Diese Abstürze haben die Sicherheit im Flugzeug erhöht
Schwimmwesten, Rauchverbot, Sprachrekorder: Viele Sicherheitsfeatures im Flugzeug sind durch Unglücke Standard geworden.
Inhaltsverzeichnis
- Warum Flugzeuge heute mit Blackbox fliegen
- Mehr Passagiere, weniger Unfälle
- Sicherheit im Flugzeug: Als die Schwimmweste Standard wurde
- Crash überm Grand Canyon – und das flächendeckende Radar wurde eingeführt
- Sicherheit im Flugzeug: Sicherheitseinweisung, Anschnallzeichen und Rauchverbot
- Verstärkte Cockpittüren seit dem 11. September 2001
229 Menschen starben im vergangenen Jahr weltweit bei Abstürzen oder Unfällen mit Flugzeugen. Dass sich diese Zahl seit den 1970er-Jahren um rund 90 % reduziert hat, verdanken wir kurioserweise einigen der schrecklichsten Tragödien der Luftfahrtgeschichte.
Warum Flugzeuge heute mit Blackbox fliegen
10. Juni 1960: Seit anderthalb Stunden kreist bereits eine Fokker Friendship F-27 der Fluglinie Trans Australia Airlines (TAA) über dem Flughafen der Kleinstadt Mackay im Nordosten des Landes. Zweimal musste Kapitän F. C. Pollard zuvor einen Landeanflug wegen Nebels abbrechen, doch jetzt lichten sich die Wolken an der Küste von Queensland. Per Funk teilt er dem Fluglotsen E. W. Miskell am Boden mit, einen neuen Versuch starten zu wollen. Miskell teilt ihm noch kurz die Wetterbedingungen am Boden mit und Pollard bestätigt. Dann ruft Miskell schnell bei der Feuerwehr an und fragt nach der aktuellen Temperatur. Als er diese per Funk an die Fokker F-27 schickt, kommt keine Antwort mehr. Der Fluglotse versucht 10 min lang vergeblich, wieder mit dem Flugzeug in Kontakt zu kommen, dann alarmiert er die Feuerwehr. Es dauert fünf Stunden, bis die Küstenwache um drei Uhr morgens Wrack- und Gepäckteile findet, die 8 km vor der Küste treiben . Erst zwei Tage später wird das Wrack selbst einen weiteren Kilometer weiter weg im Meer gefunden. Keiner der 25 Passagiere und der vier Crew-Mitglieder hat den Absturz überlebt.
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Warum die Fokker ins Meer fiel, ist bis heute unbekannt. Eine Unfallkommission prüfte sowohl technische als auch menschliche Fehler, konnte aber keine Theorie wirklich bestätigen. Ein Problem bei der Untersuchung: 1960 existierten noch keine Flugdatenschreiber oder Sprachrekorder im Cockpit. Der Crash der Fokker in Mackay sollte letztendlich genau das ändern. Drei Jahre nach dem Absturz führte Australiens Luftfahrtbehörde als erste weltweit eine Pflicht für Passagierflugzeuge ab einer bestimmten Größe ein: Flugzeuge müssen die beiden als „Black Box“ bekannten Geräte installieren.
Mehr Passagiere, weniger Unfälle
Das dürfte seitdem Zehntausenden Passagieren indirekt das Leben gerettet haben. Welchen Einfluss beide Geräte direkt auf die Sicherheit von Flugzeugen haben, ist schwer zu messen, erleichtern aber die Analyse von Unfällen und Abstürzen deutlich. Das macht die Luftfahrt insgesamt sicherer. Gab es 1970 noch 4,2 Unfälle pro 1 Mio. Flüge, hat sich diese Zahl laut der Internationalen Luftfahrt-Organisation IATA bis 2019 auf 0,74 Unfälle reduziert. In absoluten Zahlen starben noch in den 1970er-Jahren jedes Jahr zwischen 2000 und 4000 Menschen bei Abstürzen und anderen Unfällen. 2023 waren es nur noch 229, im Schnitt der vergangenen zehn Jahre sind es 634 – und das, obwohl die Zahl der Passagiere von knapp 400 Mio. im Jahr 1970 mittlerweile auf 4,4 Mrd. gestiegen ist.
Tragische Abstürze wie der von Flug 538 in Australien waren dabei oft Katalysatoren für Verbesserungen der Sicherheit, die uns heute selbstverständlich erscheinen. Viele davon hielten zwischen 1950 und 1980 Einzug ins Flugzeug – in einer Zeit, als die Zahl der Flüge und Passagiere steil anwuchs und damit auch die Sicherheitsmängel immer offensichtlicher wurden. Erste Flugdatenschreiber wurden schon nach einer Serie rätselhafter Abstürze ab 1954 gefordert, bevor sie rund zehn Jahre später weltweit Pflicht wurden.
Sicherheit im Flugzeug: Als die Schwimmweste Standard wurde
Schon 1956 sollte uns Flug 6 der US-Fluggesellschaft Pan American World Airways ein weitere heute selbstverständliche Neuerung schenken. Flug 6 befand sich am 15. Oktober auf der letzten Etappe einer Rundreise um die Welt und startete mit seiner Boeing 377 in Honolulu auf Hawaii in Richtung San Francisco, an Bord 24 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder. Nach rund fünf Stunden Flug drehte plötzlich eines der vier Triebwerke auf und ließ sich nicht mehr abschalten. Um die Geschwindigkeit zu reduzieren, schalteten die Piloten die anderen drei Maschinen herunter, bis es ihnen endlich gelang, das defekte Triebwerk auszuschalten. Danach fuhr aber eines der anderen Triebwerke nicht wieder hoch, sodass die Boeing 377 nur noch zwei Triebwerke zur Verfügung hatte – zu wenig, um es bis San Francisco zu schaffen. Eine Notlandung im Pazifik erschien der letzte Ausweg.
Fünf Stunden lang kreiste das Flugzeug über dem Meer, um Treibstoff loszuwerden, während ein Schiff der US-Küstenwache im Wasser erst einen Landestreifen aus Lichtern auslegte und im Morgengrauen die mutmaßliche Landezone mit Schaum einsprühte. Die Notwasserung gelang und alle 31 Menschen an Bord überlebten, wenngleich teilweise mit Verletzungen. Einer der Schlüssel zur Rettung: Pan Am hatte das Flugzeug komplett mit Schwimmwesten ausgestattet, zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit. Weil die Notwasserung lange absehbar war, wurde sie von der Küstenwache gefilmt. Da sich so der große Nutzen der Schwimmwesten offensichtlich zeigte, gilt Flug Pan-Am 6 heute als einer der Katalysatoren für die Pflicht, diese mitzuführen.
Crash überm Grand Canyon – und das flächendeckende Radar wurde eingeführt
Während der Pan-Am-Flug ein Happy End hatte, gab es wenige Monate zuvor eine der bis dahin größten Katastrophen der noch jungen Fluggeschichte. Über dem Grand Canyon stießen zwei Maschinen der Fluglinien United Airlines und Trans World Airline mit insgesamt 128 Menschen an Bord zusammen. Keiner überlebte den Absturz. Dass eine Kollision überhaupt möglich war, lag daran, dass Flugzeuge zu der damaligen Zeit noch relativ frei fliegen durften. Wo es Radarüberwachung gab, regelten Fluglotsen den Verkehr, doch die Abdeckung war damals dürftig. Außerhalb flogen Kapitäne schlicht auf Sicht. Beinahe-Kollisionen waren an der Tagesordnung.
Der Crash über dem Grand Canyon löste ein riesiges Medienecho in den USA aus. Daraufhin wurden die heute bekannten Luftstraßen, eine flächendeckende Radarüberwachung und eine flächendeckende Abdeckung des Fluglotsenfunks eingeführt.
Sicherheit im Flugzeug: Sicherheitseinweisung, Anschnallzeichen und Rauchverbot
Die Liste der durch Crashs eingeführten Sicherheitsfeatures lässt sich lange weiterführen. Das älteste Beispiel stammt aus dem Jahr 1928. Am 24. Juli geriet eine Fokker F.III der niederländischen Airline KLM bei einem Sightseeing-Flug mit einem Piloten und gerade einmal fünf Passagieren über Rotterdam in Schwierigkeiten und stürzte ins Meer. Die Passagiere mussten von Rettungskräften herausgeholt werden, weil keiner von ihnen wusste, wo sich der Notausgang befand. Ein Passagier ertrank deswegen. Schnell wurde klar, dass das mit einer ordentlichen Sicherheitseinweisung nicht passiert wäre – seitdem ist diese vor dem Start Pflicht.
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In den 1960er-Jahren folgten die Anschnallzeichen, weil sich die Zahl der durch Turbulenzen verletzten Passagiere immer mehr erhöhte und 1973 wurden diese Zeichen durch das Rauchverbot an Bord ergänzt. Ein Passagier auf dem Flug 820 der Fluglinie Varig in Brasilien schmiss eine brennende Zigarette in den Mülleimer der Toilette, woraufhin sich dessen Inhalt entzündete. Der Pilot landete in einem Zwiebelfeld, doch bis dahin starben 123 Menschen an dem Brand in der Kabine. Nur zehn Crew-Mitglieder und ein Passagier überlebten.
Verstärkte Cockpittüren seit dem 11. September 2001
Auch im neuen Jahrtausend hat es schon zwei erhebliche Neuerungen gegeben. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 wurden die Cockpittüren verstärkt, um Flugzeugentführungen zu verhindern.
Und 2010 war es ein Frachtflug, der eine neue Änderung brachte: Eine Boeing 747 des US-Postservice UPS kehrte auf dem Weg von Dubai nach Köln um, nachdem die beiden Piloten Rauch im Cockpit bemerkten. Bis die Piloten wieder Dubai erreichten, hatte das Feuer aber wichtige Systeme irreparabel beschädigt, sodass die Maschine in zum Glück unbesiedeltem Gelände nahe Dubai abstürzte. Beide Piloten kamen ums Leben. Eine spätere Untersuchung ergab, dass sich wahrscheinlich Lithium-Ionen-Batterien im Frachtraum entzündet hatten. Die Brandschutzmaßnahmen an Bord waren ungeeignet, ein solches Feuer zu löschen. Seitdem dürfen aus Sicherheitsgründen Geräte mit solchen Batterien nur noch im Handgepäck mitgeführt werden.
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