Digitaldruck kämpft ums Ökoimage
Ohne das Schlagwort „Green Printing“ lassen sich an Unternehmen immer weniger Druckaufträge verkaufen. Dem Trend zum „grünen Drucken“ folgend, verweisen die Hersteller von Digitaldrucktechnik darauf, dass man weniger Energie verbrauche sowie weniger und ökologisch unbedenklichere Chemikalien nutze als der klassische Offset. Doch beim Recycling des bedruckten Papiers zeigt sich, dass nicht alles a priori „grün“ ist, wo Digitaldruck draufsteht.
2011 wurden in Deutschland 22,7 Mio. t Papier und Pappe verbraucht – und 16 Mio. t davon kamen wieder zurück in die Papierfabriken – ergibt eine Recyclingquote von ca. 71 %. Altpapier ist der wichtigste Rohstoff für die Produktion. Doch dieser Stoff wird immer teurer, nicht zuletzt weil China weltweit viel aufkauft. Und nicht jedes Druckprodukt eignet sich für ein Recycling gleichermaßen. So soll Zeitungspapier weiß, grafisches Papier sogar reinweiß sein. Daher müssen die Druckfarben aus dem Altpapier entfernt werden, ein Verfahren, das als Deinking bezeichnet wird.
„Dabei muss zunächst die Farbe von der Faser getrennt und dann aus dem System entfernt werden“, erklärt Axel Fischer, Chemiker bei Ingede, dem Verband der recycelnden Papierfabriken (International Association of the Deinking Industry), die beiden Schritte eines Deinking-Verfahrens.
„Wir haben Farben, da funktioniert nur das eine ohne das andere, beispielsweise bei wasserbasierenden Inkjet-Tinten“, erklärt Fischer das Problem beim Tintenstrahldigitaldruck. Diese Farben „lassen sich leicht aus der Faser rauslösen, bleiben aber im System, da sie wasserlöslich sind. Wir können das Wasser nicht ständig wechseln. Es ist wie die rote Socke in der Waschmaschine.“
Vor dem Deinken muss das Papier sortiert werden, zunächst manuell über das Band, dann automatisch. Im ersten Recyclingprozess wird das sortierte Altpapier in einer gigantischen Trommel unter anderem mit heißem Wasser und Natronlauge sowie Natriumsilicat aufgelöst – 1 % Papierfasern nebst Farbpartikeln bewegen sich in dieser Suspension, Fremdkörper werden ausgeschleust.
Das Deinken geschieht im zweistufigen Flotationsverfahren unter Zugabe von Tensiden. „Das Ganze wird dann mit Luft durchblasen, im Schaum werden alle wassermeidenden Teilchen nach oben befördert und abgeschieden, die wasserliebenden bleiben in der Lösung und färben sie ein“, so Fischer. Hydrophob sind Offsetfarben sowie praktisch alle Trockentoner, damit also der tonerbasierende Digitaldruck. Hydrophil hingegen die meisten Inkjettinten.
HP: „Indigo-Prints sind deinkbar und damit auch recycelbar“
Als führend im Digitaldruck gilt Hewlett-Packard (HP) mit seinen Indigo-Maschinen. In ihnen wird ein Flüssigtoner eingesetzt, der sich auf dem Papier als hauchdünne Plastikfolie ausbildet. „Diese Haut zerreißt beim Recycling in große Flocken, die sich beim Deinken nicht entfernen lassen und als bunte Sprenkel im Recyclingpapier niederschlagen“, weiß Fischer.
HP sieht das anders. „Indigo-Prints sind deinkbar und damit auch recycelbar“, stellte Stephen Goddard, Environmental Leadership Program Manager, auf der Ende September in Berlin stattgefundenen Messe für „grünes Drucken“, der Ecoprint, fest. „Das wurde im Labor und in einem echten Prozess bewiesen“, betonte Goddard.
Auf der anderen Seite ist das Indigo-Verfahren das erste Druckverfahren, dessen Produkte schon einmal einen größeren Schaden in einer Papierfabrik verursacht haben. Cewe Color, Europas größter Fotobuchhersteller, lieferte 2010 einen Container mit Verschnitt aus der Fotobuchproduktion bei Steinbeis Papier ab – und vernichtet dadurch fast eine ganze Tagesproduktion an Papier. Geschätzter Schaden: 150 000 €.
„Wir dachten, etwas Gutes zu tun, HP hat uns nicht über die Probleme beim Deinken aufgeklärt“, erläutert Matthias Hausmann, bei Cewe Bereichsleiter für Chemie, Verfahrenstechnik und Umwelt. Inzwischen wurden die Eingangskontrollen bei Recyclern intensiviert.
Bei Cewe stehen 45 Indigo-Maschinen, hinzu kommen fünf weitere Anlagen, die mit Trockentonern arbeiten (Xerox iGen4 und Kodak NexPress). Pro Jahr werden gut 10 000 t Papier verwendet, die Hälfte davon für den Digitaldruck, wobei der Verschnitt etwa 15 % beträgt. Der wandert nun in die Wellpappenproduktion – ein klassisches Downcycling.
Happy-Foto sortiert Indigo-Maschinen aus „wirtschaftlichen und umweltpolitischen Erwägungen“ aus
Fotoversandanbieter Happy-Foto aus Österreich hat seine Indigo-Maschinen aus „wirtschaftlichen und umweltpolitischen Erwägungen“ 2011 ausrangiert und durch sechs Xerox Colorpress 1000 ersetzt, wie Firmeninhaber und Geschäftsführer Bernhard Kittel gegenüber den VDI nachrichten erwähnt.
John Cooper, Customer Support Director des Papierherstellers Arjowiggins Graphic, hat eine Lösung: „Bei unserer Deinking-Anlage in Château-Thierry, südöstlich von Paris, arbeiten wir mit drei Loops und höherem Energieeintrag. Da haben wir selbst mit 5 % Indigopapier gute Resultate erzielt.“ Die Arjowiggins-Anlage ist auf die Produktion von 200 000 t getrockneter Rohpapiermasse pro Jahr ausgelegt, wofür 250 000 t Altpapier benötigt werden.
Bei Steinbeis Papier werden im Jahr rund 270 000 t Recyclingpapiere produziert, Büro- und Magazinpapiere. „Flüssigtoner und Inkjet-Gedrucktes machen uns noch keine großen Probleme. Doch wenn zu viel Indigo-Verschnitt, also über 2,5 %, eingebracht wird, stört das die gesamte Fabrikation. Und das hatten wir ja einmal“, so Andreas Steenbock vom technischen Marketing bei Steinbeis auf der Ecoprint. Steinbeis deinkt seit Mitte der 70er-Jahre, und betreibt seit 2005 eine Anlage mit zwei Loops für sehr hohe Weißwerte.
UPM zählt mit 4 Mio. t recyceltem Papier zu den weltweit größten Deinkern. Probleme sieht Wilhelm Demharter, Head of Environmental Projects, auch bei „vielen Druckprodukten der neuen Digitaldruckverfahren, die sehr schlecht deinkbar sind, so Flexodruck mit wasserbasierenden Farben“.
„Noch werden 95 % aller Digitaldrucke mit Laserdruckern hergestellt“
Drucktechnisch gibt es zu den Inkjetbasierten Druckverfahren Alternativen, so die Trockentoner. „Noch werden 95 % aller Digitaldrucke mit Laserdruckern hergestellt – nur 5 % mit Inkjets. Doch das beginnt sich zu verschieben, die Tintenspritzer werden populärer und stören die Deinker“, warnt Lode Deprez, Vize-President bei Xeikon, einem Spin-off von Agfa, das Trockentoner-basierte Digitaldruckmaschinen herstellt.
Ein anderes Konzept verfolgt der japanische Digitaldruckhersteller Fujifilm. Vor dem Drucken wird eine klare Lösung, ein Primer, aufs Papier aufgetragen. Die danach aufgebrachte Inkjettinte koaguliert – sie erstarrt zu einem Knödelchen – und ist daher gut deinkbar.
Die neue Druckmaschine CiPress 500 von Xerox arbeitet mit Festtinte auf Wachsbasis und kommt bei einer Druckauflösung von 600 dpi auf eine Druckgeschwindigkeit von 150 m/min. Die erste Maschine in Deutschland steht bei CW Niemeyer Druck in Hameln.
„Die Wachsfarben werden geschmolzen und über eine Trommel aufs Papier gebracht“, so Joachim Glowalla, Geschäftsführer bei CW Niemeyer. „Diese Farben sind bestens deinkbar.“
Sepiax aus Klagenfurt hat mit Ingede ein Forschungsprojekt aufgesetzt und bietet wasserbasierende Harztinten (Sepiax aquares), bei denen die Inkjetpigmentpartikel gewissermaßen mit Hartz beschichtet sind. „Die Tinte wird bereits bei einigen Druckern von Epson eingesetzt, Lösungen für Ricoh, Kyocera und Konica sind geplant“, so SepiaxGeschäftsführer Franz Aigner zu den VDI nachrichten.
Ein Beitrag von: