Vom Papier zur ePatientenakte: Experte erklärt, wie der sichere Übergang gelingt
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen verändert den Zugang zu Patientendaten grundlegend und macht den Alltag für medizinisches Personal einfacher – gleichzeitig stellen Datenschutz und der Einsatz neuer Technologien wie KI und Blockchain große Herausforderungen dar.
Im Interview mit Martin Ha von Iron Mountain erfahren Sie, welche Schritte nötig sind, um ein sicheres und effizientes digitales Gesundheitssystem zu schaffen und wie alle Beteiligten profitieren können. Mit über 20 Jahren Erfahrung in der Digitalen Transformation weiß Martin Ha genau, worauf es ankommt.
Herr Ha, wie bewerten Sie die aktuellen Fortschritte bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in Deutschland? Welche Herausforderungen sehen Sie in der Übergangsphase vom analogen zum digitalen System?
Martin Ha: Die Digitalisierung ist im deutschen Gesundheitssystem noch nicht weit vorangeschritten. Viele Akteure im Gesundheitssystem – seien es Krankenkassen, Arztpraxen oder Krankenhäuser – arbeiten noch mit einer beträchtlichen Menge physischer Unterlagen.
Die Einführung der elektronischen Patientenakte im Januar 2025 ist nun ein wichtiger Meilenstein im laufenden Transformationsprozess. Eine große Aufgabe ist es, die physischen Akten zu digitalisieren und dabei die Dokumenten- und Informationsintegrität zu wahren. Das gilt sowohl für die Verwaltung der digitalen Unterlagen wie auch die Verwahrung und Vernichtung der bisherigen gedruckten Versionen. Ein erfolgreich und vollständig digitalisiertes Gesundheitssystem ist selbstverständlich das Zielbild. Die digitale Transformation wird es allen Beteiligten einfacher machen: Ärzt*innen und Patient*innen profitieren von schnelleren und besseren Diagnosen, medizinisches und Verwaltungspersonal von gestiegener Effizienz, denn alle Daten sind vollständig und auf Knopfdruck verfügbar.
Rechtskonforme Archivierung als Teil der Datenmanagementstrategie
Wie wichtig ist es, dass physische und digitale Gesundheitsdaten gut miteinander funktionieren, um das Gesundheitssystem erfolgreich zu digitalisieren?
Das ist essenziell. Wir sehen, dass das Gesundheitswesen noch viele gedruckte Unterlagen nutzt und noch für einige Zeit auf solche Papierakten angewiesen sein wird. Gleichzeitig beginnen Akteure damit, Daten zu digitalisieren. Bestimmte Patientendaten sind laut Gesetzgebung jedoch für mehrere Jahrzehnte physisch aufzubewahren. Daher muss auch die rechtskonforme Archivierung ein Teil der Datenmanagementstrategie sein. Hier kann ein erfahrener Partner eine wichtige Rolle spielen und dafür Sorge tragen, dass alle Fristen und Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Er kann gleichermaßen beim Aufsetzen einer umfassenden Digitalstrategie unterstützen, durch die beide Dokumentformate gut miteinander verzahnt werden.
Wie können gesetzliche Krankenversicherungen und andere Akteure sicherstellen, dass die digitale Infrastruktur bis zur Frist im Januar 2025 bereit ist? Was sind die größten Hürden dabei?
Die Bereitstellung einer robusten digitalen Infrastruktur bis Januar 2025 erfordert ein hohes Maß an Zusammenarbeit und Investition. Die größten Hürden liegen in der Gewährleistung von Dateninteroperabilität, der Anpassung bestehender IT-Landschaften und der sicheren Aufbewahrung von Daten. Software-as-a-Service-Lösungen spielen eine entscheidende Rolle, um wachsende Datenmengen zu verwalten, Compliance-Anforderungen zu erfüllen und Informationen leicht zugänglich bereitstellen zu können. Die digitale Infrastruktur muss nicht nur rechtzeitig bereit stehen, sondern auch zukunftsfähig sein.
Patient*innen im Mittelpunkt
Wie wichtig ist die Schulung und Unterstützung von Ärzten und medizinischem Personal im Umgang mit der ePA und digitalen Gesundheitslösungen, um Bedenken über den zusätzlichen Aufwand zu zerstreuen?
Alle Beteiligten werden von der digitalen Transformation im Gesundheitswesen profitieren. Durch den schnelleren Zugriff auf Patientendaten können Ärzt*innen Diagnosen präziser und schneller stellen. Das medizinische Personal kann die Patientendaten deutlich effizienter verwalten und nutzen. Die Digitale Transformation stellt die Patient*innen in den Mittelpunkt.
Wichtig ist, dass alle im Transformationsprozess eingebunden sind. Zum einen sollten sie auf neue und vermehrt digitale Prozesse vorbereitet bzw. dafür geschult werden. Das umfasst das Onboarding mit neuen Tools oder der Umgang mit der ePa. Essenziell sind auch die Sensibilisierung und kontinuierliche Trainings für Cybersicherheit, etwa um sich vor Phishing und Malware Angriffen zu schützen. Zum anderen ist es wichtig, offen und transparent mit den Mitarbeitenden im Laufe des Digitalisierungsprozesses zu kommunizieren. Insbesondere die Verwaltung von Patientendaten ist hochsensibel. So wird Vertrauen für die digitale Verwaltung dieser Daten geschaffen und um die Unterstützung der Belegschaft dafür geworben.
Könnten Sie die Bedeutung einer umfassenden Digitalstrategie im Kontext der Datensicherheit und des Datenschutzes näher erläutern? Welche Maßnahmen halten Sie für unerlässlich?
Die Verwaltung und Verwendung von Gesundheitsdaten erfordert höchste Sicherheitsstandards und ist beispielsweise in der Datenschutzgrundverordnung konkret geregelt. Die Datensicherheit ist daher ein integraler Bestandteil und zentrale Anforderung für jede Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen.
Iron Mountain startet bei der Digitalisierung von Unterlagen zunächst bei der Klassifizierung aller vorliegenden physischen Unterlagen, um festzustellen, welche Inhalte besonders relevant, schützenswert oder aber zu entsorgen sind. Klassischerweise beginnt die Digitalisierung mit dem Scannen der Dokumente. Besonders relevant im Gesundheitsbereich ist ersetzendes Scannen gemäß der sog. TR-RESISCAN-Richtline. Der hochauflösende Scan nimmt dabei als digitale Version den Platz des physischen Originals ein. Hinzu kommt, dass Unterlagen KDL-konform gescannt werden müssen. Iron Mountain ist für höchste Sicherheitsstandards (Level 3) zertifiziert.
Im Regelbetrieb sollten die digitalen Patientendaten dann mit einer Lösung verwaltet werden, die besonders gegen unbefugten Zugriff geschützt ist. Nach erfolgreicher Digitalisierung der Unterlagen, müssen die Altbestände vernichtet werden. Hier ist ein externer Dienstleister ebenfalls unerlässlich, um alle Datenschutz- und Compliance-Vorschriften einzuhalten.
KI und Datenbanken
Inwiefern sind innovative Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain für die digitale Transformation im Gesundheitswesen von Bedeutung? Wie könnten sie konkret eingesetzt werden?
Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz spielen eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen. In der Regel legt die Digitalisierung der Unterlagen die Grundlage dafür, dass die KI mit den Daten trainiert werden kann, aber auch Analysen und Auswertungen umsetzt.
Iron Mountain setzt gerade ein Pilotprojekt zur digitalen Pathologie um: Die elementaren Glasobjektträger werden dabei hochauflösend in digitale Bilder umgewandelt. So sparen Patholog*innen wertvolle Zeit beim Sortieren, Suchen und Analysieren der Proben, da alle Befunde nun unmittelbar verfügbar sind. Auf diese Weise wird die Befundqualität in der Diagnostik von Patient*innen optimiert.
Dieser Prozess legt den Grundstein für den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Maschine Learning in der Diagnostik. Durch das standardisierte Erfassen großer Mengen gescannter Befunde, werden kontinuierlich Trainingsdaten für KI-Modelle in der medizinischen Versorgung aufgebaut. Die KI-gestützte Analyse der entstehenden Datenbanken ist dann der nächste Schritt.
Wie sollte Ihrer Meinung nach der Umgang mit den bestehenden physischen Patientenakten gestaltet werden, um einen reibungslosen Übergang zur digitalen Akte zu gewährleisten?
Eine passende Digitalisierungsstrategie muss beide Formen widerspiegeln. So sollte die physischen Originale sukzessive und bedarfsgerecht digitalisieren, während gleichzeitig die sichere Aufbewahrung und Entsorgung von Papierdokumentation berücksichtigt wird.
Auf diese Weise können Akteure im Gesundheitssystem ihre Arbeit nach und nach transformieren und haben immer noch, falls nötig, einfachen Zugriff auf physische Akten. Für alle verwalteten Daten – ob digital oder physisch – gilt selbstverständlich, sie entsprechend den Datenschutzgesetzen und den Anforderungen an die Privatsphäre der Patient*innen konform zu verwalten und zu nutzen.
Risiken der Digitalisierung der Gesundheitsdaten
Was sind die größten Risiken, die mit der Digitalisierung von Gesundheitsdaten verbunden sind, und wie können diese Risiken gemindert werden?
Grundsätzlich sollte eine Digitalisierungsstrategie dem Bedarf des Gesundheitswesens und der zu digitalisierenden Unterlagen entsprechen. Der besondere Schutz und die Regulierung von Patientendaten sind dabei elementar: Der Verlust von oder unbefugter Zugriff auf hochsensible Daten sind Risiken, die vermieden werden können, wenn alle Unterlagen entsprechend der DSGVO verwaltet und genutzt sowie entsprechend TR-RESISCAN und KDL-konform digitalisiert werden.
Ein erfahrener Experte in der Digitalisierung und Verwaltung von Daten kann bei der Minimierung dieser Risiken eine wichtige Rolle spielen. Iron Mountain beispielsweise kann auf langjährige Erfahrung bei Digitalisierungsprojekten im Gesundheitssektor zurückblicken und verfügt über die entsprechenden Zertifizierungen in diesem Bereich.
Welche Rolle spielt das Vertrauen der Patienten in digitale Lösungen, und wie kann dieses Vertrauen gestärkt werden, insbesondere im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)?
Das digitale Gesundheitswesen hat zahlreiche Vorteile für Patient*innen – von besseren Diagnosen bis zu schnellerer Verfügbarkeit ihrer Daten. Diese Vorteile gilt es herauszuarbeiten und zu kommunizieren, um Vertrauen zu schaffen und auszubauen. Gleichzeitig müssen alle verwalteten Daten – ob digital oder physisch – den Datenschutzgesetzen und den Anforderungen an die Privatsphäre der Patient:innen entsprechen. Das heißt auch: Nur diejenigen Personen sollten auf die Daten zugreifen können, die es auch dürfen. Auf diese Weise schafft man ein grundlegendes Vertrauen in die digitale Verwaltung dieser Daten.
Wie sehen Sie die Vorteile und Herausforderungen der elektronischen Terminvergabe, wie sie beispielsweise Doctolib anbietet, für Patient und medizinisches Personal?
Zukunft des digitalen Gesundheitssystems in Deutschland
Sowohl Patient*innen als auch das medizinische Personal kann von digitalen Prozessen, wie etwa auch der elektronischen Terminvergabe, profitieren. Für die Patient*innen ist es entsprechend bequemer, für das medizinische Personal wird Zeit für andere Tätigkeiten frei. Ähnlich wie bei allen digitalisierten Prozessen ist aber auch hier die Datensicherheit und -integrität elementar wichtig.
Wie sehen Sie die Zukunft des digitalen Gesundheitssystems in Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Welche Entwicklungen erwarten Sie und welche Trends könnten diese beeinflussen?
Es ist wichtig, dass in den kommenden Jahren weitere Schritte unternommen werden, um das Gesundheitssystem in Deutschland zu digitalisieren. Die ePa ist ein guter Startpunkt. Nun müssen die Prozesse und Datenbanken aller Akteure im Gesundheitswesen digitaler werden.
Mit immer weiter digitalisierten Datenbanken wird auch die Nutzung von künstlicher Intelligenz immer weiter vorangetrieben und sukzessive auch in der Analyse der Daten eine wichtige Rolle einnehmen. Wir sehen schon heute, dass künstliche Intelligenz für die Analyse von Datenmengen einen großen Mehrwert bietet: Bei der Überführung von Akten britischer Ministerien in das Nationalarchiv hat Iron Mountain zum Beispiel nach der Digitalisierung Natural Language Processing eingesetzt, um die Dokumente schnell zu klassifizieren, Duplikate zu entfernen und sensible Informationen zu extrahieren. Da sehen wir auch für den Gesundheitssektor großes Potenzial.
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