Der deutsche Maschinenbau in der Krise und wie Tech-Unternehmen darauf reagieren wollen
An den Meldungen kommt keiner mehr vorbei: Die Prognosen für den deutschen Maschinenbau sehen düster aus. Der Maschinenbauverband VDMA hat für das erste Halbjahr 2019 einen Umsatzrückgang von 9 % gemeldet. Wie sollen Maschinenbauingenieure und Unternehmen auf diese Aussichten reagieren?
Die voraussichtlichen Zahlen für das Gesamtjahr sehen auch nicht besser aus. Der VDMA rechnet mit einem Produktionsrückgang von 2 %. Als Gründe werden externe Entwicklungen genannt. Der Konjunkturexperte Olaf Wortmann wird von Medien wie folgt zitiert: „Dieser Rückgang geht auf die schwächere Weltkonjunktur, die zahlreichen, meist politisch motivierten Verwerfungen und den tiefgreifenden Strukturwandel in der Automobilindustrie zurück.“ Aus jungen Technologieunternehmen werden jedoch auch Stimmen laut, die in internen Nachlässigkeiten der Branche Gründe sehen. Eine dieser Stimmen kommt von Christoph Rößner. Der Geschäftsführer der Laserhub GmbH mit Sitz in Stuttgart gibt an, dass die Branche über Jahre hinweg wichtige Entwicklungen außer Acht gelassen habe. Stattdessen wurde sich auf die schrittweise Effizienzerhöhung der Produktion fokussiert.
Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle sind im Maschinenbau gefragt. Prozesse würden dadurch effizienter, so Rößner. Zum Beispiel lasse sich die Administration automatisieren. „Damit können negative externe Effekte abgeschwächt werden und es gelingt, wichtige Ressourcen besser einzusetzen.“
Digitales Beschaffungs- und Lieferantenmanagement beschleunigt den Maschinenbau
Laserhub ist ein Start-up mit Sitz in Stuttgart und zählt zu den Tech-Unternehmen, die die aktuelle Situation im Maschinenbau analysiert haben. Seit 2017 betreiben die 3 Gründer Adrian Raidt, Christoph Rößner und Jonas Schweizer die Koordinationsplattform für Zulieferer aus der Blechindustrie. Das Ziel des jungen Unternehmens ist es, die Ineffizienz im Maschinenbau zu beseitigen. So modern wie die heutigen Maschinen sind, wären die administrativen Prozesse auch gerne. „Die sind nämlich gefühlt im letzten Jahrhundert stecken geblieben”, sagt Rößner gegenüber ingenieur.de. Blechteile werden immer noch analog beschafft. Je nachdem, wie viele Anbieter kontaktiert werden, dauern die Rückmeldungen unterschiedlich lang. Die Folge: Der gesamte Prozess hakt.
In Deutschland gibt es insgesamt 4.500 Blechbearbeiter. Laserhub hat sich zum Ziel gesetzt als Vermittler zwischen Auftraggeber und Lieferant die Branche ein Stück weit effizienter zu machen. Auf der Plattform können Kunden die Dateien für die benötigten Spezialteile, seien es digitale CAD-Daten wie Entwurfspläne oder Zeichnungen, hochladen und bekommen direkt den passenden Lieferanten angezeigt. Das spart Zeit – dank eines intelligenten Algorithmus. Dieser ordnet jeder Anfrage den passenden Hersteller mit freien Ressourcen zu. Der Preis wird von Laserhub festgelegt, da das Start-up auch als Vertragspartner fungiert. Die Plattform bedient laut Rößner Kunden in ganz Deutschland, von KMU bis zu DAX-Konzernen, und Österreich. Demnächst expandiert Laserhub auch nach Frankreich.
Zu den weiteren Tech-Unternehmen, die aktuell vorpreschen, zählt Synapticon aus Böblingen. Gründer Nikolai Ensslen sieht vor allem in der geringen Veränderungsbereitschaft der Unternehmen der Maschinenbaubranche Herausforderungen. Synapticon ist seit 7 Jahren auf dem Markt und liefert Technologie für die Automation und Roboterherstellung an. Sein Feedback zum deutschen Maschinenbau lautet: „Die Zeiten haben sich dramatisch geändert und die Geschwindigkeit der Veränderung wird noch weiter zunehmen. Der klassische Maschinenbau wird von neuen Branchen bzw. Technologien in die Zange genommen und viele Unternehmen wissen noch nicht, wie sie darauf reagieren sollen.“
Deutscher Maschinenbau kann die Kurve noch kriegen
Viele deutsche Maschinenbauunternehmen fragen sich noch, ob ergänzende Roboter nützlich sind oder nicht. In dieser Zeit rücken die chinesischen Hersteller bereits gefühlt in unerreichbare Ferne Richtung Zukunft. Doch der deutsche Maschinenbau kann wieder aufschließen – sofern der Wille und Mut zu Veränderung da sind. Ensslen ist der Meinung, dass Robotik zu akzeptablen Kosten gebaut werden sollte. Das erfordere jedoch neue Ansätze in Konstruktion, Elektronik und Software. Damit könnten sich deutsche Hersteller Schritt für Schritt vertraut machen und neue Prozesse und Technologien einführen.
Was heißt das alles für Ingenieure im Maschinenbau?
Ob Handelskrieg, Abschied vom Verbrennungsmotor oder schwache Auftragslage: Die deutsche Industrie, vor allem der Maschinenbau und die Automobilindustrie, hat 2019 mit zahlreichen Hürden zu kämpfen. Aktuell treffen politische und technologische Verwerfungen aufeinander. Vor allem im Bereich Produktion, Service und Transport hinkt die deutsche Industrie in Sachen Digitalisierung hinterher, so Unternehmensberater von PwC.
Maschinenbauingenieure, die nicht zuschauen, sondern selbst aktiv werden wollen, sollten die Digitalisierung im Unternehmen vorantreiben und sich die nötigen Skills dafür aneignen. Seien es Themen wie Robotics, Data Analytics oder künstliche Intelligenz: Konkrete Anwendungsbereiche entstehen und werden noch für einen weiteren Umbruch der Branche sorgen. Sinn macht es sicher auch, sich Berufsfelder in aufkommenden Umfeldern wie Internet of Things (IoT) anzuschauen. Warum Mechatroniker und Automatisierungstechniker die idealen IoT-Ingenieure sind, haben wir bereits beleuchtet.
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