Warum sind Augen trocken? Der Tränenfilm-Imager sucht nach Ursachen
Das Fläschchen mit Tränenersatz ist immer griffbereit: Jeder zehnte Deutsche leidet an trockenen Augen. Wie es zu den Beschwerden kommt, lässt sich oft nur schwer herausfinden. Ein neues Messverfahren könnte die Lücke schließen.
Von der Augenrötung über ein Fremdkörpergefühl, Brennen, Juckreiz oder eine Schwellung: Trockene Augen gehen mit unterschiedlichen Beschwerden einher. Nach Angaben des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands leiden rund 10 bis 12 Millionen Menschen in Deutschland an solchen Beschwerden. Diagnosen erweisen sich als komplex: Liegt es nur an der trockenen Raumluft, an der Computerarbeit – oder stecken Erkrankungen des Auges selbst hinter den Beschwerden?
„Bis zu 60 % der Augenarztbesuche sind auf ein trockenes Auge zurückzuführen“, sagt Yoel Arieli, Leiter des Forschungsteams von AdOM Advanced Optical Methods in Israel. Er geht davon aus, dass seine Zahlen auch für Europa und Nordamerika gelten. Sein Kritikpunkt: „Bei der Diagnose solcher Beschwerden wurden in den letzten Jahren nur wenige Fortschritte erzielt.“ Nach wie vor würden Beschwerden subjektiv anhand von Fragebögen erfasst. Sein Team hat jetzt ein Instrument zur nichtinvasiven Diagnose trockener Augen entwickelt. Es bildet den Tränenfilm hinsichtlich seiner Dicke und seiner Geometrie präzise ab, um mögliche Ursachen trockener Augen zu erkennen.
Analyse von Bilddaten auf Nanometer-Ebene
Arielis neues Instrument beleuchtet das Auge mit einer ungefährlichen Halogenlichtquelle und analysiert das gesamte Spektrum der Lichtreflexion über Zeit und Raum. Diese spektralen Messungen dienen zur Rekonstruktion der Strukturen im vorderen Bereich des Auges und ermöglichen eine genaue Bestimmung der inneren Schichten des Tränenfilms, insbesondere der wässrigen Unterschicht. Dem Forscher zufolge sei gerade diese Unterschicht bei trockenem Auge von großer Bedeutung, früher aber schwierig messbar gewesen. Das Verfahren selbst ist für Patienten angenehm – keine Geräte kommen mit dem Auge selbst in Berührung.
„Die breitbandige Beleuchtungsquelle und die feinen Details, die bei der Spektralanalyse zur Verfügung stehen, liefern Einblicke auf Nanometer-Ebene in subtile Veränderungen in jeder Tränenfilmschicht und der Unterschicht“, so Arieli. Details stehen dem behandelnden Arzt mit einer Auflösung von 2,2 Nanometern zur Verfügung, um bessere medizinische Entscheidungen zu treffen.
Neben der Präzision weist Arielis auf die Schnelligkeit hin. In nur 40 Sekunden liegen alle Messergebnisse in ausgewerteter Form vor. Damit integriert sich die neue Technologie gut in die augenärztliche Praxis. Optiker könnten solche Messungen aber ebenfalls durchführen. Der Tränenfilm-Analyser führt alle Schritte automatisch aus.
Klinische Studien bestätigen die Messergebnisse
Nach erfolgreichen Tests im Labor folgten zwei klinische Studien in Israel und Kanada. Augenärzte verglichen Arielis Messprinzip mit älteren, teils invasiven Technologien. Alle Studienteilnehmer litten an trockenen Augen. Die Ergebnisse waren nicht nur vergleichbar. Mit der neuen Messmethode erhielten Ärzte präzisere Einblicke in Pathomechanismen, um zu erklären, wie trockene Augen entstehen. Beim Praxistest zeigte sich ein weiterer Vorteil. Untersuchungen sind bekanntlich unangenehm. Blinzeln Patienten, ist das nicht weiter störend – die Daten selbst werden in Bruchteilen einer Sekunde erfasst.
Im nächsten Schritt planen die Forscher größere Studien. Sie verfolgen dabei mehrere Ziele: Lassen sich mit dem Tränenfilm-Imager Kontaktlinsen besser anpassen? Gelingt es, Operationsergebnisse, etwa am Tränenkanal, zu optimieren? Und nicht zuletzt: Welche Vorgänge im Auge führen zum Trockenheitsgefühl?
Vorgänge auf molekularer Ebene bislang schwer zu untersuchen
Bislang ist bekannt, dass der Tränenfilm aus drei Komponenten besteht: Mucinen (einer Verbindungsklasse aus Zuckern und Aminosäuren), Wasser sowie Lipiden (Fetten). Ein „Ölfilm“ verhindert, dass Wassers von der Augenoberfläche schnell verdunstet. Erste Messungen deuten darauf hin, dass bei rund 80% aller Patienten mit trockenem Auge die Lipidschicht nicht mehr intakt ist.
Die Konzentration solcher Lipide ist gering. Australischen Forschern ist es trotzdem gelungen, massenspektroskopische Analysen durchzuführen. Sie entdeckten eine neue Klasse an Fetten, OAHFA genannt, und synthetisierten Modellverbindungen. Hier spannt sich der Bogen zum Tränenfilm-Imager: Gelingt es Ärzten, den Grund für trockene Augen herauszufinden, werden nur noch manche Patienten Tränenersatzflüssigkeiten bekommen. Liegen eher Defekte im Lipidfilm vor, müssten solche Fette zugeführt werden.
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