Digitale Verfahren durchdringen die Drucktechnik
Pulsmesser für die Drucktechnikbranche ist traditionell die Drupa, alle vier Jahre in Düsseldorf. Genau dazwischen, ebenfalls alle vier Jahre platziert sich die Ipex in Birmingham. Gebeutelt von der Weltwirtschaftskrise, zeigt hier nächste Woche die von digitalen Inhalten bedrängte Druckbranche ihre neuesten Technologien und diskutiert Überlebensstrategien.
In diesem Jahr 2010 zeigen zur Ipex (18. bis 25. 5) in Birmingham mehr als 1000 Aussteller auf 100 000 m² ihre Systeme für den digitalen „end-to-end workflow“. Dabei steht das Drucken erst am Ende: fertige Druckerzeugnisse der unterschiedlichsten Formate. Gemeinsames Merkmal ist lediglich die Platzierung von Tinte auf physikalischem Substrat: Papier, Kunststoff oder Textilien. Als greifbares Druckbild, eben nicht als fluide, virtuelle Erscheinung auf elektronischem Display.
Genau da verlaufen die wettbewerblichen Kampflinien zwischen klassischem Druck und elektronischem Display. Dies wird auf der Ipex 2010 in mehreren „Great Print Debates“ diskutiert werden – in der Hoffnung auf beiderseitige vorteilhafte Crossmedia-Strategien.
„Die Druckindustrie braucht mehr Debatten und Diskussionen“, sagt Panel-Chairman Frank Romano vom Rochester Institute of Technology. „Wir müssen die Welt überzeugen, dass ‚Print‘ immer noch eine bedeutsame und nachhaltige Kommunikationsform ist.“ Immer noch, denn die Jugend kommuniziert längst überwiegend online.
Das ist der Punkt, um den sich die Ipex 2010 dreht: die digitale Technologie als Alternative und zugleich als lebensverlängernder Produktivitätsgewinn für den alten Gutenberg-Druck mit Tinte auf physischem Substrat. Da haben sich die Wahrnehmungen verschoben: „Wenn man heute von ‚Print‘ redet, ist es nicht mehr der alte Rollenoffset, sondern der Digitaldruck, der boomt und evolviert“, sagt Andreas Weber, Sprecher des Mainzer Digitaldruck-Forums, einer Brancheninitiative.
Die klassischen Drucktechniken sind so gut wie noch nie – aber die Branche steckt in einer Konsolidierungsphase und sucht nach Optimierungspotenzial in den Bereichen Workflow, Automatisierung und Prozessoptimierung.
Die Frage ist somit, welche Druckprodukte in Zukunft der Markt bevorzugt abfragt. Und welche Produktionstechniken zeit- und kosteneffiziente Ergebnisse liefern. Da ist der Digitaldruck, der sich aus relativ einfachen Bürokopierern entwickelt hat, näher an den derzeit populären sogenannten „Social Media, also der intensiv fluktuierenden Vernetzung der Kommunikationspartner über das Internet.
Das hat den viel beschworenen Strukturwandel der Druck- und Medienindustrien befeuert: mit neuartiger Organisation von vielen kleinen Anbietern und funktionalen Umwidmungen handwerklich geprägter Funktionen und Berufe. Vor allem mit der Einbindung der Abnehmer in den Produktionsvorgang, mit eigenen kreativen und technischen Ressourcen: Selbstbedienung, Print-on-Demand, Individualisierung.
So können die früheren „Konsumenten“ über PC-basierte Print-Portale jetzt selbst ihre Medien gestalten und produzieren. Nur die letzte Stufe, die Druckausgabe, verbleibt den Druckereien. Typische Anwendungen: das Fotobuch für Hobbyfotografen oder Großformatdrucke für Poster und Tapeten.
„Wir haben in Europa 20 Mio. Haushalte, die regelmäßig eigene Fotobücher machen“, sagt Weber. Das ist kein Kleckerkram. Es definiert mit gigantischen Stückzahlen den Markt für Druckerzeugnisse.
Besonders aktiv in diesem Feld ist der iPhone-Anbieter Apple. Er rivalisiert mit seiner iPhoto-Software und eigener Auftragsdruckerei in Kalifornien gegen Umsätze und Gewinne deutscher Großverlage. Marke Eigenbau, ohne komplexe Verlagslogistik.
Im Fachchinesisch heißt das Print-on-Demand, zu deutsch: Drucken nach Bestelleingang – ob Bücher oder Magazine. Die Foto-Finisher haben sich weit vorgeschoben und dominieren das Geschäft mit individuellen Drucksachen. Beispiele: die deutsche Cewe Color oder der französische Konzern CPI bei Paris. CPI druckt jährlich 500 Mio. „Bücher“ – „on demand“.
Insofern ist der aktuelle Digitaldruck keine Drucktechnik, sondern ein Prinzip der Drucksachenherstellung. Das bedingt, als aktuelle Entwicklungsphase, auch eine breite Auffächerung der Techniken. Mittlerweite zählen Experten mehr als 100 verschiedene Verfahren im „End-to-end“-Prinzip des Druckens.
Bei den Druckplattformen steht derzeit Inkjet im Vordergrund. Und zwar in Form des schnellen Tintenstrahl-Rollendrucks. „Das ist günstiger als beim Offsetdruck – weil die Tinte günstiger ist“, weiß Weber. Es laufen bereits Inkjet-Maschinen, die 70 Mio. DIN-A4-Seiten pro Monat drucken.
Die Druckstücke lassen sich individualisieren und serialisieren, also auch während des Betriebs mit variablen Daten ansteuern. Ein Magazin für ältere Leser kann dann auch mal mit etwas größeren Lettern erscheinen. WERNER SCHULZ
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