So lässt sich der Schutz vor SARS-CoV-2 im Krankenhaus verbessern
Angestellte im Gesundheitswesen haben das größte Risiko, sich mit neuartigen Coronaviren zu infizieren – vor allem bei riskanten Eingriffen. Doch Mediziner und Ingenieure aus den USA stellen eine technische Lösung für mehr Sicherheit vor.
Bis Ende August haben sich laut Analysen des Robert Koch-Instituts in Berlin rund 15.000 Personen im Gesundheitswesen mit SARS-CoV-2 infiziert. Oft sind Ärzte und Pflegekräfte betroffen, die in Krankenhäusern arbeiten und Patienten mit schweren Formen von Covid-19 auf Intensivstationen betreuen. Dabei gelten alle Maßnahmen, bei denen Aerosole entstehen können, beispielsweise Bronchoskopien (Lungenspiegelungen), nichtinvasive Beatmungen mit einer Maske oder endotracheale Intubationen zur maschinellen Beatmung, als riskant. Nur lassen sich solche Eingriffe kaum vermeiden. Bisher blieb Ärzten und Pflegekräften nur, auf ihre persönliche Schutzausrüstung zu vertrauen.
Forscher des University of Pittsburgh Medical Center und des US Army Combat Capabilities Development Command haben deshalb ein mobiles Isolationsgerät entwickelt. Es kommt direkt am Patientenbett zum Einsatz, saugt Luft mit geringem Unterdruck ab und filtert Viruspartikel heraus. Das Risiko von Kontaminationen verringert sich.
Entwicklung mit handelsüblichen Komponenten
Die Forscher arbeiteten mit leicht verfügbaren Materialien wie Plexiglasscheiben und Kunststofffolien. Daraus entstand ein Kasten. Anschließend testeten sie verschiedene Absaug-Einrichtungen, die normalerweise in Kliniken vorhanden sind, um einen Unterdruck zu erzeugen. Geeignete Filter, die Viren adsorbieren, kamen mit hinzu. Dieser Kasten wird über Kopf und Hals eines stationären Patienten gelegt. Dann aktivieren Ärzte das Pumpsystem. Über Folien sind Eingriffe möglich.
Im nächsten Schritt untersuchten Forscher, ob ihr System tatsächlich Aerosole zurückhält. Dazu arbeiteten sie mit einem Dummy. Bei ihm führte ein Arzt Intubationen per Video-Laryngoskopie durch. Während der simulierten Eingriffe befanden sich Testaerosole innerhalb der starren Kunststoffbarriere. Sie wurden mit einer Nebelmaschine, wie sie bei Obstbauern als Gefrierschutz für Pflanzen zum Einsatz kommt, erzeugt.
Jedes Experiment dauerte 2,5 Minuten. Zu Beginn wurden 60 Sekunden lang Aerosole in die Box geblasen. Danach führte der Arzt mehrere Intubationen und Extubationen durch. Solche Eingriffe gelingen in der Praxis nicht immer sofort – auch dieses Szenario wurde berücksichtigt. Mit einem speziellen Aerosol-Photometer erfassten Wissenschaftler kleinste Tröpfchen außerhalb der Barriere, sprich in der Raumluft. Die Experimente wurden zuerst ohne Absaugung und dann mit aktiver Pumpe durchgeführt.
Simulation zeigt höheres Sicherheitsniveau am Patientenbett
Erste Versuche schlugen fehl. „Als wir den passiven Intubationskasten testeten, beobachteten wir mehr als das Dreifache der Aerosolkonzentration außerhalb des Kastens – dort, wo sich das medizinische Personal befindet – als innerhalb des Kastens“, berichtet Cameron Good. Er forscht am US Army Combat Capabilities Development Command. Als die Forscher mit einer stärkeren Luftabsaugung arbeiteten, hatten sie Erfolg. Die Konzentrationen an zwei Messstellen außerhalb des Gehäuses lag statistisch signifikant unter der Sicherheitsschwelle der Branche. Good: „Mehr als 99,99% der virustypischen Aerosole wurden aufgefangen und daran gehindert, in den Raum zu entweichen.“
Er hofft: „Die Möglichkeit, COVID-19-Patienten am Krankenbett zu isolieren, ist der Schlüssel zur Verhinderung der Virusausbreitung in medizinischen Einrichtungen und an Bord von Militärschiffen und -flugzeugen, insbesondere zur Begrenzung der Übertragung durch nahe gelegene oder gemeinsam genutzte Beatmungssysteme.“ Deshalb hatten Ingenieure und Ärzte alle Systeme für den mobilen Gebrauch konzipiert. Die Box mit Absaug-Einrichtung und Filtern wird über Akkus mit Strom versorgt.
Einsatz nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie
Bislang hat die Arbeitsgruppe ihr System nur im Labor getestet; weitere Untersuchungen in einem realen Setting müssen folgen. Doch der Aufwand lohnt sich: Neben SARS-CoV-2 fallen nach deutschen Regelungen etliche Viren in die sogenannte Risikogruppe drei, etwa diverse Grippeviren, aber auch das West-Nil-Virus, das Dengue-Virus, das Hepatitis-C-Virus oder das Hantaan-Virus. Gerade bei Influenza ist zur Grippesaison mit vielen Patienten in kurzer Zeit zu rechnen, und preisgünstige Maßnahmen zum Schutz des medizinischen Personals sind von großem Nutzen.
„Außerhalb der aktuellen Pandemie könnte die Boxen schnell eingesetzt werden, um Patienten mit Atemwegserkrankungen zu isolieren“, hofft deshalb auch David Turer vom University of Pittsburgh Medical Center. „Unsere Technologie könnte zur Eindämmung von Influenza, MERS oder Tuberkulose eingesetzt wird, insbesondere an Orten, an denen keine geeignete Krankenhausinfrastruktur gibt.“
Doch es gibt Grenzen: In die Risikoklasse vier gehören vor allem das Ebola-, Lassa-, Krim-Kongo- oder Marburg-Virus sowie Pocken-Viren. Beim Umgang mit Patienten ist die höchste Schutzstufe erforderlich; Ärzte arbeiten mit Schutzanzug, Maske und Filteraufsatz oder Filtergebläse. Es gibt auch gasdichte Schutzanzüge mit Pressluft-Atmung.
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