Food-Scanner gegen Lebensmittelverschwendung
Jährlich landen in Deutschland rund 10 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, obwohl sie noch verzehrbar sind. Fraunhofer-Forscher haben nun einen Scanner für die Hosentasche entwickelt, mit dem Handel und Verbraucher die tatsächliche Haltbarkeit von Gemüse, Obst und Co. einfach feststellen können.
Der mobile Scanner arbeitetet mit einem Nahinfrarot (NIR)-Sensor. Er bestimmt den Reifegrad und die Haltbarkeit des jeweiligen Lebensmittels und ermittelt, welche Inhaltsstoffe es enthält. „Infrarotlicht wird punktgenau auf das zu untersuchende Produkt geschickt, anschließend misst man das Spektrum des reflektierten Lichts. Die absorbierten Wellenlängen lassen Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Ware zu“, erläutert Robin Gruna, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, die Funktionsweise des Verfahrens.
Scanner-Analysen via App abrufbar
Der Scanner leitet die gemessenen Daten zur Analyse per Bluetooth an eine Datenbank weiter. Hierbei handelt es sich um eine eigens entwickelte Cloud-Lösung, in der die Analyseverfahren hinterlegt sind. Die Messergebnisse werden im Anschluss an eine App übertragen. Sie zeigt dem Nutzer an, wie lange das Nahrungsmittel bei den jeweiligen Lagerbedingungen noch haltbar ist oder ob es bereits überlagert wurde. Der Nutzer erfährt auch, wie er das Lebensmittel alternativ verwenden kann, wenn die Lagerdauer überschritten ist.
Derzeit liegt der entwickelte Scanner noch als Demonstrator vor. Mit seiner Hilfe sollen Supermarktbetreiber und Verbraucher künftig jedoch prüfen können, ob ein Nahrungsmittel noch uneingeschränkt verzehrbar ist oder ob es bereits verdorben ist. Die IOSB-Forscher haben den kompakten Food-Scanner gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, der Technischen Hochschule Deggendorf und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entwickelt.
Die Forschungskooperation ist Teil des Bündnisses „Wir retten Lebensmittel“, mit dem das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit insgesamt 17 Maßnahmen die Lebensmittelverschwendung verringern will. Denn allein in Bayern landen pro Jahr 1,3 Millionen Tonnen Lebensmittel unnötigerweise im Müll. Der entwickelte Food-Scanner ist ein Werkzeug, um den Nahrungsmittelverbrauch nachhaltig zu reduzieren, im Handel und beim Verbraucher. Er ist kostengünstig und soll künftig den tatsächlichen Frischegrad von Lebensmitteln – sowohl von abgepackten als auch von nicht abgepackten Waren – einfach vor Ort feststellen.
Food-Scanner prüft Haltbarkeit, Reifegrad und Echtheit
Im Labor können die Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln schon lange per Nahinfrarotspektroskopie quantifiziert werden. Neu sei jedoch, dass das jetzt mit kleinen Low-Cost-Sensoren möglich ist, so Julius Krause aus dem IOSB-Team. Auch die Echtheit von Lebensmitteln könne mithilfe des Food-Scanners geprüft werden, sobald dieser entsprechend angelernt wurde. Denn Lebensmittel werden nicht selten gefälscht. So werden zum Beispiel Lachsforellen mitunter als Lachs verkauft oder Olivenöl wird mit billigen Ölen gepanscht.
Auch hierzu entwickelten die Wissenschaftler intelligente Algorithmen, die die Sensordaten und die gemessenen Infrarotspektren nach Mustern und Gesetzmäßigkeiten durchsuchen. Darauf basierend ermittelt der Food-Scanner die Lebensmittelqualität und prognostiziert Reifegrad und Haltbarkeit. „Durch maschinelles Lernen können wir das Erkennungspotenzial steigern. In unseren Tests haben wir Tomaten und Hackfleisch untersucht“, sagt Gruna. So wurden zum Beispiel die Nahinfrarot-Spektren für Hackfleisch mittels statistischer Verfahren mit der Keimbelastung in Bezug gesetzt. Daraus ließ sich die weitere Haltbarkeit des Fleisches ableiten – und bestätigen: Verschiedene Lagertests, die die mikrobiologische Qualität und weitere chemische Parameter unter variierenden Lagerbedingungen untersucht haben, zeigten eine gute Übereinstimmung von errechneten und tatsächlichen Keimzahlen.
Bei Lebensmitteln aus verschiedenen Zutaten wie zum Beispiel Fertig-Pizza stößt der entwickelte Scanner jedoch an seine Grenzen. Er ermittelt ausschließlich die Produktqualität von homogenen Lebensmitteln. Für heterogene Produkte erforschen die Wissenschaftler neue Wege. Sie nutzen ortsauflösende Technologien wie bildgebende Spektroskopien und Ansätze, die Farbbilder und Spektralanalysen kombinieren.
Alternative Verwertung von Lebensmitteln
Anfang 2019 soll der Lebensmittel-Scanner im Rahmen einer ersten Testphase in verschiedenen Supermärkten eingesetzt werden. Hier geht es darum, wie Verbraucher das Gerät annehmen. Der Einsatz des Scanners ist jedoch entlang der gesamten Wertschöpfungskette denkbar – vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Er erkennt Qualitätsveränderungen frühzeitig und eröffnet alternative Verwertungswege für Lebensmittel – bevor sie in der Tonne landen.
Mehr zum Thema „Lebensmittel“:
Ein Beitrag von: