Engineering 03.12.2010, 19:50 Uhr

CAD-Systemwechsel bei Daimler überrascht auch Branchenexperten

Künftig wird der Automobilbauer Daimler, Stuttgart, die CAD-Software NX von Siemens anstelle des über viele Jahre verwendeten Systems Catia von Dassault Systèmes einsetzen. Ab Sommer 2012 sollen weltweit über 20 Entwicklungszentren sowie die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Zulieferfirmen umgestellt werden.

Die Entscheidung aus Stuttgart lässt eine Konstellation zusammenbrechen, die nicht nur in Paris wohl für unerschütterlich gehalten wurde. Auch die Analysten reagieren erstaunt. Über etliche Jahre galt die Welt insbesondere der Automobilindustrie und Luftfahrt als ein weitgehend unter Siemens und Dassault Dassault Systèmes aufgeteilter Markt. Zu hoch seien die Kosten eines System-Umstiegs zu groß auch die Schwierigkeiten, die auf das jeweilige Engineering-System angepassten Prozesse umzustellen fast unmöglich die sicher notwendige weitere Verwendung vorhandener Daten. Diese Einschätzung ist jetzt grundsätzlich in Frage gestellt.

„Mit der Kombination der CAD-Software NX und unserem Produktdaten-Managementsystem Smaragd auf Basis der PLM-Software Teamcenter werden wir unsere kompletten Produktentwicklungsprozesse vom Design bis in den Betriebsmittelbau und die NC-Fertigung abbilden“, sagte Prof. Bharat Balasubramanian, bei Daimler verantwortlich für Forschung und Vorentwicklung, Produktinnovationen und Prozesstechnologie.

Wie aus dem Hause Daimler verlautet, soll der Komplettumstieg bereits bis 2015 abgeschlossen sein. Gegenüber früheren Versions- oder Systemwechseln habe man heute den Vorteil einer durchgehend modularen Produktpalette. Deshalb könne die Umstellung erheblich schneller und sicherer realisiert werden. Es gebe auch bereits Erfahrungen eines nicht genannten Wettbewerbers mit demselben Wechsel. Dort verlaufe der Umstieg schneller als geplant.

Dem Strategiewechsel vorausgegangen waren intensive Untersuchungen möglicher Alternativen, nachdem Dassault Systèmes mit V6 eine neue Systemgeneration angekündigt hatte, die zugleich die Installation des PDM-Systems Enovia erforderlich macht.

Stellenangebote im Bereich Fertigungstechnik, Produktion

Fertigungstechnik, Produktion Jobs
über RSP Advice Unternehmensberatung-Firmenlogo
Technische Leitung (m/w/d) über RSP Advice Unternehmensberatung
ANDRITZ Separation GmbH-Firmenlogo
Automatisierungsingenieur (m/w/d) für Dynamic Crossflow-Filter ANDRITZ Separation GmbH
Vierkirchen Zum Job 
Hochschule Osnabrück-Firmenlogo
Tandem-Professur Robotik, Data Science and AI, Digitalisierte Wertschöpfungsprozesse Hochschule Osnabrück
Osnabrück, Lingen Zum Job 
Bergische Universität Wuppertal-Firmenlogo
Research Assistant (postdoc) in the field of additive manufacturing of metals Bergische Universität Wuppertal
Wuppertal Zum Job 
Fresenius Kabi-Firmenlogo
Director (m/w/d) Operations Media Supply, Formulation & API Fishoil Fresenius Kabi
Friedberg / Hessen Zum Job 

18 Monate wurden die Systeme von Siemens und Dassault in ihrer Kopplung und jeweils als Komplettlösung auf Herz und Nieren getestet, anhand von Praxisbeispielen aus der gesamten Prozesskette, vom Rohbau über den Antriebsstrang bis zur Betriebsmittelkonstruktion. Dabei gab es sechs Leistungskriterien, deren Erfüllung jeweils bewertet wurde: die Unterstützung der spezifischen Geschäftsprozesse, die Integration mit dem PDM-System, die Zukunftsfähigkeit des Konzepts und der Technologie, die Qualität und die Kosten. Bei dieser Bewertung habe Siemens eindeutig die bessere Lösung geboten.

Dassault zeigte sich überrascht von der Entscheidung eines der wichtigsten Referenzkunden. Daimler habe die neue Version V6 gar nicht getestet, hieß es in einer Presseerklärung. Und mit der Bekanntgabe einer fünfjährigen Verlängerung der Catia-Verträge wird der Eindruck erweckt, Daimler halte sich alle Türen offen.

Es wird jedoch nicht von ungefähr kommen, dass Daimler sich besonders intensiv für die Normierung des CAD-neutralen Datenformats JT eingesetzt hat, das demnächst den ISO-Stempel erhalten soll. Und es ist bekannt, dass bei Daimler seit geraumer Zeit sämtliche Catia-Modelle immer auch als JT-Modelle abgelegt werden. Damit wäre selbst dann eine Weiterverwendung der Daten möglich, wenn Catia vollständig abgeschaltet würde. Für weiterführende Prozesse ist der Automobilhersteller ohnehin in zahlreichen Bereichen schon auf die Verwendung der JT-Modelle umgestiegen.

Das Ziel ist klar: Die Abhängigkeit der Prozesse von den eingesetzten IT-Tools soll auf ein unvermeidliches Minimum reduziert werden. Was die Kosten betrifft, lassen die Vertragspartner zwar keine Details an die Öffentlichkeit. Aber dass sich Großkonzerne hier zu beiderseitigem Nutzen verständigen können, darf wohl angenommen werden.

Wenn ein derartiger Systemwechsel möglich ist und vom Vorstand in Stuttgart für realistisch und sinnvoll gehalten wird, könnte es das Ende einer Ära einleiten. Nicht auszuschließen ist, dass andere folgen. Die Lieferanten von Daimler sind darauf bereits vorbereitet, denn sie sind nach Angaben aus Stuttgart frühzeitig informiert worden. Aber es könnte auch Auswirkungen auf andere Fahrzeughersteller und Industrien haben.

Die vielen Kommentare und Diskussionen in den CAD-Foren – selbst unabhängigen Catia-Foren – zeigen, für wie wichtig die Anwender diesen größten IT-Strategiewechsel der letzten zehn Jahre halten. Größere Bedeutung wird haben, welche Konsequenzen die Managementebene zieht. Daimler kann sich einer großen Aufmerksamkeit bei der Umsetzung seiner jüngsten Entscheidung sicher sein. U. SENDLER/KIP

 

Ein Beitrag von:

  • Dietmar Kippels

    Redakteur VDI nachrichten im Ressort Produktion. Fachthemen: Maschinenbau, CAD, Lasertechnik

  • Ulrich Sendler

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.