AM I Navigator: Ein Wegweiser zum Erfolg
Der „AM I Navigator“, initiiert von Branchengrößen, zeigt auf, auf welchem Weg die additive Fertigung zum lukrativen Geschäftsmodell wird.
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Wegweiser: Der "AM I Navigator", initiert von namhaften Firmen aus der AM-Welt (Additive Manufacturing), zeigt ambitionierten Firmen, wie sie ihre strategischen Ziele mit dem 3D-Druck erreichen können.
Foto: PantherMedia / Marina1408
VDI nachrichten: Herr Dr. Heuser, wofür steht „AM I Navigator“?
Heuser: Das Kürzel steht für ,Additive Manufacturing Industrialization Navigator‘, zu Deutsch: Wegweiser in die Industrialisierung der additiven Fertigung.
Wer soll den Wegweiser nutzen, wer zählt zur Zielgruppe?
Sämtliche Firmen, die das AM-Thema intern höher aufhängen wollen – branchenunabhängig. Im Idealfall haben diese Firmen erste Erfahrungen mit der additiven Fertigung gemacht und wollen nun wachsen und industrialisieren – oder gar in die mannlose Serienfertigung einsteigen.
![Karsten Heuser, Vice President of AM bei Siemens Digital Industries. Auch privat ist er ein Freund der additiven Fertigung. Foto: Siemens AG](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/01/Siemens_Karsten_Heuser_focus_quadrat.jpg)
Karsten Heuser, Vice President of AM bei Siemens Digital Industries. Auch privat ist er ein Freund der additiven Fertigung.
Foto: Siemens AG
Wer genau sind die Wegweiser?
Die Idee zu dem Tool hatte Felix Ewald. Er ist CEO von DyeMansion. Das ist ein Unternehmen, welches sich auf die Nachbearbeitung gedruckter Bauteile spezialisiert hat. Felix erklärte mir auf einer Messe in den USA, dass viele potenzielle Kunden latent überfordert seien: Theoretisch würden sie zwar sämtliche Bausteine kennen, die es für eine komplette AM-Fertigungslinie braucht. Für die Praxis mangele es aber an Integrations-Know-how.
Als Vertreter des Digitalkonzerns Siemens, welcher die digitale Welt mit der realen Welt verbinden will, wurde ich hellhörig. Zu zweit haben wir dann überlegt, wie wir die wachsende Zielgruppe unterstützen können. Schnell war klar, dass wir noch mehr Know-how ins Boot holen müssen. Unser Glück: Überall, wo wir anklopften, hieß man uns herzlich willkommen. Ergebnis: Bislang sind die Druckerhersteller Eos, HP und Stratasys sowie der Materialentwickler ForwardAM mit an Bord. Wir können also fundiert beraten zu Software, Automatisierung, fast allen gängigen Druckverfahren, Materialien und dem Post-Processing. In den zuletzt genannten Bereich fällt unter anderem das Entpulvern, die Oberflächenbehandlung und das Färben.
![Auf der Formnext treffen die Partner des "AM I Navigators" einander - und ihre Kunden. Foto: Siemens AG](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/01/AM-I-Navigator-Partners-Formnext-scaled.jpg)
Auf der Formnext treffen die Partner des „AM I Navigators“ einander – und ihre Kunden.
Foto: Siemens AG
Fehlt es da nicht an Know-how in Sachen Konstruktion? Außerdem: Was ist mit dem so wichtigen Part-Screening, also der Identifikation AM-geeigneter Bauteile im Produktportfolio?
Einige der Partner bringen eigene Beratungseinheiten in das Konsortium ein. Bei Eos ist dies etwa die Additive Minds Gruppe. Außerdem: Gespräche mit weiteren Firmen laufen. Bei einigen sind wir schon im Unterschriftendurchlauf. Wir streben auch die Aufnahme einer Strategie- und Technologieberatungsfirma als neues Mitglied an. Uns ist natürlich bewusst: Erst wenn wir alle nötigen Kompetenzen im Navigator gebündelt haben, können wir eine vollständige Roadmap liefern, die den Weg zum Erfolg skizziert.
Lesetipp: „Die Additive Fertigung ist ein Tanker“
Wie funktioniert der Navigator?
Wir haben anhand verschiedener Kriterien eine Matrix aufgespannt, die alle Teilbereiche einer erfolgreichen, nachhaltigen Produktion beinhaltet. Zu den Kriterien zählen beispielsweise Fabriklayout, Mitarbeiterschaft, Produktdesign oder Materialauswahl. Zu jedem Punkt wird dann analysiert, wo das Unternehmen steht. Wir haben dafür fünf Level eingerichtet. Das Niveau reicht von „Ich habe mich bisher kaum darum gekümmert“ bis hin zu „Da bin ich Profi“.
Ausgehend von diesem Status quo ermitteln wir anschließend, wo es Verbesserungsbedarf gibt. Ganz wichtig dabei: Nicht alle Firmen müssen in allen Gebieten in der Profi-Liga spielen! Maßgabe ist immer das Unternehmensziel beziehungsweise die jeweilige Applikationsstrategie: Wo will das Unternehmen in drei bis fünf Jahren stehen? Mit welchen Produkten?
Interessanterweise sind sich viele Firmen bezüglich dieser Frage intern nicht immer einig. In bisherigen Workshops haben wir immer wieder festgestellt, dass Konstruktion, Produktionsleitung und Vertrieb oft mit unterschiedlichen Zielen agieren. Resultat war häufig, dass ein Drucker gekauft wurde, der nicht zum Produktportfolio des Unternehmens passte. Oder es konnten keine Produkte identifiziert werden, für die der Drucker optimal wäre. In solchen Fällen raten wir mitunter sogar dazu, gänzlich auf eine AM-Produktionslinie zu verzichten. Selbstverständlich ist das nicht unser primäres Ziel! Aber manche Firmen sind besser beraten, sich fallweise an professionelle Druckdienstleister zu wenden.
![Am Anfang steht immer eine Analyse: Wo steht das Unternehmen bezüglich verschiedener Erfolgsfaktoren? Und: Welches Level braucht es zur Erreichung der individuellen Ziele? Auf Basis dieser Erhebung wird dann von den namhaften Partnern ein Weg skizziert - kostenfrei. Foto: Siemens AG](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/01/AM-I-Navigator-Asset_2.jpg)
Am Anfang steht immer eine Analyse: Wo steht das Unternehmen bezüglich verschiedener Erfolgsfaktoren? Und: Welches Level braucht es zur Erreichung der individuellen Ziele? Auf Basis dieser Erhebung wird dann von den namhaften Partnern ein Weg skizziert – kostenfrei.
Foto: Siemens AG
An wen genau wenden sich Firmen, die den Navigator nutzen wollen?
Alle Projektpartner haben intern Ansprechpartner benannt. Auf den jeweiligen Websites finden sich die Kontaktkoordinaten. Bei Siemens ist das am-i-navigator.industry@siemens.com. Alternativ können sich Interessierte auch direkt an mich wenden, etwa über die einschlägigen Business-Netzwerke. Zusätzlich werden wir demnächst eine eigene Webseite einrichten. Dort wollen wir erfolgreiche Beratungsfälle darstellen. Langfristiges Ziel ist es, eine Nutzer-Community aufzubauen: Die Teilnehmer sollen sich austauschen, sollen voneinander lernen. Bestenfalls finden alle Interessenten eine Blaupause, die sie auf ihr eigenes Unternehmen übertragen können. Letztlich ist genau das der Kerngedanke des Navigators: Nur gemeinsam erreichen wir das nächste Level.
Wann dürfen Interessenten mit Antworten rechnen?
In der Regel dauert es nur wenige Tage oder Wochen, bis einschlägige Workshops stattfinden.
Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Butter bei die Fische: Was kostet der Spaß?
Noch basiert das Projekt auf Geben und Nehmen: Nutzer profitieren vom Know-how der Partner. Und wir, die Partner, bekommen Einblicke in die Probleme auf dem Shopfloor. Wir verlangen dafür lediglich ein zeitliches Invest: Wer ernsthaft mit uns zusammenarbeiten möchte, entsendet ein mehrköpfiges Team. Dabei gilt: Alleine der Initialworkshop dauert drei bis sechs Stunden …
Verpflichten sich Teilnehmer, Produkte und Services der Projektpartner in Anspruch zu nehmen?
Nein! Jedem ist selbst überlassen, was er mit den gewonnenen Erkenntnissen anstellt. Aber jeder sollte wissen, dass die Projektpartner in der Zusammenarbeit geübt sind. Das entschärft so manche Schnittstellenproblematik – technisch wie organisatorisch.
Aber ein Eos-Repräsentant wird kaum eine HP- oder Stratasys-Maschine empfehlen – und umgekehrt … Ist da ein interner Streit nicht vorprogrammiert?
Wir haben im Konsortium einen Verhaltenskodex: Niemand berät mit Blick auf die eigene Auftragslage. Kurzfristige, kommerzielle Überlegungen bleiben außen vor.
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Nutzen Sie auch privat einen 3D-Drucker?
Nein – wohl aber den 3D-Druck! Beispiele sind mein Fahrradhelm, einige Schuhe oder meine Brille: Alles ist additiv aufgebaut. Wollte ich das alles selbst machen, bräuchte ich zu viel Hardware, zu viele Materialien. Das überlasse ich deshalb den Profis. Notfalls greife ich auf das Siemens-interne Netzwerk zurück. Wir sind mit über 100 Dienstleistern verknüpft. Übrigens: Darauf dürfen unsere Mitarbeitenden auch privat zugreifen – jedenfalls nach Feierabend. Wer etwa Ersatzteile für sein Motorrad benötigt, kann entsprechende Aufträge erteilen oder unsere eigenen Schmelzschichtmaschinen nutzen. Persönlich bin ich überzeugt: Wenn mehrere Firmen so etwas anbieten würden, würde die Akzeptanz der Technologie steigen.
Das gesamte Interview mit Karsten Heuser hören Sie auf der „Druckwelle“, dem Podcast zur additiven Fertigung von Ingenieur.de und VDI nachrichten:
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