Neue Messmethode 17.09.2020, 08:15 Uhr

Schlafstörungen: Forscher entwickeln völlig neue Methode

Unruhiger Schlaf kann viele Gründe haben, auch schwerwiegende Erkrankungen. US-Forscher haben jetzt eine Messmethode entwickelt, die Schlaflabors überflüssig werden lassen könnte.

US-Ingenieure zeigen, wie sich die Körperhaltung im Schlaf ohne großen Aufwand messen lässt. 
Foto: panthermedia.net/RobStark

US-Ingenieure zeigen, wie sich die Körperhaltung im Schlaf ohne großen Aufwand messen lässt.

Foto: panthermedia.net/RobStark

Alzheimer, Parkinson oder Epilepsie: Neurologische Erkrankungen stören die Nachtruhe. Gerade zu Erkrankungsbeginn oder bei schwacher Ausprägung bemerken Patienten kaum Symptome – außer, dass sie sich morgens wie gerädert fühlen. Um das zu untersuchen, mussten Ärzte Patienten ins Schlaflabor schicken. Doch die Plätze sind rar, und Messungen teuer.

Deshalb haben US-Forscher eine Methode entwickelt, die sich perspektivisch für heimische Schlafzimmer eignen könnte. Sie erfassen die Schlafhaltung nicht – wie in der Medizin üblich – mit Kameras und Filmsequenzen. Vielmehr werden von einem Gerät an der Wand Funksignale erfasst, die eine schlafende Person reflektiert und alle Daten danach auswertet.

Ihr Tool BodyCompass analysiert die Reflexion von Funksignalen, wenn diese von Objekten in einem Raum, einschließlich des menschlichen Körpers, abprallen. Ähnlich wie bei einem an der Wand des Schlafzimmers angebrachten WLAN-Router sendet und sammelt das Gerät diese Signale, wenn sie über mehrere Pfade zurückkehren. Die Forscher kartieren dann die Pfade dieser Signale und arbeiten von den Reflexionen rückwärts, um die Körperhaltung zu bestimmen.

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Schlafstörungen: Hilfreiche Funkwellen

Doch bis dahin war ein weiter Weg zurückzulegen. Wissenschaftler mussten nämlich herausfinden, welche der Signale vom Körper einer schlafenden Person reflektiert werden – aber nicht von der Matratze, vom Nachttisch oder vom Heizkörper. Hier griffen die Forscher auf frühere Arbeiten zurück. Indem sie Atemmuster aus Funksignalen isolieren konnten, gelang die Zuordnung reflektierender Wellen.

Zum Hintergrund: Signale, die von Brust und Bauch einer Person abprallen, werden durch das Atmen moduliert. Sobald dieses Atemsignal einem Menschen zugeordnet werden konnte, nutzen es die Forscher für weitere Messungen aus, um die Schlafposition zu bestimmen. Wenn zum Beispiel eine Person auf dem Rücken lag, wurden starke Radiowellen, die von ihrer Brust abprallten, an die Decke und dann auf das Gerät an der Wand gerichtet.

Reflexionen, die vom Körper kommen, tragen alle wesentlichen Informationen. Zur Auswertung haben die Forscher ein spezielles neuronales Netzwerk programmiert. Ihr Ziel war, herauszufinden, wie der Körper im Schlaf abgewinkelt ist. Da das neuronale Netzwerk Schlafhaltungen nach Winkeln definiert, kann es zwischen einer auf der rechten Seite liegenden Person und einer Person unterscheiden, die sich nur leicht nach rechts geneigt hat. Diese Art der Analyse ist wichtig für Epilepsiepatienten, bei denen das Schlafen in Bauchlage mit einem plötzlichen Tod in Verbindung stehen kann.

Erfolgreiche Tests mit 200 Personen

Nach Abschluss aller Arbeiten im Labor testeten Forscher ihren BodyCompass bei 26 gesunden Studienteilnehmern. Sie blieben in ihren eigenen Schlafzimmern; die neue Technologie war vor Ort. Insgesamt wurden rund 200 Stunden Datenmaterial aufgezeichnet. Um das neuronale Netzwerk zu trainieren, trugen die Probanden zu Beginn der Messungen Beschleunigungssensoren an Brust und Bauch. Diese erfassen, wann sich Personen im Schlaf tatsächlich bewegen. In 94% aller Fälle ermittelte BodyCompass generell nach dem Training richtige Werte voraus. Wurden weniger Trainingsdaten verwendet, kamen die Forscher auf 87%.

Noch stehen weitere Tests an. Sollte alles plangemäß laufen, sehen die Ingenieure große Vorteile in ihrer Technologie. Patienten müssen nicht ins Schlaflabor. Sie benötigen auch keine tragbaren, derzeit noch recht klobigen Geräte mit kurzer Akkulaufzeit.

Ihr BodyCompass bietet einige Vorteile gegenüber etablierten Methoden zur Überwachung der Schlafhaltung, wie einer Installation von Kameras im Schlafzimmer oder das Anbringen von Sensoren direkt an der Person oder ihrem Bett. Es kann unangenehm sein, mit Sensoren zu schlafen, und Kameras beeinträchtigen die Privatsphäre einer Person. Im Unterschied dazu erfasst das neue Tool nur wenige, per se anonymisierte Parameter. Die Person selbst ist nicht erkennbar.

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Risikopatienten rasch identifizieren

Perspektivisch sehen die Forscher etliche Möglichkeiten für ihr Tool. Ihnen geht es nicht nur um neurologische Leiden wie Epilepsie, Alzheimer oder Parkinson. BodyCompass könnte auch zur Behandlung von Patienten mit einem Wundliegegeschwür oder Dekubitus eignen. Einseitige Schlaflagen verschlimmern die Beschwerden, und Wunden schließen sich nicht. Auch die Schlafapnoe, eine nächtliche Atemstörung, lässt sich so erkennen.

Im Moment ist BodyCompass ein Tool, das Daten erfasst und – etwa für Ärzte – analysiert. Die Entwickler können sich vorstellen, es mit einer Alarmfunktion zu kombinieren. Bei einer ungünstigen Schlafposition könnte entweder ein akustischer Alarm ausgelöst werden. Oder die Matratze bewegt sich etwas. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

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Ein Beitrag von:

  • Michael van den Heuvel

    Michael van den Heuvel hat Chemie studiert. Unter anderem arbeitet er für Medscape, DocCheck, für die Universität München und für pharmazeutische Fachmagazine. Seit 2017 ist er selbstständiger Journalist und Gesellschafter von Content Qualitäten. Seine Themen: Chemie/physikalische Chemie, Energie, Umwelt, KI, Medizin/Medizintechnik.

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