Afrika mangelt es an schwarzem, humusreichem Boden
Vier Jahre lang haben afrikanische und europäische Wissenschaftler in akribischer Kleinarbeit den Zustand und die Belastung der Böden Afrikas untersucht. Das Ergebnis ist der erste Bodenatlas Afrikas, den das Joint Research Centre (JRC) diesen Freitag beim afrikanischen-europäischen Gipfeltreffen in Addis Abeba vorgestellt hat.
Zum Treffen der afrikanischen Union mit der EU-Kommission Ende dieser Woche in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba hatte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard auch den „Bodenatlas für Afrika“ im Gepäck, um ihn offiziell zu überreichen. Darin schlagen europäische und panafrikanische Wissenschaftler Alarm: Nahezu 500 Millionen Hektar, also gut 16 % der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche des afrikanischen Kontinents, sind durch zerstörende Degradation stark bedroht.
„Afrikas Böden sind einem zunehmenden Stress durch menschliche Einwirkungen und den Klimawandel ausgesetzt mit tiefgreifenden Veränderungen für die Ernährungsbasis“, erklärt Arwyn Jones vom Umweltinstitut des Joint Research Centre (JRC) im Gespräch mit den VDI nachrichten. Als wissenschaftlicher Leiter des Mammutprojekts „Bodenatlas für Afrika“ hat der irische Geologe die Veränderungen Afrikas zunächst mit Himmelsaugen verfolgt.
Am JRC-Afrikaobservatorium im oberitalienischen Ispra am Lago Maggiore sind Wissenschaftler seit über zehn Jahren mit der Auswertung von Millionen von Satellitendaten beschäftigt, die von den europäischen Umweltbeobachtungssatelliten Eumetsat und Rosat stammen.
Die Fernerkundung mit hochauflösender deutscher Satellitentechnik deckt die schleichenden Veränderungen durch Landnutzung, Klimaauswirkungen, Bodenerosion und Urbanisierung auf. So liefern die Forscher nicht nur ein genaues Abbild der Oberflächenstrukturen, sie können nun mittels ausgeklügelter Algorithmen auch Computerprogramme erstellen, die einen überaus plastischen Befund der Bedrohung des schwarzen Kontinents ergeben.
Auf 180 Seiten zeichnet der Bodenatlas mit vielfältigem Karten- und Bildmaterial sowie beeindruckenden Satellitenaufnahmen ein farbiges Bild ganz in der Tradition der afrikanischen Kulturen – wenn auch mit besorgniserregendem Ergebnis.
Größtes Problem: Überweidung durch die Viehwirtschaft
Zieht man die klimatisch bedingten und von Menschenhand verursachten Veränderungen in Wüsten- und Bergregionen in Betracht, gilt mit über 22 % fast ein Viertel der Erdoberfläche Afrikas als stark bedroht. „Überweidung ist die häufigste Ursache des von Menschen verursachten Degradationsprozesses in Afrika, gefolgt von landwirtschaftlichem Missmanagement und Entwaldung – vor allem der Regenwälder“, fasst Jones zusammen.
Eine aquarellartig anmutende Karte im Atlas zeigt die neun gravierendsten Typen der Bodendegradation und des Landverlustes. Wassererosion durch Überschwemmungen und sintflutartige Regenfälle stellt das größte Problem dar und betrifft 227 Mio. ha oder 8 % der Landoberfläche. Winderosion zerfurcht und verwüstet 186 Mio. ha oder 3,8 %.
Einseitige Bewirtschaftung und der resultierende Nährstoffmangel der Böden rauben nach konservativen Schätzungen derzeit 45 Mio. ha. Weitere 15 Mio. ha fallen der Bodenverschmutzung etwa in den Bergbauregionen Südafrikas anheim.
Einviertel von Wüsten und Steppen bedeckt
Hinzu kommt, dass der Klimawandel in Form von lang anhaltenden Dürreperioden rund 26 % der Landmasse durch Versteppung oder Vordringen von Wüsten einfordert.
Die rund 50 Wissenschaftler beider Kontinente haben sich bei ihrer Pionierleistung nicht nur auf die Auswertung von Computerdaten beschränkt, sondern sind in zahlreichen Feldmissionen im Maghreb, in den Savannen, Regenwäldern und subtropischen ariden Gebieten sowie in Steppen und Wüstenregionen als wissenschaftliche Maulwürfe unterwegs gewesen. Sie gruben metertiefe Löcher in unterschiedlichste Bodenformationen, um das Leben und Sterben von Flora und Fauna unter der Erdoberfläche zu analysieren.
„Die Bedrohungen und Herausforderungen für den Kontinent und Afrikas Bevölkerung sind gravierend und vielfältig“, fasst Martin Yemefack vom International Institute for Tropical Agriculture in Jaunde zusammen. Als Präsident der African Soil Science Society kennt der Agrarwissenschaftler aus Kamerun die Herausforderungen zu gut. Der zentralafrikanische Staat in der Nachbarschaft von Nigeria, dem Kongo und der Zentralafrikanischen Republik ist Anbaugebiet für Kaffee, Kakao, Kautschuk, Kartoffeln und Gemüse. Dabei ist er von extremen Wetterphänomenen bedroht. „Kamerun stellt Afrika in Miniaturausgabe dar mit einer großen Diversität“, sagt Yemefack.
Afrika fehlt es an humusreichen Böden
Ganz anders sehen die Boden- und Landwirtschaftsprobleme in den maghrebinischen und afrikanischen Mittelmeer-Anrainerstaaten aus. Für den tunesischen Forscher Tahar Gallali kommt es darauf an, dass Europa eine nachhaltige Entwicklung und den Aufbau regenerativer Energien in Afrika unterstützt und mit den Mechanismen der Ausbeutung Schluss mache. „Das gemeinsame Bodenatlasprojekt schafft Bewusstsein vor allem auf dem afrikanischen Kontinent“, sagt Gallali. Der Atlas soll auf Englisch, Französisch und auch auf Arabisch erscheinen.
„Afrika fehlt es an schwarzen, humusreichen und mit Würmern und Tieren durchsetzten fruchtbaren Böden. Die weißen kalkhaltigen Erden und die vorherrschenden tief roten mit Eisen und Schwermetallen durchsetzten Böden in vielen afrikanischen Staaten können die wachsende Bevölkerung des Kontinents nicht ernähren und leisten der weitere Flächen zerstörenden Urbanisierung und Verstädterung Afrikas Vorschub“, lautet Jones besorgtes Fazit.
Afrika müsse zu mehr nachhaltiger Landwirtschaft und zur Verbesserung der Bodenstrukturen ermutigt werden. Mehr Dünger und Gensaaten von multinationalen Konzernen sowie das Abholzen der Regenwälder seien nicht das Rezept, Afrikas Landwirtschaft zu verbessern und den Hunger von Hunderten Millionen zu stillen.
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