gewünschten Bereichs, kann der Arzt das Ventil des Shunt-Systems von außen entsprechend einstellen und es individuell an den Patienten anpassen. „Der Sensor ist ein aktives Implantat, das auch Messfunktionen übernimmt“, sagt Michael Görtz, Leiter der Drucksensorik am IMS.
Damit der Körper das Implantat nicht abstößt, verkapselten die Wissenschaftler es vollständig in eine sehr dünne Metallhülle. „Wir können es trotzdem von außen mit Energie versorgen, den Hirndruck durch das Gehäuse messen und die aufgenommenen Daten durch das Metall zum Lesegerät nach außen funken“, sagt Görtz. Auch das Handlesegerät haben die Forscher entwickelt, samt der Elektronik, über die es mit dem Sensor kommunizieren kann.
Der Sensor ist serienreif, mit der Markteinführung des Systems hat das Unternehmen Miethke, das seit über 20 Jahren neurochirurgische Implantate zur Therapie des Hydrocephalus entwickelt, bereits begonnen. In einigen Jahren, so hoffen die Forscher, könnte der Sensor dann nicht nur den Hirndruck erfassen und damit eine Diagnose erstellen, sondern den Druck auch gleich selbstständig richtig einstellen und somit die Therapie übernehmen.
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