Warum manche Proteine Tröpfchen bilden und sich nicht mischen
Warum sich Proteine manchmal nicht mischen: Forschende der TU Wien erklären die Rolle elektrischer Ladungen. Relevanz für Medizin und Industrie.
Proteine sind zentrale Bausteine des Lebens und spielen in der Medizin sowie in der Pharmazie eine entscheidende Rolle. Doch ein faszinierendes Phänomen wirft immer wieder Fragen auf: Warum mischen sich Proteine manchmal perfekt in einer Flüssigkeit und manchmal nicht? Forschende der TU Wien haben dieses Verhalten nun physikalisch erklärt. Die Ursache liegt in der Verteilung elektrischer Ladungen und den Wechselwirkungen zwischen den Molekülen.
Wenn Flüssigkeiten sich aufteilen
„Flüssigkeiten, die Proteine enthalten, teilen sich manchmal spontan in zwei Phasen: Tröpfchen mit hoher Protein-Konzentration und eine Restflüssigkeit, die kaum Proteine enthält“, erklärt Emanuela Bianchi vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Dieses Phänomen, bekannt als Phasentrennung, ist seit langem ein Thema in der Biologie. In der Medizin kann es jedoch problematisch sein.
Wenn etwa ein Medikament im Körper verabreicht wird, sollte der Wirkstoff gleichmäßig verteilt werden und mit Ziel-Proteinen interagieren. Doch manchmal bilden sich Tröpfchen, die eine unerwünschte Konzentration des Medikaments erzeugen. Die genauen Ursachen dieses Verhaltens blieben bisher unklar.
Elektrische Ladungen als Schlüssel
Das Team der TU Wien hat untersucht, wie elektrische Ladungen das Verhalten von Proteinen beeinflussen. Sie betrachteten Proteine als winzige Kugeln, die entweder neutral oder geladen sind. Besonders wichtig ist, wie die Ladung auf der Oberfläche der Kugeln verteilt ist. „Kugeln mit einer überwiegend negativen Oberfläche und kleinen positiv geladenen Bereichen verhalten sich anders als solche mit größeren positiven Regionen“, erklärt Daniele Notarmuzi von der TU Wien.
Kommt es zu einer Interaktion zwischen zwei solcher Kugeln, zieht der positiv geladene Bereich der einen Kugel die negative Seite der anderen an. Diese Anziehung bestimmt, wie sich weitere Teilchen anlagern und wie stabil diese Strukturen sind. Im Ergebnis entstehen entweder stabile Tröpfchen oder die Proteine verteilen sich gleichmäßig in der Flüssigkeit.
Faktoren, die das Mischverhalten beeinflussen
Ob Proteine zur Tröpfchenbildung neigen oder sich gut mischen, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Konzentration: Eine hohe Konzentration von Proteinen fördert die Tröpfchenbildung.
- pH-Wert: Kleine Änderungen im pH-Wert können das Verhalten von Proteinen drastisch verändern.
- Temperatur: Auch die Umgebungstemperatur spielt eine Rolle, da sie die Bewegung der Moleküle beeinflusst.
Zusätzlich können Forschende die Struktur von Proteinen durch gezielte Modifikation der Aminosäuren beeinflussen, um deren Mischverhalten zu verbessern.
Beispiele aus der Praxis
Ein bekanntes Beispiel für die Phasentrennung sind sogenannte Stressgranula. Diese Strukturen bilden sich in Zellen als Reaktion auf Stress, beispielsweise bei Hitze oder Sauerstoffmangel. Sie bestehen aus spezifischen Proteinen und dienen als vorübergehende Speicherorte für Zellbestandteile. Ihre Entstehung ist jedoch nicht immer gewünscht, da eine übermäßige Bildung von Stressgranula mit neurodegenerativen Erkrankungen wie ALS oder Alzheimer in Verbindung gebracht wird.
Ein weiteres Beispiel ist die Herstellung von Insulin-Präparaten. Insulinmoleküle neigen dazu, unter bestimmten Bedingungen Aggregate zu bilden, die die Wirksamkeit des Medikaments beeinträchtigen können. Die gezielte Kontrolle des Mischverhaltens ist hier entscheidend, um stabile und wirksame Präparate zu entwickeln.
Auch in der Lebensmittelindustrie spielt das Verhalten von Proteinen eine wichtige Rolle. Bei der Herstellung von Milchprodukten wie Joghurt oder Käse sorgt die gezielte Steuerung von Protein-Phasenübergängen dafür, dass die gewünschte Konsistenz erreicht wird. Eine falsche Proteinverteilung kann hingegen die Qualität des Endprodukts mindern.
Anwendung in Biologie und Pharmazie
Die Erkenntnisse der TU Wien bieten neue Möglichkeiten, das Verhalten von Proteinen vorherzusagen. Durch die Kombination von Elektrostatik und statistischer Physik konnten die Forschenden zeigen, unter welchen Bedingungen Proteine Tröpfchen bilden.
„Unser Ziel war, ein solides physikalisches Fundament zu schaffen, das anderen Wissenschaften hilft“, so Emanuela Bianchi. Dieses Wissen könnte dazu beitragen, den Entwicklungsprozess von Medikamenten zu optimieren. Statt auf Versuch und Irrtum angewiesen zu sein, könnte das Verhalten von Proteinen gezielt gesteuert werden. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung neuer Therapien gegen Krankheiten, bei denen Protein-Aggregate eine Rolle spielen, wie Parkinson oder Diabetes.
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