Jetzt können Computer auch denken
In Dresden und Heidelberg stehen die ersten Neurocomputer, die die Leistung von Ameisenhirnen haben. Forscher in aller Welt können sie für Experimente nutzen. Zugriff haben sie via Internet. Angst muss niemand vor den denkenden Rechnern haben, versichert einer der Forscher.
Ameisenhirne sind winzig, allein schon wegen der überschaubaren Größe der Insekten. Trotzdem ist der Aufwand, ihre Leistung in Form eines denkenden Computers zu simulieren, gigantisch. 200.000 Nervenzellen, in Silizium nachgebildet, sind dazu nötig. Verknüpft sind diese Neuronen über 50 Millionen Synapsen, die Informationen weitergeben. Sie können, um größere Aufgaben zu lösen, auch mehrere oder gar viele Nervenzellen zusammenkoppeln. Gleich zwei dieser neuronalen, also selbstständig denkenden Computer der Ameisenklasse, haben Forscher der Technischen Universität Dresden (TUD) gemeinsam mit Kollegen aus München, Lausanne, Heidelberg und Manchester am 30. März 2016 in Betrieb genommen. Sie wurden im Rahmen des europäischen Human Brain Project entwickelt. Stationiert sind sie in Dresden und Heidelberg.
Das menschliche Gehirn ist 500.000 Mal komplexer
Ziel des Projekts, das über 1,2 Milliarden Euro Forschungsmittel verfügt, ist die Nachbildung des menschlichen Gehirns. Dazu sind 100 Milliarden Neuronen nötig.
Die neuronalen Computer stehen ab April auf Antrag Forschern aus aller Welt zur Verfügung. Zugriff bekommen sie übers Internet. Neurobiologen können sie nutzen, um die Funktionsweise echter Gehirne besser zu verstehen. Geeignet sind sie auch für die blitzartige Analyse komplizierter Verkehrslagen, die schnelle Bilderkennung an den Toren von Fußballstadien, um sich anbahnende Paniken zu erkennen, oder für die Lernforschung. Sie lassen sich stets einsetzen, wo nicht höchste Rechengeschwindigkeit gefordert ist, sondern unzählige Aufgaben gleichzeitig erledigt werden müssen.
Neuronen und Synapsen auf einem einzigen Wafer
Die Schaltung haben sich die deutschen und britischen Forscher ausgedacht. Realisiert hat sie der taiwanesische Auftrags-Chipproduzent UMC. Er ordnete die künstlichen Neuronen und Synapsen auf einem einzigen Wafer, also einer Siliziumscheibe an.
Für Christian Mayr, Professor für „Hochparallele VLSI-Systeme und Neuromikroelektronik“ an der TU Dresden, ist das erst der Anfang. Tatsächlich wollen sie das menschliche Gehirn nachbauen. Auf einen einzigen Wafer wird es nicht passen. Deshalb verfolgen die Forscher mehrere Technologiepfade, um die unmöglich erscheinende Aufgabe zu bewältigen, eine Art dreidimensionale Karte des menschlichen Gehirns zu entwickeln. Sie soll helfen, neuronale Erkrankungen besser zu verstehen und Therapien zu entwickeln.
Ameisen betreiben Landwirtschaft
Die Menschheit müsse sich keine Sorgen machen, von den künstlichen Intelligenzen abgeschafft zu werden, versichert Mayr. „Wir hoffen zwar, dass solche Systeme außerordentliche Lernfähigkeiten entwickeln. Aber bis jetzt haben wir mit unseren Neurocomputern keine Hinweise darauf gefunden, dass sie etwas Überraschendes tun oder gar ein Eigenleben entwickeln.“
Bei Ameisen ist das anders. Sie betreiben seit Jahrmillionen Landwirtschaft. Sie bauen Pilze an, wie US-Wissenschaftler vor Jahren herausfanden, und füttern sie mit Blättern, deren Struktur sie aufbrechen, sodass sie für Ameisen bekömmlich werden. Forscher der Technischen Universität Wien fanden jetzt heraus, dass die winzigen Insekten noch mehr können: Sie bekämpfen aktiv Parasiten, die ihren Pilzen zu Leibe rücken.
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