SPARROW-Algorithmus: Turbo für die Medikamentenentwicklung?
Ein spezieller, KI-basierter Algorithmus identifiziert erfolgversprechende Wirkstoffkandidaten für neue Medikamente. Der von MIT-Forschenden entwickelte Ansatz soll die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen und die Synthesekosten deutlich reduzieren. Er könnte die Arzneimittelforschung stark beschleunigen.
Forschende des MIT (Massachusetts Institute of Technology) haben einen Algorithmus entwickelt, der künstliche Intelligenz (KI) nutzt, um automatisch die aussichtsreichsten Moleküle für potenzielle neue Medikamente zu identifizieren. Dieser sogenannte SPARROW-Algorithmus (Synthesis Planning and Rewards-based Route Optimization Workflow) nutzt verschiedene Parameter für die Auswahl der besten Molekülkandidaten.
Auch in der Arzneimittelentwicklung boomt der Einsatz von KI seit Jahren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzen maschinelles Lernen ein, um aus Milliarden von Molekülen diejenigen herauszufiltern, die die gewünschten Eigenschaften für neue Medikamente aufweisen. Selbst Forschende, die bereits tagtäglich KI nutzen, stehen jedoch bis heute vor der Herausforderung, dass sie viele wichtige Faktoren nicht einfließen lassen können – von den Material- und Synthesekosten bis hin zur Erfolgswahrscheinlichkeit.
Da kommt es nicht von ungefähr, dass der Entscheidungsweg hin zu den besten und kosteneffizientesten Wirkstoffkandidaten maßgeblich zur langen Entwicklungsdauer neuer Medikamente und den teilweise hohen Preisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel beiträgt.
Wirkstoffsuche beschleunigt, Kosteneffizienz gesteigert
SPARROW unterstützt Forschende darin, kostenbewusste und effiziente Entscheidungen zu treffen. Der Algorithmus identifiziert automatisch die aussichtsreichsten Wirkstoffkandidaten, reduziert die Synthesekosten und maximiert gleichzeitig die Erfolgswahrscheinlichkeit. Zudem ermittelt er die für die Wirkstoffsynthese erforderlichen Materialien und experimentellen Schritte.
Der quantitative Rahmen des SPARROW-Algorithmus ermittelt die Kosten für die Synthese mehrerer Wirkstoffkandidaten auf einmal, da verschiedene Kandidaten oft aus gleichen chemischen Verbindungen abgeleitet werden können. In die “Entscheidungsfindung” des Algorithmus fließen Informationen zum Moleküldesign, zu den potenziellen Eigenschaften sowie zur Syntheseplanung ein. Hinzu kommen weitere Informationen und neu “erdachte” Moleküle aus anderen KI-basierten Tools.
“Die Auswahl von Wirkstoffen ist im Moment noch eine Kunst – und manchmal eine sehr erfolgreiche Kunst. Aber da wir über all diese anderen Modelle und Vorhersageinstrumente verfügen, die uns Informationen darüber liefern, wie Moleküle funktionieren und wie sie synthetisiert werden könnten, können und sollten wir diese Informationen nutzen, um unsere Entscheidungen zu treffen”, sagt Connor Coley, Assistenzprofessor in den MIT-Abteilungen für Chemieingenieurwesen und Elektrotechnik und Informatik und Hauptautor einer Arbeit über SPARROW.
SPARROW übernimmt komplexe Kosten-Nutzen-Analysen
SPARROW wägt ab, ob sich die Synthese und Testung eines bestimmten Moleküls lohnt, indem er die Kosten und den Wert des Experiments gegenüberstellt. Dabei berücksichtigt er Faktoren wie Materialkosten, Risiko des Scheiterns, Moleküleigenschaften und Vorhersagesicherheit.
Pharmaunternehmen setzen zunehmend auf die sogenannte Batch-Synthese (englisch “batch” = Stapel), um mehrere Kandidaten gleichzeitig zu testen. Die Batch-Synthese, auch Batch-Prozess genannt, ist ein in der Reaktionstechnik etablierter Begriff. Er bezeichnet Prozesse, die als “Stapel”, also streng nacheinander abgearbeitet werden. Das Vorgehen erfordert einheitliche Versuchsbedingungen für alle chemischen Reaktionen, was die Schätzung von Kosten und Wert zusätzlich erschwert. SPARROW überwindet diese Herausforderung, indem es gemeinsame Zwischenverbindungen bei der Molekülsynthese berücksichtigt und diese Informationen in seine Kosten-Nutzen-Kalkulation einbezieht. “Wenn man sich das Optimierungsspiel der Entwicklung einer Molekülcharge vorstellt, hängen die Kosten für das Hinzufügen einer neuen Struktur von den bereits ausgewählten Molekülen ab”, ergänzt Coley.
Künstliche Intelligenz ist vielseitig einsetzbar
SPARROW zeichnet sich durch seine Vielseitigkeit aus: Es kann von Menschen entworfene Molekülstrukturen genauso einbeziehen wie Molekülstrukturen aus virtuellen Verzeichnissen oder völlig neuartige, von generativen KI-Modellen erfundene Moleküle. “Wir haben all diese verschiedenen Quellen. Ein Teil des Reizes von SPARROW besteht darin, dass man all diese Ideen nehmen und auf dasselbe Spielfeld bringen kann”, fügt Coley hinzu.
Die Forschenden haben SPARROW anhand von drei realen Fallstudien aus der Chemie evaluiert. Es zeigte sich, dass SPARROW effektiv die Grenzkosten der Batch-Synthese erfasst, gängige Versuchsschritte und Zwischenprodukte identifiziert und auf hunderte Molekülkandidaten skaliert werden kann.
SPARROW soll algorithmische Entscheidungen praxisnah machen
“In der Gemeinschaft des maschinellen Lernens für die Chemie gibt es so viele Modelle, die beispielsweise für die Retrosynthese oder die Vorhersage von Moleküleigenschaften gut funktionieren. Doch wie können wir sie tatsächlich nutzen? Unser Framework zielt darauf ab, den Wert dieser Arbeiten und Modelle direkter in die Praxis zu bringen”, so Coley. Durch die Entwicklung von SPARROW wollen Coley und sein Team andere Forschende dazu anregen, die Auswahl von Verbindungen anhand der jeweiligen Kosten- und Nutzenfunktionen zu optimieren und zu beschleunigen.
Zukünftig planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, SPARROW um zusätzliche Parameter zu erweitern, zum Beispiel um variierende Werte von Verbindungstests und andere chemische Parameter. Fachleute loben den SPARROW-Ansatz als wichtigen Schritt hin zu einer effektiveren, automatisierten und autonomen Arzneimittelforschung. Er bringe die algorithmische Entscheidungsfindung in Einklang mit den praktischen Anforderungen der chemischen Synthese und stelle ein nützliches Werkzeug für Teams in der Arzneimittelforschung dar.
Ein Beitrag von: