Fraunhofer-Forscher retten Obstbäume durch künstliche Intelligenz
Wie lässt sich die Expertise erfahrener Landwirte mit modernen Analyse-Verfahren kombinieren? Fraunhofer-Forscher haben dafür einen Weg gefunden. Er soll dabei helfen, typische Krankheiten von Äpfel- und Birnenbäumen rechtzeitig zu erkennen.
Egal, was der Kalender sagt, für Biologen beginnt der Frühling mit der Blüte der Apfelbäume. Dabei sind die blühenden Bäume nicht nur ein schöner Anblick, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – kein Obst kommt bei den Deutschen so häufig auf den Tisch. In ganz Europa lag die Ernte im Jahr 2018 bei 13,8 Millionen Tonnen. Für die Obstbauern ist es daher fatal, wenn ihre Plantagen von Krankheiten heimgesucht werden und die Erträge ausbleiben. Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg haben jetzt gemeinsam mit Partnern einen Weg gefunden, um eine der wichtigsten Krankheiten zu erkennen, bevor größere Schäden entstehen. Auch Birnenbäume können mit dem Verfahren begutachtet werden.
Bakterienbefall muss früh festgestellt werden
Trotz der fortschreitenden Digitalisierung in der Landwirtschaft kämpfen die Bauern mit einigen Problemen, die auch schon den Generationen vor ihnen zu schaffen machten. Dazu gehören die sogenannten Phytoplasmen. Dabei handelt es sich um zellwandlose Bakterien, die unter anderem von Insekten übertragen werden und dann als Parasiten im Baum heranwachsen. Dort besiedeln sie vor allem die Siebröhren. Ist ein Baum befallen, kann er auch die benachbarten Bäume infizieren. Denn gerade auf älteren Plantagen sind die Wurzeln der Bäume häufig miteinander verwachsen.
Für die Bauern ist das ein großes Problem, denn die Krankheiten Apfeltriebsucht und Birnenverfall, die durch Phytoplasmen ausgelöst werden, lassen die Erträge zusammenbrechen. Zudem ist es nicht möglich, die Bakterien direkt zu bekämpfen. Die befallenen Bäume müssen schnell gefällt und entfernt werden, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Hier tritt das nächste Problem zutage: Die Symptome eines Befalls machen sich meistens erst spät bemerkbar, und genau das wollen die Forscher ändern.
Bisherige Methoden sind teuer oder liefern erst spät Ergebnisse
Bisher gab es zwei Wege, um diese Obstbaum-Krankheiten festzustellen. Auf der einen Seite kann eine molekulare Analyse (Polymerase-Kettenreaktion: PCR) die Bakterien sicher nachweisen. Die ist jedoch teuer, also nicht unbedingt dafür geeignet, regelmäßig und großflächig durchgeführt zu werden. Auf der anderen Seite setzen Landwirte auf speziell geschulte Fachleute, die alle Bäume einzeln begutachten. Bei dieser sogenannten Bonitur suchen sie nach Symptomen wie vergrößerten Nebenblättern, buschigen Verwachsungen (Hexenbesen) und einer verfrühten Rotfärbung der Blätter im Herbst, die durch Chlorophyllabbau entsteht. Das gilt allerdings nur für die Apfeltriebsucht, bei Birnenbäumen tritt höchstens die vorzeitige Rotfärbung auf. In jedem Fall ist die Erkrankung beim Auftreten der Symptome bereits weit fortgeschritten und ein Befall weiterer Bäume ist wahrscheinlich.
Ansatz des Fraunhofer-Teams war es daher, die Veränderungen im Chlorophyll-Status bereits im Sommer zu erkennen, also eine Methode zur Früherkennung zu entwickeln. Dafür haben sich die Wissenschaftler am Fraunhofer IFF zusammengetan mit dem Institut für Pflanzenforschung AlPlanta aus Neustadt an der Weinstraße und der Firma Spatial Business Integration GmbH aus Darmstadt.
Drohnen tragen Hyperspektralkameras über die Plantagen
Grundlage ihres Verfahrens ist eine Fernerkundung aus der Luft, die über eine sogenannte Hyperspektralanalyse erfolgt. „Bei diesem Verfahren wird Licht in Wellenlängen zerlegt. Weist eine Pflanze bei einer Blattprobe im Labor Symptome auf, so zeigt sich dies in bestimmten Wellenlängenbereichen deutlicher und früher als allein im sichtbaren Bereich. Bei einer kranken Pflanze wird mehr rotes als grünes oder blaues Licht reflektiert“, erklärt Uwe Knauer, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF und Experte für maschinelles Lernen sowie der Analyse von Spektraldaten. Eine anschließende Laboranalyse habe diese Annahme bestätigt.
Für den Erkundungsflug setzen die Forscher eine Drohne ein, die mit der Hyperspektralkamera über die Plantage fliegt. Die Kamera ist wiederum mit einem Rechner verbunden, der die Messdaten an einen Server überträgt, inklusive geografischer Angaben, um Auffälligkeiten später problemlos lokalisieren zu können.
Parallel haben die Wissenschaftler mit satellitengestützten Multispektralaufnahmen gearbeitet. Auch dieser Ansatz habe sich als erfolgreich herausgestellt. Er hat den Vorteil, dass sich auf diese Weise größere Flächen schneller untersuchen lassen.
Künstliche Intelligenz analysiert die Daten
Für die Landwirte ist der Aspekt der Datenanalyse besonders spannend. Denn die Forscher haben Verfahren des maschinellen Lernens eingesetzt, um das Erkennen der Krankheiten zu ermöglichen. Dafür trainierten sie neuronale Netze mit verschiedenen statistischen Modellen und fütterten sie zusätzlich mit Informationen aus der visuellen Bonitur und der molekularen Analyse. So konnten sie die Erfahrung der Landwirte und aus den Laboranalysen mit einbinden.
Im Herbst stehen weitere Feldmessungen und Testflüge an, um das Verfahren zu verbessern. Die Forscher hoffen, im Jahr 2022 eine funktionierende Analysemethode an die Bauern übergeben zu können. Die hätten dann die Möglichkeit, kranke Bäume aus der Plantage zu entfernen, bevor die Schäden zu groß werden.
Hier werden ebenfalls Sensoren eingesetzt:
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