Toilettensitz misst Daten bei Patienten mit Herzschwäche
US-Forscher haben eine neue Möglichkeit fürs Monitoring chronisch kranker Menschen gefunden: Sensoren in einer Toilettenbrille erfassen Daten über die Herztätigkeit und schicken sie an eine Cloud.
Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt, ist eine Volkskrankheit. Exakte Erhebungen gibt es nicht, aber alleine in Deutschland sind zwischen zwei und drei Millionen Menschen betroffen. Sie leiden vor allem unter Atemnot und einer Leistungsschwäche, die so ausgeprägt sein kann, dass die Lebensqualität stark sinkt und ein normaler Alltag nicht mehr möglich ist. Bei Menschen über 65 ist die Herzschwäche die häufigste Einzeldiagnose für Einweisungen ins Krankenhaus – in vielen Fällen verläuft sie tödlich. Umso wichtiger ist es, den Gesundheitszustand der Betroffenen permanent im Blick zu behalten. Forscher des amerikanischen Rochester Institute of Technology haben dafür einen Alltagsgegenstand aufgerüstet: Sie nutzen eine Toilettenbrille, um das Herz zu überwachen. Gemessen wird bei jedem Besuch.
Intelligente Toilette übernimmt regelmäßiges Monitoring
Herzinsuffizienz ist eine chronische Krankheit, bei der es wichtig ist, die Behandlung der individuellen Situation gegebenenfalls anzupassen. Geschieht dies rechtzeitig, können Krankenhausaufenthalte vielfach vermieden werden. Auf dieses Prinzip setzt die Neuentwicklung der Wissenschaftler. „Normalerweise werden innerhalb von 30 Tagen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus 25% der Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz erneut aufgenommen. Und 90 Tage nach der Entlassung sind bereits 45% der Patienten ein weiteres Mal eingewiesen worden“, sagt Nicholas Conn, der zusammen mit seinen Kollegen den intelligenten Toilettensitz entworfen hat. Genau diese Zahl soll die neue Technik verringern.
Das Konzept sieht vor, dass die Krankenhäuser die Toilettenbrillen auf Vorrat kaufen und den Patienten bei der Entlassung mit nach Hause geben. Finanziell könnte sich diese Vorgehensweise lohnen, da Kliniken in den USA bei kurzen Zeiträumen zwischen zwei Einweisungen aufgrund derselben Diagnose mit Strafzahlungen rechnen müssen. Die intelligente Toilette soll also die Ärzte beim Monitoring der Patienten unterstützen. Fallen die Werte zu negativ aus, ist es Aufgabe des behandelnden Kardiologen, die Therapie anzupassen, beispielsweise über eine andere Dosierung der Medikamente.
Algorithmen werten Daten verschiedener Sensoren aus
Der Toilettensitz misst die elektrische und mechanische Aktivität des Herzens und kann die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Sauerstoffzufuhr im Blut sowie das Gewicht und das Schlagvolumen des Patienten überwachen, also die Blutmenge, die aus dem Herzen herausgepumpt wird. Dafür wurde die Toilettenbrille mit einer komplexen Technik ausgestattet. Drei verschiedene Arten von Sensoren erfassen gleichzeitig Informationen: Sensoren auf der Oberseite des Sitzes messen die elektrische Aktivität des Herzens und erstellen daraus ein einfaches Elektrokardiogramm (EKG).
Ein einzelner Sensor, der ebenfalls oben angebracht ist, erfasst das Blutvolumen optisch, indem er an der Rückseite des Oberschenkels zwei Wellenlängen – rot und infrarot – wahrnimmt, wie bei der Pulsoxymetrie. Diese basiert darauf, dass sauerstoffhaltiges Hämoglobin und Hämoglobin, das mangelhaft mit Sauerstoff versorgt ist (desoxygeniert), Licht unterschiedlich absorbieren. Hämoglobin mit viel Sauerstoff absorbiert mehr Infrarot, während Hämoglobin mit schlechter Sauerstoffsättigung mehr rotes Licht aufnimmt. Der Sitz wird für dieses Verfahren für jeden Patienten individuell kalibriert. Anschließend ist es möglich, dank der optischen Messung die Sauerstoffversorgung zu schätzen.
Außerdem ist der Sitz mit einem beweglichen Scharnier am Toiletten-Korpus befestigt, sodass die vier Lastsensoren an der Unterseite des Sitzes die ballistische Kraft des Herzzyklus aufnehmen können. All diese Daten werden an eine Cloud übertragen, wo Algorithmen das Schlagvolumen, den Blutdruck und die Sauerstoffsättigung des Blutes errechnen.
Gute Messergebnisse der Toilettenbrille beim Testlauf
Die Toilettenbrille ist batteriebetrieben und leicht zu reinigen, weswegen die Wissenschaftler von einer hohen Akzeptanz bei den Patienten ausgehen. Selbst aktiv werden müssen sie in keiner Weise. Der digitale Bericht wird über die Cloud automatisch an den behandelnden Kardiologen weitergeleitet, der Kontakt zum Erkrankten aufnimmt, falls sich dessen Zustand verschlechtern sollte. Das Entscheidende ist dabei die Sensibilität der Messungen. Denn das System soll negative Entwicklungen erkennen, solange sie asymptomatisch sind – der Patient also noch nichts davon spürt. Denn zu diesem Zeitpunkt kann der Arzt durch eine Anpassung der Therapie häufig noch gegensteuern.
In einer Testphase haben 18 Patienten den Sitz über einen Zeitraum von acht Wochen bereits ausprobiert, und die Ergebnisse waren nach Aussage der Forscher viel versprechend. Alle Messungen seien sehr genau und aussagekräftig gewesen. Conn und seine Kollegen arbeiten jetzt daran, für ihre intelligente Toilettenbrille eine offizielle Zulassung zu erhalten.
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