Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie künftig die XO Life App
Fast jeder hat schon einmal Krankheitssymptome oder die Nebenwirkungen von Arzneimitteln gegoogelt und sich danach kränker gefühlt als vorher. Eine neue App will das ändern. Wir haben mit der Gründerin gesprochen.
Dr. Friderike Bruchmann, Gründerin von XO Life und promovierte Informatikerin, spricht im Interview über ihre persönliche Motivation und die Herausforderungen bei der Gründung eines Digital Health Startups. Nach eigenen Erfahrungen mit unzureichender Information über Medikamenten-Nebenwirkungen entstand die Idee einer Plattform, die verlässliche, medizinisch fundierte Daten für Patientinnen und Patienten bereitstellt.
Inhaltsverzeichnis
Wie kam es zur Gründung von XO Life?
Frau Dr. Bruchmann, Sie haben BWL und Informatik an der LMU und TU München studiert und bereits früh Erfahrungen in verschiedenen Industrien gesammelt. Was hat Sie letztlich dazu motiviert, XO Life zu gründen?
Der Auslöser für die Gründung war das Auftreten eigener Nebenwirkungen nach der Einnahme eines Antibiotikums. Nach einer Internetrecherche und dem Durchsehen zahlreicher SEO-optimierter Websites habe ich mich jedoch eher verunsichert als informiert gefühlt. Mir wurde klar, dass es vielen Menschen ähnlich gehen muss. So entstand die Idee, eine eigene Plattform zu schaffen, die verlässliche und fundierte Informationen bereitstellt.
Während Ihrer Promotion hatten Sie das entscheidende Erlebnis mit Nebenwirkungen eines Medikaments, das zur Idee von XO Life führte. Wie hat dieses persönliche Erlebnis Ihr Geschäftsmodell beeinflusst?
Wie bereits erwähnt, gab dieses Erlebnis den Anstoß zur Gründung. Patient:innen sollen Zugang zu einer verlässlichen Quelle haben, die ihnen schnell aussagekräftige Informationen liefert und ihre Sorgen nimmt – anstatt sie weiter zu verunsichern.
Ganzheitliches Plattformkonzept
XO Life ist heute eines der führenden Digital Health Startups in Europa. Wie haben Sie es geschafft, XO Life von der Gründungsidee zu einem so erfolgreichen Unternehmen zu entwickeln?
Entscheidend ist hier, den Markt genau zu verstehen und nicht nur einen „Product-Market-Fit“, sondern auch einen „Business-Model-Market-Fit“ zu erreichen. Das bedeutet, dass nicht nur das Produkt, sondern das gesamte Unternehmen konsequent auf den Markt und seine Bedürfnisse ausgerichtet sein muss. Im Bereich Digital Health gibt es viele innovative Ideen, doch nur wenige davon lassen sich erfolgreich monetarisieren – ein entscheidender Faktor für die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells. Umsatzgenerierung und finanzielle Stabilität sind notwendig, um weiter zu wachsen und Neues zu schaffen, insbesondere im Bereich plattformbasierter Geschäftsmodelle wie unserem. Daher haben wir von Beginn an sowohl die Plattform als auch das Geschäftsmodell so entwickelt, dass sie auf eine breite, liquide Zielgruppe und einen klaren Bedarf ausgerichtet sind.
Mit der ImpactMonitor-Plattform bieten Sie eine europaweite Meta-Plattform für Patienten, Hersteller und Fachkreise an. Was unterscheidet Ihre Plattform von anderen digitalen Gesundheitslösungen?
Kurz gesagt: Unser Plattformkonzept ist einzigartig. Während es bereits Anwendungen gibt, die Patient*innen punktuell unterstützen, fehlte bisher eine ganzheitliche Lösung wie unsere. Der ImpactMonitor ermöglicht Patient*innen, verschiedene Therapiebereiche hinzuzufügen und nahtlos zwischen ihnen zu wechseln. Allgemeine Gesundheitsdaten – wie Demografie, Medikation und Krankheitsgeschichte – werden über alle Bereiche hinweg geteilt, während therapiespezifisches Feedback gezielt in den jeweiligen Bereichen gesammelt wird. Gleichzeitig profitieren Hersteller von wertvollen Einblicken in die Wirkung ihrer Medikamente, die sie zur Optimierung ihrer Therapien nutzen können.
Auf Bedürfnisse von Pharmaunternehmen zugeschnitten
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von personalisierten medizinischen Informationen und realen Patientenerfahrungen in einer einzigen Plattform?
Bisher sind für uns in diesem Bereich keine Herausforderungen erkennbar. Insbesondere die Erhebung realer Patientenerfahrungen unterstützt dabei, medizinische Informationen gezielt und individuell bereitzustellen.
Der ImpactMonitor ist auf die Bedürfnisse von Pharma- und Medizintechnikunternehmen zugeschnitten. Wie tragen diese Unternehmen konkret zum Erfolg Ihrer Plattform bei, und welche Rolle spielt der Austausch mit den Anwendern?
Die Plattform ist in erster Linie auf die Bedürfnisse von Patient*innen ausgerichtet: Sie soll sie während ihrer Therapie begleiten, ihnen geprüfte medizinische Inhalte und sofortigen Support bei Fragen bieten sowie den Austausch mit anderen Betroffenen ermöglichen: So wurden allein im letzten Jahr über 120.000 Fragen von Patient*innen beantwortet. Dafür ist jedoch auch die Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen essenziell. Diese können ihre Produkt- und Therapiebereiche auf der Plattform für ihre Patient:innen lizensieren – ein Modell, das inzwischen etwa 5 Prozent der Hersteller hierzulande nutzen. So gewinnen wir an Bekanntheit und erweitern unsere Reichweite.
Patienten werden digital begleitet
Die digitale Begleitung von Patient*innen während Therapien ist ein zentrales Element Ihrer Plattform. Wie sehen Sie die Zukunft von digitalen Gesundheitslösungen in Bezug auf die Verbesserung von Therapieerfolgen und der Therapietreue?
Es ist allgemein bekannt, dass die Digitalisierung hierzulande hinterherhinkt, besonders im Gesundheitssektor. Dabei ist es dringend nötig, Ärzt:innen zu entlasten – ein Ziel, das sich durch digitale Produkte effizient erreichen lässt. Die digitale Begleitung von Patient*innen bei Therapien ist ein vielversprechender Ansatz. Digitale Gesundheitslösungen tragen maßgeblich dazu bei, den Therapieerfolg und die Adhärenz, also die Therapietreue, zu steigern. Jüngste Studien belegen, dass eine digitale Unterstützung die Wahrnehmung und das Erleben der Therapie bei Patient:innen positiv beeinflusst.
Inwiefern planen Sie, künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen in Ihrer Plattform zu integrieren, um die Patientenerfahrung noch weiter zu verbessern?
Derzeit setzen wir bereits Künstliche Intelligenz ein, um benutzerfreundliche Inhalte in Text- und Bildformat zu erstellen. Doch das ist nur der Anfang: Zukünftig wird KI die Nutzererfahrung weiter verbessern, indem sie gezielt passende medizinische Inhalte vorschlägt – ähnlich wie auf Social-Media-Plattformen, die User:innen Inhalte basierend auf ihren Interessen anzeigen. Auch die Supportteams werden künftig von KI unterstützt, sodass Patientenanfragen noch effizienter bearbeitet werden können.
Automatisiertes Onboarding der Arzneitmittelhersteller
Die Nominierung für den Digital Award des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zeigt, dass XO Life als innovativ wahrgenommen wird. Welche aktuellen Entwicklungen oder Projekte treiben Sie und Ihr Team derzeit besonders voran?
Hier lässt sich direkt an die Thematik KI und Automatisierung anknüpfen. Wir automatisieren das Onboarding für Arzneimittelhersteller, sodass das Setup in wenigen Stunden abgeschlossen ist. Bei einer Zielgruppe von rund 200.000 Unternehmen europaweit ist dieser Schritt entscheidend, denn rein manuelle Onboarding-Prozesse wären ab einem bestimmten Punkt nicht mehr realisierbar. Zusätzlich arbeiten wir am internationalen Rollout der Plattform, die bald in mehreren Sprachen verfügbar sein wird und so in verschiedenen Ländern zugänglich gemacht wird.
Welche langfristigen Ziele haben Sie für XO Life und wie möchten Sie das Unternehmen in den kommenden fünf Jahren weiterentwickeln?
Unser Ziel ist es, das „Instagram für Patient*innen“ zu werden – eine Plattform, die europaweit und später weltweit bekannt ist und von einem Großteil der Patient:innen genutzt wird. Dafür ist es entscheidend, das Bewusstsein unserer Zielgruppe für den Mehrwert der Plattform zu stärken und Unternehmen zur Implementierung zu gewinnen. Ich würde sagen, wir sind bereits auf einem sehr guten Weg.
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