Kläranlage & Medikamentenrückstände 01.06.2012, 11:00 Uhr

EU-Versuchsanlage fischt Arzneimittel aus Klinikabwässern

Wasser: Arzneimittelrückstände in Trink- und Abwasser beunruhigen Verbraucher wie auch Forscher. Bislang gibt es keine eindeutigen Hinweise darüber, wie gefährlich diese Rückstände für den Menschen tatsächlich sind. In Europa sind Schätzungen zufolge mehr als 100 000 chemische Substanzen in Umlauf, davon etwa 3000 Medikamente.

Das Umweltbundesamt (UBA) beziffert die Menge der Rückstände in deutschen Gewässern auf mehrere 100 t/ Jahr. „Eine bessere Überwachung soll helfen, Belastungsschwerpunkte und ökologische Auswirkungen von Medikamenten zu erkennen und die medizinische Versorgung umweltverträglicher zu gestalten“, sagt UBA-Präsident Jochen Flasbarth.

Mit der Problematik befasst sich auch der Wümek-Kongress für Technologien in der Medizin und Energieeffizienz in Kliniken, der vom 11. bis 13. Juni 2012 in Würzburg stattfindet. Unter dem Programmpunkt „Hygiene und Technik“ berichtet die Emschergenossenschaft von ihren Erfahrungen bei der Behandlung von Abwässern aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.

Kläranlage Marienhospital ist PILLS-Vorzeigeprojekt

Der Essener Wasserwirtschaftsverband kann dabei auf praktische Erfahrungen zurückgreifen. 2007 hat die Emschergenossenschaft die Federführung des Kooperationsprojekt PILLS (Pharmaceutical Input and Elimination from Local Sources) übernommen, an dem sechs europäische Partnerinstitutionen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande und der Schweiz beteiligt sind. Es soll im kommenden September abgeschlossen werden, sein Gesamtbudget liegt bei etwa 8 Mio. €.

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Vorzeigeprojekt ist eine Kläranlage, die auf dem Gelände des Marienhospitals in Gelsenkirchen gebaut und im Juli 2011 in Betrieb genommen wurde. „Wir haben den Standort bewusst ausgewählt, da hier Spurenstoffe konzentriert ins Abwasser eingeleitet werden“, sagt Projektleiter Issa Nafo von der Abteilung Strategisches Flussgebietsmanagement bei der Emschergenossenschaft.

Im Marienhospital fallen täglich rund 200 m³ Abwasser an, die bis vor Kurzem noch unbehandelt ins Emscher-System eingeleitet wurden. „Gerade bei Krankenhäusern, wo die Konzentration von Arzneimittelrückständen oder Röntgenkontrastmitteln besonders hoch ist, ist eine Behandlung des Abwassers äußerst effektiv“, erläutert Frank Netz, technischer Leiter der Klinik. Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind zwar kaum erforscht, dennoch sei es wichtig, die Belastung des Abwassers möglichst gering zu halten, so Netz.

Kläranlage testet verschiedene Verfahren  

Die Kläranlage besitzt sowohl eine mechanische als auch eine biologische und chemisch-physikalische Klärung. Zu den verschiedenen Stufen gehören Membranfiltration, Ozonung, Aktivkohleadsorption mit abschließender Sandfiltration. Die verschiedenen Verfahren werden in der jetzt laufenden Testphase miteinander kombiniert, um am Ende die beste Lösung herauszufinden. „Insgesamt gibt es zehn unterschiedliche Kombinationen“, erklärt Carsten Bräuer, bei der Emschergenossenschaft für den Anlagenbetrieb vor Ort zuständig.

Die letzten Untersuchungen sollen bis Juli abgeschlossen werden. „Welche Betriebsmethode sich letztlich durchsetzt, hängt vom Gesamtpaket ab“, sagt Nafo. Neben der Reinheit des Wassers spielen dabei Material- und Energiekosten, Zeit und auch der Personalaufwand ein wichtige Rolle. „Die Ozonierung etwa ist besonders energieintensiv“, weiß der Projektleiter. Vor dem Hintergrund zunehmender Umweltbelastungen und steigender Energiepreise ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor, der in die Bewertung mit einfließt.

Das Abwasser wird zunächst von organischen Stoffen befreit. „Bereits nach dieser Stufe ist das geklärte Abwasser durch die Membranfiltration mit der Qualität eines Badegewässers vergleichbar“, erklärt Nafo. Anschließend wird es mit Ozon behandelt. Optional kann in einer dritten Phase eine sogenannte Aktivkohlefiltration erfolgen. Mit einem Sandfilter werden die zugeführten Pulverkohlepartikel und damit auch die Spurenstoffe in der PILLS-Kläranlage zurückgehalten, während das nun saubere Wasser erst in den Schwarzbach und dann später in die Emscher fließen kann.

Aber auch über den Umgang mit dem hochwertig geklärten Abwasser müsse in Zeiten steigender Kosten nachgedacht werden, etwa dieses Wasser zu recyceln. „In den Krankenhäusern gibt es genügend Anwendungsgebiete, wenn dies zulässig wäre“, so Nafo. Hierzu wäre jedoch die Wirtschaftlichkeit zu prüfen.

Medikamente gelangen nur zu geringem Teil aus Kliniken ins Abwasser

Wer glaubt, Krankenhäuser seien für den Großteil der Medikamentenrückstände verantwortlich, der irrt. „Nur ein geringer Anteil geht auf Kosten der Kliniken, der Rest wird zu Hause ausgeschieden“, sagt Frank Netz vom Marienhospital. Die Belastung für die kommunalen Abwassersysteme kann also nur zum Teil verringert werden. „Örtlich kann ein Krankenhaus jedoch ein Hotspot darstellen, dann macht es Sinn, die Einträge dort vor Vermischung mit Haushaltsabwässer zu reduzieren“, ergänzt Nafo.

Die Erkenntnisse aus der Pilotanlage Gelsenkirchen sollen auch für andere Anlagen genutzt werden. Medikamentenreste, Industriechemikalien und jede Menge schwer zu entdeckende Gifte wie etwa Kokain belasten zunehmend auch die Abwasseraufbereitung in Megacities. So hat etwa die Stadt New York zuletzt mehr als 3 Mio. $ in zwei Projekte zur Aufbereitung von Trinkwasser und Behandlung von Abwasser gesteckt. Ziel ist auch hier, Rückstände aus Medikamenten und synthetischen Drogen zu minimieren und den menschlichen Organismus zu schonen.

 

Ein Beitrag von:

  • Holger Pauler

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