Corona 02.12.2024, 12:06 Uhr

Was steckt hinter Long COVID? Wissenschaftler decken Mechanismus auf

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) haben einen Mechanismus entdeckt, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long COVID erklärt.

Long-Covid

Spike-Protein im Fokus: Neue Bildgebung zeigt, wie Long COVID das Gehirn beeinflusst.

Foto: PantherMedia / Wlad_Mus

Die neue Studie zeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein bis zu vier Jahre nach der Infektion in den Hirnhäuten und im Knochenmark des Schädels bleibt. Diese lang anhaltende Präsenz könnte chronische Entzündungen verursachen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen. Unter der Leitung von Prof. Ali Ertürk, Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich, fanden die Forschenden außerdem heraus, dass mRNA-COVID-19-Impfstoffe die Ansammlung des Spike-Proteins im Gehirn deutlich verringern. Das verbleibende Spike-Protein in Schädel und Hirnhäuten könnte ein neues Ziel für Therapien sein.

KI enthüllt langanhaltende Spike-Protein-Ablagerungen im Gehirn von COVID-19-Patienten

Ein neues, KI-gestütztes Bildgebungsverfahren, entwickelt von Prof. Ali Ertürks Team, zeigt, wie das SARS-CoV-2-Spike-Protein das Gehirn beeinflusst. Die Methode macht Organe und Gewebeproben transparent, sodass Zellstrukturen, Stoffwechselprodukte und in diesem Fall auch virale Proteine dreidimensional sichtbar werden. Mit dieser Technologie konnten die Forschenden Ablagerungen des Spike-Proteins in Gewebeproben von COVID-19-Patienten und Mäusen nachweisen, die zuvor nicht erkennbar waren.

Die Studie, die im Fachjournal Cell Host & Microbe veröffentlicht wurde, zeigte, dass die Konzentrationen des Spike-Proteins im Knochenmark des Schädels und in den Hirnhäuten auch Jahre nach der Infektion deutlich erhöht sind. Das Spike-Protein bindet an ACE2-Rezeptoren, die in diesen Bereichen besonders häufig vorkommen.

Long Covid bezeichnet anhaltende oder neu auftretende Symptome, die Wochen oder Monate nach einer akuten COVID-19-Infektion bestehen bleiben. Betroffene berichten häufig über extreme Erschöpfung (Fatigue), Atemprobleme, Konzentrationsstörungen („Brain Fog“) und Muskelschmerzen.

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Spike-Protein und Long COVID

„Das könnte diese Gewebe besonders anfällig für die langfristige Ansammlung des Spike-Proteins machen“, wird Dr. Zhouyi Rong, Erstautor der Publikation in einer Pressemitteilung zitiert. Ertürk ergänzt: „Unsere Daten deuten auch darauf hin, dass das persistierende Spike-Protein an den Grenzen des Gehirns zu den langfristigen neurologischen Effekten von COVID-19 und Long COVID beitragen könnte. Dazu gehört auch eine beschleunigten Gehirnalterung, die für Betroffene den Verlust von fünf bis zehn Jahren gesunder Gehirnfunktion bedeuten könnte.“

Long COVID: mRNA-Impfstoffe senken Risiko neurologischer Folgen

Das Team von Ertürk fand heraus, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Ansammlung des Spike-Proteins im Gehirn deutlich verringert. Andere Impfstoffe wie mRNA-Impfstoffe von anderen Herstellern oder Vektor- und proteinbasierte Impfstoffe wurden nicht untersucht. Bei mit dem mRNA-Impfstoff geimpften Mäusen war die Spike-Protein-Konzentration im Gehirn und im Knochenmark des Schädels deutlich niedriger als bei ungeimpften Mäusen. Die Reduktion lag jedoch nur bei etwa 50 %, sodass weiterhin ein Rest des Spike-Proteins im Gehirn vorhanden ist, der ein potenzielles Risiko darstellt.

„Diese Reduktion ist ein wichtiger Schritt“, sagt Prof. Ertürk: „Unsere Ergebnisse sind zwar aus Mausmodellen abgeleitet und können nur eingeschränkt auf den Menschen übertragen werden, aber sie weisen auf die Notwendigkeit zusätzlicher Therapien und Interventionen hin, um langfristige Belastungen durch SARS-CoV-2-Infektionen vollständig zu bewältigen.“ Außerdem sind weitere Studien erforderlich, um die Bedeutung der Ergebnisse für Patient:innen mit Long-COVID zu klären.

400 Millionen Menschen betroffen

Weltweit haben sich 50 bis 60 % der Bevölkerung mit COVID-19 infiziert. Davon leiden fünf bis zehn % an Long COVID. Das betrifft etwa 400 Millionen Menschen, die möglicherweise große Mengen an Spike-Proteinen in sich tragen.

Prof. Ertürk erklärte, dass es sich nicht nur um ein individuelles Gesundheitsproblem handele, sondern um eine gesellschaftliche Herausforderung. Er betonte, dass die Studie zeige, dass mRNA-Impfstoffe das Risiko langfristiger neurologischer Folgen erheblich senken können und somit einen entscheidenden Schutz böten. Allerdings komme es auch nach Impfungen zu Infektionen, die zu persistierenden Spike-Proteinen im Körper führen könnten. Dies könne chronische Gehirnentzündungen und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle sowie andere Hirnschäden zur Folge haben, was erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und die Gesundheitssysteme weltweit habe.

Neue Diagnoseansätze für Long COVID

„Unsere Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten zur Diagnose und Behandlung der langfristigen neurologischen Effekte von COVID-19“, sagt Ertürk.
Anders als das Gehirngewebe sind das Knochenmark des Schädels und die Hirnhäute für medizinische Untersuchungen einfacher zugänglich. In Kombination mit Protein-Tests, die spezifische Proteine in Gewebeproben nachweisen, könnte dies helfen, Spike-Proteine oder Entzündungsmarker im Blut oder in der Gehirnflüssigkeit zu erkennen. „Solche Marker sind für eine frühzeitige Diagnose von COVID-19-bedingten neurologischen Komplikationen wichtig“, erklärt Ertürk: „Darüber hinaus könnte die Charakterisierung dieser Proteine die Entwicklung gezielter Therapien und Biomarker unterstützen, um neurologische Beeinträchtigungen durch COVID-19 besser zu behandeln oder sogar zu verhindern.“

Hier geht es zu der Originaluntersuchung

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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