Biolandbau genügt nicht: Auch Biobauern müssen mehr für Artenvielfalt tun
Produkte aus biologischem Anbau mögen gesund und lecker sein. Für die Artenvielfalt ist es jedoch relativ unerheblich, ob Äcker biologisch oder konventionell bewirtschaftet werden. Auch Biobauern müssen bewusst Lebensräume anlegen, um mehr für die Artenvielfalt zu tun.
Ökologischer Landbau fördert zwar die Artenvielfalt, ist aber kein Selbstläufer. So lässt sich eine große internationale Studie zusammenfassen, die zehn europäische und zwei afrikanische Regionen hinsichtlich der Biodiversität untersucht hat und jetzt in der Zeitschrift Nature erschienen ist. Denn auch die Ökobetriebe müssen die Artenvielfalt gezielt fördern. Das kann geschehen, indem sie zum Beispiel zusätzliche artenreiche Lebensräume erhalten.
Vorteile des Biolandbaus betreffen vor allem den Acker selbst
„Vom Ökolandbau profitiert die Artenvielfalt von Pflanzen und Wildbienen besonders. Die beobachteten Vorteile konzentrieren sich jedoch vor allem auf Ackerflächen“, fasst Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen von der Technischen Universität München (TUM) die Ergebnisse zusammen. Hülsbergen leitet den Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme an der TUM und führte die Analysen in 16 zufällig ausgesuchten bayerischen Milchviehbetrieben durch.
Untersucht wurden für die Studie landwirtschaftliche Flächen in zahlreichen Ländern Europas, auf denen völlig unterschiedliche Pflanzen angebaut wurden. Dennoch zeigten sich Gemeinsamkeiten. So tummelten sich auf den Bioäckern jeweils deutlich mehr Arten als auf den konventionell bestellten Ackerflächen, Wiesen und Rebkulturen.
Die Forscher untersuchten vier Artengruppen stellvertretend für die große Vielfalt an Lebewesen: Pflanzen, Regenwürmer, Spinnen und Wildbienen. Es zeigte sich, dass diese Artengruppen sehr unterschiedlich vom Ökolandbau profitieren. So wurden auf den Ökoflächen wesentlich mehr Pflanzen- und Wildbienenarten gefunden als auf den konventionellen Nachbarflächen. Auf Spinnen und Regenwürmer traf dies jedoch nicht zu.
Vorkommen gefährdeter Arten nicht von Bewirtschaftung abhängig
Wenn die Forscher dann auch noch Randflächen der Höfe wie Hecken oder Feldränder in ihre Untersuchung einbezogen, so verringerten sich die Unterschiede zwischen dem ökologischen und dem konventionellen Landbau noch mehr. „Offenbar kommen die Arten aus den Bioäckern in den übrigen Betrieben einfach in Randbereichen vor, und die gesamte Artenzahl verändert sich deshalb kaum“, erklärt Manuel Schneider vom Schweizer Forschungsinstitut Agroscope, das die europaweite Studie koordiniert und die Daten aus über 1400 Flächen der 205 untersuchten Betriebe ausgewertet hat. Noch eine Überraschung kann Schneider präsentieren: Das Vorkommen seltener oder gefährdeter Arten war nicht von der ökologischen Bewirtschaftung abhängig.
Die Landwirte müssen daher mehr unternehmen, um die stark gefährdete Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu schützen. Es braucht neben dem Ökolandbau ganz offenbar auch Anstrengungen, Lebensräume der gefährdeten Arten zu erhalten oder neu zu schaffen. „Erstaunlicherweise fanden wir auf den Ökobetrieben über alle Regionen hinweg nicht mehr naturnahe Lebensräume als auf den übrigen Betrieben“, berichtet Schneider. Die Autorinnen und Autoren der internationalen Studie haben da auch gleich ein paar Anregungen für die Landwirte im Angebot: Sie empfehlen, die Anzahl an Lebensräumen auf den Betrieben durch Gehölze, Grasstreifen oder Brachflächen zu erhöhen.
Die Vielfalt der Lebensräume entscheidet über Artenvielfalt
„Es zeigte sich sehr deutlich, dass die Vielfalt an Lebensräumen entscheidend für die Artenvielfalt ist“, bilanziert Prof. Hülsberger von der TU München: „Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, wie wichtig die Erhaltung und Neuschaffung von Landschaftsstrukturen ist, wie sie mit dem Greening-Programm der EU-Agrarpolitik umgesetzt werden soll. Wenn sich die zusätzlichen Lebensräume vom Rest der Fläche unterscheiden, zum Beispiel Hecken in Graslandbetrieben oder Krautstreifen in Ackerbaubetrieben, erhöhen sie die gesamte Artenzahl des Betriebes stark.“
Untersucht wurden für die Studie biologisch und konventionell arbeitende Betriebe in ganz Europa. Dazu gehörten Ackerbaubetriebe beispielsweise in der Gascogne im Südwesten Frankreichs ebenso wie Gartenbaubetriebe in den Niederlanden, Grünland- und Milchbetriebe in der Zentralschweiz, Milchviehbetriebe in Bayern, Weinberge in Italien und Olivenplantagen in Spanien.
In jeder Region wurden 14 bis 20 Landwirtschaftsbetriebe ausgewählt. In Regionen mit Bio- und konventionellen Betrieben wurden Vertreter beider Bewirtschaftungsarten zufällig ausgewählt. Die Biobetriebe bewirtschaften ihre Fläche dabei jeweils seit mindestens fünf Jahren zertifiziert biologisch.
Ein Beitrag von: