Produktion 16.12.2011, 12:03 Uhr

Composite-Anwendungen erfordern noch viel Handarbeit

Mit der Verarbeitung von Glas- und Kohlenstofffasermatten und Kunststoff zu Faserverbundwerkstoffen erschließt die Industrie ressourcenschonendes Leichtbaupotenzial. Den Vorteilen der Gewichtsersparnis steht jedoch noch immer ein hoher Anteil von manueller Arbeit gegenüber, wenn es um das exakte Anpassen der Gewebelagen für Hochleistungsbauteile geht.

Die Verarbeitung von Glas- und Kohlenstofffasermatten mit Kunststoffen zu Hochleistungsbauteilen ist eine personalintensive Angelegenheit, wie Gespräche mit der Industrie zeigten. „Wir benötigen vom Auflegen der ersten Gewebe bis zum Endbeschichten der 47 m langen Blätter für die neu entwickelte E 101 Windkraftanlage derzeit noch gut vier Tage Produktionszeit“, erklärte Volker Ziem, Geschäftsführer der zur Enercon-Gruppe gehörenden Rothenseer Rotorblattfertigung, Magdeburg.

Wenn alles rund läuft, sollen laut Ziem daraus bald 2,5 Tage werden. Derzeit muss der Aufbau der Lagen auf die Form jedoch noch immer per Hand umgesetzt werden, während der Zuschnitt der Matten zumindest bereits halbautomatisiert abläuft. Das am Ende 21 t schwere Blatt, am Schaft mit einem Durchmesser von rund 3 m und Wanddicken von 30 cm, wird aus zwei Schalen Schicht für Schicht aus vorgefertigten Matten aufgebaut. Es folgen in mehreren Etappen das Tränken mit Polyurethankunststoff und Härterzusätzen, die daraus den Faserverbundwerkstoff (Composite) mit genau definierter Elastizität und der hohen Zugkraftbeständigkeit werden lassen.

Ziem: „Die E 101 ist speziell für einen hohen Ertrag in windschwächeren Regionen konstruiert.“ Für extreme Windstandorte würden in die Konstruktion zusätzliche Lagen von Kohlenstofffasern eingeklebt, die die Steifigkeit erhöhen. „Der Einsatz neuer Materialien, der neue Flügeldesigns zum Teil überhaupt erst ermöglicht, hat bei den schon sehr lange gebauten Maschinen die Erträge um 50 % bis 80 % steigen lassen“, so Ziem.

Doch der hohe Fertigungsaufwand drückt zwangsläufig die Kosten der Blätter in die Höhe, die laut Ziem einer der Hauptgründe dafür sind, warum die Windkraftanlagen nicht mit fünf oder mehr Blättern bestückt werden. Bislang wird nur die Endbeschichtung, bei der eine Oberflächengüte von weniger als 5 µm Toleranz garantiert werden muss, von Robotern ausgeführt. Zumindest vorerst wird sich bei Enercon an der Handarbeit nichts Grundsätzliches ändern lassen.

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Das ist auch beim Schutzhelmspezialisten Schuberth, Magdeburg, nicht viel anders. 170 000 Motorradhelme liefert der Hersteller jährlich aus. Dazu kommen noch Ausrüstungen für die Polizei, den Arbeitsschutz und den militärischen Bereich. „Wir verwenden sowohl Glas-, Aramid- als auch Carbonfasern“, erklärte Marketing-Chef Marc-Thorsten Lenze und ergänzte: „85 % aller Prozesse sind bei uns Handarbeit.“ Denn das exakte Einpassen der Gewebelagen auf die Halbschalen vor dem Pressprozess mit Harz und Härter sei mit Maschinen heute noch nicht möglich.

„Gewichtsersparnis und die hohe Festigkeit in Faserrichtung sind große Vorzüge der Composites“, begründete Prof. Jürgen Häberle vom Industrielabor Leichtbau der Hochschule Magdeburg-Stendal den zunehmenden Einsatz von Faserverbundwerkstoffen. Allerdings bereite neben dem hohen Anteil von manueller Arbeit auch noch die Verbindung von glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK) und kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) miteinander oder mit Metallen noch Probleme.

Häberle: „CFK hat eine negative Wärmeausdehnung, das erfordert sehr hohen Aufwand an den Klebestellen, damit die Verbindung dauerhaft hält.“ Andere problematische Eigenschaften, wie die fehlende Widerstandskraft von GFK gegenüber den Alkali-Bestandteilen im Beton, begrenzten bislang ebenfalls den Einsatz der Composites. „Natürlich würde es die Bautechnologie revolutionieren, wenn wir die Armierung oder die Spannung von Beton nicht mehr mit Stahl, sondern mit Glasfaserstäben ausführen können“, erklärte Häberle und demonstrierte dies in seinem Labor am Beispiel eines strohhalmdicken GFK-Stabs. Erst bei etwa 15 t Zugkraft zersplittert der Stab.

In puncto Leichtbau mit Composites profitiert Ackermann Fahrzeugbau, Oschersleben, bereits von der Zusammenarbeit mit der Magdeburger Hochschule. Das mittelständische Unternehmen hat im vergangenen Jahr erstmals einen Lkw-Hänger mit Leichtbauboden auf den Markt gebracht. Bei gleicher Nutzlast sank das Leergewicht mit glasfaserverstärkten Sandwich-Böden von 4,8 t auf 2,8 t, zudem ist der neue Boden nicht mehr anfällig gegenüber Feuchtigkeit wie die bisher übliche Holzvariante. Der Hersteller hat inzwischen auch einen Agrarhänger mit Seitenwänden aus GFK zur Serienreife entwickelt, der etwa 10 % leichter ist als der Vorgänger.

Als nächster Entwicklungsschritt wird bei Ackermann über den Einsatz von Carbonteilen nachgedacht. Erste Versuche mit drei Testaufliegern für einen großen Lebensmitteldiscounter seien bereits vielversprechend verlaufen. Jedoch schrecke der Massenmarkt trotz der Gewichtsvorteile bislang noch immer vor den deutlich höheren Preisen zurück, wie Geschäftsführer Thomas Maasberg erklärte. M. SCHULZE

Ein Beitrag von:

  • Manfred Schulze

    Manfred Schulze ist freier Journalist für Fachzeitungen Energie, Logistik, Technologie.

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