Spielen bald magnetische Mikroalgen Medikamenten-Taxi im Körper?
Forschende aus Stuttgart haben Mikroalgen magnetisiert und möchten sie als Taxis für die Verteilung von Medikamenten im Körper nutzen.

Animation einer Alge, die mit dem natürlichen Polymer Chitosan sowie mit magnetischen Nanopartikeln beschichtet wurde.
Foto: MPI-IS / A. Posada
Forschende des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme haben Mikroalgen mit magnetischen Nanopartikeln beschichtet. Diese winzigen Biohybrid-Roboter lassen sich in zähen Flüssigkeiten und engen Kanälen steuern. Die Ergebnisse könnten für medizinische Anwendungen wie die gezielte Medikamentenabgabe relevant sein.
Inhaltsverzeichnis
Eine neue Generation steuerbarer Mikroroboter
Mikroalgen sind fantastische Schwimmer. Ihre kleinen, peitschenartigen Fühler sorgen dafür, dass sie sich effizient durch Wasser bewegen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart wollten herausfinden, ob sich diese einzelligen Organismen zu steuerbaren Mikrorobotern weiterentwickeln lassen. Ihr Ansatz: eine Beschichtung mit magnetischen Nanopartikeln.
Die Studie, die im Fachjournal „Matter“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Schwimmfähigkeit der Algen durch die Magnetisierung kaum beeinträchtigt wird. Gleichzeitig lassen sie sich über ein Magnetfeld gezielt steuern. Diese Eigenschaften machen die Mikroalgen zu vielversprechenden Kandidaten für biomedizinische Anwendungen.
Wie die Magnetisierung funktioniert
Das Forschungsteam nutzte Chitosan, ein natürliches Polymer, um die magnetischen Nanopartikel sicher auf der Oberfläche der Algen zu befestigen. Dieser Prozess dauerte nur wenige Minuten und war bei neun von zehn Mikroalgen erfolgreich.
Anschließend testeten die Forschenden die Steuerbarkeit der Algen in einer wässrigen Lösung. Mithilfe externer Magnetfelder konnten sie die Mikroroboter in jede gewünschte Richtung lenken. Noch herausfordernder war die Navigation in dreidimensionalen, winzigen Kanälen, die nur minimal breiter als die Mikroalgen selbst waren.

Animation, die veranschaulicht, wie der Mikroschwimmer mit magnetischen Nanopartikeln beschichtet wird und wie er in Wasser und viskosen Flüssigkeiten schwimmt.
Foto: MPI-IS
Drei verschiedene Navigationsmuster
Die Forschenden des Max-Planck-Instituts schauten sich ganz genau an, wie sich die Mikroalgen in den engen Kanälen bewegten und konnten drei Muster identifizieren: „Wir haben festgestellt, dass die Algen in den 3D-gedruckten Mikrokanälen auf drei Arten navigieren: Rückwärtsbewegung, Kreuzung und magnetische Kreuzung. Ohne magnetische Steuerung blieben die Algen oft stecken und bewegten sich zurück zum Start. Mit magnetischer Steuerung bewegten sie sich jedoch reibungsloser und umgingen Hindernisse“, erklärt Birgül Akolpoglu, Co-Erstautorin der Studie.
Um die Eignung für biomedizinische Anwendungen zu untersuchen, testete das Team die Mikroalgen in einer dickflüssigen Substanz, die der Konsistenz von Schleim im menschlichen Körper ähnelt. Hier zeigten sich interessante Verhaltensmuster: Die Schwimmgeschwindigkeit nahm ab, und die Algen bewegten sich in einem Zickzackmuster vorwärts. Dies deutet darauf hin, dass die Kombination aus Viskosität und Magnetfeld präzise abgestimmt werden muss, um eine optimale Navigation in biologischen Umgebungen zu gewährleisten.
„Wir wollten testen, wie sich unsere Schwimmer in einer Umgebung verhalten, die Schleim ähnelt. Wir stellten fest, dass die Viskosität die Schwimmfähigkeit der Mikroalgen beeinflusst. Eine höhere Viskosität verlangsamt sie und verändert die Art und Weise, wie sie sich fortbewegen. Als wir das Magnetfeld anlegten, schwangen die Schwimmer hin und her – sie bewegten sich in einem Zickzackmuster vorwärts“, beschreibt Saadet Fatma Baltaci.
Potenzielle Anwendungen in der Medizin
Das langfristige Ziel der Forschenden ist der Einsatz der magnetisierten Mikroalgen für medizinische Zwecke. Denkbar wäre beispielsweise eine gezielte Medikamentenabgabe, bei der die Mikroroboter Wirkstoffe genau an die betroffene Stelle im Körper transportieren. Da die Algen biologisch abbaubar sind, könnten sie eine biokompatible Alternative zu anderen Mikrorobotern darstellen.
„Unsere Vision ist es, die Mikroroboter in komplexen und kleinen Umgebungen einzusetzen, die stark eingegrenzt sind, wie sie z. B. in unserem Gewebe vorkommen. Unsere Ergebnisse öffnen Türen für Anwendungen wie die gezielte Medikamentenabgabe und bieten eine biokompatible Lösung für medizinische Behandlungen mit einem aufregenden Potenzial für zukünftige Innovationen in der Biomedizin und darüber hinaus“, so das Forschungsteam.
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