Effizient, aber noch nicht effizient genug
Die Landwirtschaft steht Prognosen zufolge vor einem Kraftakt: Fast ein Drittel mehr Menschen als heute muss sie 2050 mit Nahrung, Rohstoffen und Energie versorgen. Dabei erschweren Wetterextreme, Wassermangel und die sinkende Nutzfläche pro Kopf die Bedingungen. Forscher kommen zu dem Schluss, dass sich zwar die Erträge steigern ließen – allerdings wüchsen dann auch die Treibhausgasemissionen. Datenvernetzung könnte das Dilemma auflösen.
„Schaffen wir das?“ Ludger Frerichs, Leiter des Instituts für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der TU Braunschweig, hat soeben vor Agrarwissenschaftlern und Ingenieuren der Landtechnikbranche direkte Einflüsse des Klimawandels auf Landwirtschaft und Ernährung dargestellt. Er hat beschrieben, dass die Menschheit momentan 1,5-mal mehr Ressourcen nutzen wird, als die Erde langfristig hergibt. 2050 werden die Menschheit ihren Ressourcenbedarf noch einmal verdoppeln. Nach Prognosen der Vereinten Nationen sowie Landwirtschaftsorganisationen wird die Weltbevölkerung um 30 % wachsen, das Wasser nur noch für 58 % der Menschen reichen und die landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf um ein Fünftel sinken wird.
Die Agrarproduktion muss sich verdoppeln
Die Agrarproduktion müsse sich verdoppeln, um die Menschen zu versorgen. Zugleich aber soll der Agrarsektor seinen Ausstoß an Treibhausgasen in ähnlichem Umfang reduzieren wie die Industrie. Das könnte richtig ungemütlich werden, denn bisher läuft eine Verdopplung der Produktion auf eine Verdopplung des Energieeinsatzes hinaus. Bei dieser Faktenlage ist die Frage „Schaffen wir das?“ kühn. Um sie zu beantworten, hatte Frerichs Mitte März Agrarwissenschaftler und Landtechnikingenieure zu dem Symposium „Energieeffizienz der Landtechnik – Potenziale zur CO2-Reduktion“ eingeladen.
Dass noch Potenziale schlummern, das ist für alle Teilnehmer klar. Beispiel Weizen: Hierzulande liegen die Durchschnittserträge um 8 t/ha, weltweit unter 4 t/ha. Als machbar gelten aber 10 t/ha bis 12 t/ha. Doch Vorsicht ist geboten. Denn bei der Vorbereitung der Böden auf satte Erträge können Emissionen extrem in die Höhe schnellen.
Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der TU München geht diesem Effekt in einem groß angelegten Forschungsprojekt nach. Sein Team untersucht bundesweit Dutzende Pilotbetriebe, die in direkter Nachbarschaft wahlweise ökologischen oder konventionellen Landbau betreiben. Das Ziel: Treibhausgasbilanzen erfassen – über die gesamte Produktionskette hinweg. Methan (CH4) und Lachgas (N2O) fallen dabei weit stärker ins Gewicht als Kohlendioxid (CO2), da sie 25-fach oder gar 298-fach stärker auf das Klima wirken und sich länger in der Atmosphäre halten.
Es wäre zu kurz gedacht, nur den Verbrauch von Traktoren und Landmaschinen zu messen. Die Wissenschaftler analysieren alle betrieblichen Stoffströme von der Futtermittelbeschaffung und Düngemittelproduktion bis zum Endprodukt. Sie erstellen Humusbilanzen, messen im Feldversuch, welche Bodenbearbeitungs- und Düngemethoden welche N2O- und CO2-Emissionen nach sich ziehen – und setzen die Erträge ins Verhältnis zum Energie- und Düngemitteleinsatz.
Zielkonflikt zwischen Ertrag und CO2-Ausstoß
Stück für Stück wird das Bild klarer – trotz vielfältigster Einflüsse von Böden, Witterung, von Ackergrößen oder heterogenen Produktionsabläufen mit und ohne Tierhaltung. Das Projekt macht deutlich, dass Landwirte in einem Zielkonflikt zwischen Ertrags- und energetischer Optimierung stecken, der für den Einzelnen kaum durchschaubar ist. Deshalb soll es regional aufgelöste Optimierungsansätze entwickeln. Laut Hülsbergen gibt es diese sowohl im einzelnen Prozess – etwa höhere Erträge durch gezieltere, knappere Stickstoffgaben – als auch in der Betriebsorganisation. So helfe die Re-Integration von Pflanzenbau und Tierhaltung in vielen Fällen, Treibhausgasbilanzen zu optimieren.
Basis für Empfehlungen ist nicht nur in diesem Projekt die groß angelegte Datensammlung. Diese ist längst ein Leitmotiv der Landtechnik. August Altherr, Leiter des European Technology Innovation Centers des Landtechnikkonzerns John Deere, berichtete, dass seit 2011 alle großen Traktoren des Herstellers weltweit telematisch vernetzt sind. Sie übermitteln der Zentrale anonymisierte Daten, die Erkenntnisse über die realen Betriebsanforderungen liefern. „Wir sehen nun, welche Technik unsere Kunden wirklich brauchen, anstatt uns an internen Fahrversuchen zu orientieren“, so Altherr.
„Big Data wird das Thema der Zukunft“, ist Altherr überzeugt. Kommunizierende Maschinen werden ein klareres Bild der Verbräuche und Emissionen im Ackerbau übermitteln und auf Dauer helfen, Bodenbearbeitungsmethoden, Bearbeitungstiefen und -breiten sowohl mit Blick auf die Erträge als auch auf den Energieeinsatz und auf Lachgasausdünstungen zu optimieren.
Maschinen kommunizieren anonym mit den Herstellern
Datenverarbeitung und -vernetzung gilt Landtechnikern als Schlüssel zu mehr Effizienz. Altherr zeigte Potenziale zur CO2-Reduktion auf, die erst durch IT-Einsatz in Landmaschinen zu heben sind. Hier 8 % weniger Dieselverbrauch durch automatisierte, verbrauchsoptimierte Motorsteuerung, dort 6 % durch elektromagnetisch geschaltete Doppelkupplungsgetriebe, wieder an anderer Stelle 3 % durch elektrifizierte Nebenaggregate. Auch autonome GPS-gesteuerte Lenksysteme, die Äcker ohne Überlappung bearbeiten und gegenüber Menschen überlegene Fahrstrategien ermöglichen, sollen den Diesel- und Düngemitteleinsatz um bis zu 10 % senken.
Effizienzsprünge erwartet Altherr auch durch elektrische, minutiös steuerbare Maschinenantriebe. Nicht zuletzt glaubt er, dass sich Pflanzenöl als Agrarkraftstoff durchsetzen wird. Pro Hektar ließen sich 1200 l Rapsöl und 2 t Rapskuchen ernten, der Futtermittelimporte ersetze. Die softwaregesteuerte Anpassung der Motoren an die Kraftstoffe räume alle technischen Bedenken aus. Ergebnis: 57 % CO2-Minderung gegenüber fossilem Diesel und weitgehend energieautarke Landwirte.
Frerichs treibt an seinem Institut Modellierungen voran, die den Energie-Input landwirtschaftlicher Konzepte greifbar machen sollen. Dutzende Parameter fließen ein, von der räumlichen Verteilung der Felder über die Bodenqualität, Fruchtfolgen bis zur Arbeitsgeschwindigkeit, Maschinenausnutzung und Qualität der Erzeugnisse. Es gilt, die verschiedenen Verfahrensketten in Einzelprozesse zu teilen und für diese jeweils praktikable Alternativen zu bewerten. Das reicht bis hinab zur Größe von gehäckseltem Silomais. Wird er kürzer, gröber gehäckselt, verbraucht der Prozess weniger Energie. Doch wie wirkt er sich auf Milchleistung und Futtermenge aus oder auf die Gärprozesse in Biogasanlagen?
Es geht in jedem einzelnen Prozess darum, den Einsatz von Energie, Emissionen, Zeit oder Geld gegen die Ertragsmenge und -qualität aufzuwiegen, um dann Handlungsempfehlungen abzuleiten. So soll dokumentiert werden, was Landwirte durch veränderte Methoden schon erreicht haben und noch erreichen können. Natürlich muss die großangelegte Simulation in konkreten Versuchen verifiziert werden. Eine Kärrnerarbeit, die helfen soll, die gewaltigen globalen Aufgaben zu lösen.
Denn um 9 Mrd. Menschen mit Nahrung, Rohstoffen und Energie zu versorgen, ohne den Klimawandel weiter zu befeuern, muss die Landwirtschaft sämtliche Effizienzpotentiale heben. Je schneller das gelingt, desto besser.
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