Getränke- und Lebensmittel-Produktion braucht Hygiene-Standards
In Getränke- und Lebensmittelproduktion besteht ein erhöhtes Risiko der Kontamination. Deshalb sollten schon bei der Planung von Produktionsanlagen die hygienegerechten Standards berücksichtigt werden. Auch auf der Anuga FoodTec, vom 27. bis 30. März in Köln, ist das ein Thema.
„Der zeitliche und finanzielle Aufwand der Reinigung ist heute immer noch viel zu hoch. Besonders im Hinblick auf die Nachhaltigkeit wird das Thema Reinigung die Industrie noch verändern – nicht nur die Getränke- und Lebensmittelproduktion“, sagt Jürgen Hofmann, Geschäftsführer bei Hygienic Design Weihenstephan. Schon bei der Planung und Konstruktion der Anlagen müsse man bestimmte Kriterien der Reinigbarkeit beachten.
So müssen alle aseptischen Bauteile gut sterilisierbar oder pasteurisierbar sein und das Eindringen von Mikroorganismen verhindern. Dazu sind beispielsweise alle Hohlräume und Spalten, in denen sich Rückstände festsetzen können, konstruktiv zu vermeiden und korrosionsbeständige Werkstoffe sowie bündige und hygienisch einwandfreie Passungen zu verwenden.
VDI-Richtlinie 4066: Hygiene-Anleitung für die Getränke- und Lebensmittel-Produktion
Eine Hilfestellung gibt hier die neue VDI-Richtlinie 4066 „Hygienische Anforderungen an die Herstellung und aseptische Abfüllung von Getränken; Grundlagen und Auslegungskriterien“. Sie ist als Handlungsanleitung zur Planung, Errichtung, Abnahme und zum Betrieb von Anlagen zur hygienegerechten Verarbeitung und aseptischen Abfüllung mikrobiologisch sensibler Getränke gedacht, die ohne Konservierungsmittel und Kaltentkeimungsmittel sowie ohne Maßnahmen zur Keiminaktivierung der Verpackungseinheiten hergestellt werden.
Zwar sind in den aus der Maschinenrichtlinie abgeleiteten Normen DIN EN 1672–2:2009 Beispiele für Hygienerisiken und Empfehlungen vorgegeben, aber die Hersteller müssen dazu eine Risikoanalyse durchführen und die Übereinstimmung mit den Hygieneanforderungen verifizieren und dokumentieren. Keine leichte Aufgabe, besonders weil die Identifizierung der mikrobiologischen Gefährdungen sowie die Auswahl lebensmitteltauglicher Werkstoffe schwierig ist.
Hilfestellung gibt es dazu bei der European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG), bei der man seine Anlagenkomponenten und Bauteile freiwillig zertifizieren lassen kann. Für Bauteile, die mit Flüssigkeiten in Berührung kommen, gilt der Zertifikatstyp EL (Equipment for Liquid Use). Vor zwei Jahren kam das Zertifikat EL Aseptic hinzu. Es bescheinigt, dass das Bauteil für den Einsatz in einem aseptischen Prozess geeignet ist. Voraussetzung dafür ist die CIP-Reinigbarkeit der Komponenten, die im Rahmen des Zertifikats EL Class I nachgewiesen wird.
Ebenso wird noch die Sterilisierbarkeit gemäß Dokument Nr. 5 und die Bakterien-Durchdringungsfestigkeit nach Dokument 7 getestet. Nur wenn alle drei Tests positiv durchlaufen werden, bekommt das Bauteil das Zertifikat EL Aseptic.
Die EHEDG bietet mit der Zertifizierung den Nachweis an, dass die Komponenten den Stand der Technik einhalten und speziell hinsichtlich Reinigbarkeit oder auch für den Einsatz in aseptischen Prozessen besonders geeignet sind. Ein Anlagenbauer, der zertifizierte Komponenten einsetzt, kann ruhigen Gewissens die Konformitätserklärung gemäß CE-Zeichen unterschreiben, da die Anforderungen hinsichtlich Hygienic Design eingehalten werden.
EHEDG-Zertifizierung für die hygienegerechte Produktion immer populärer
Die EHEDG-Zertifizierung wird immer populärer. „Wir verzeichnen einen stetigen Anstieg in der Auftragslage“, erklärt Hofmann, der auch Leiter der Arbeitsgruppe „Principles“ bei der EHEDG ist. „Nachdem wir am Anfang hauptsächlich Rohrleitungskomponenten, wie Sensoren, Ventile und Pumpen getestet und zertifiziert haben, kommen heute immer mehr komplexe Bauteile wie Schleusen und Weichen für die pneumatische Förderung ins Testcenter.“
Die Arbeitsgruppen im Cluster Principles beschäftigen sich mit den essentiellen Anforderungen im Hinblick auf Hygienic Design: Neben Werkstoffauswahl ist die reinigungsgerechte Konstruktion von Bauteilen entscheidend. Sehr wichtig sind auch die Fragen rund um die Installation der Technik. Wie bindet man die Sensorik an die Anlagen und Maschinen an? Entstehen hierbei Probleme in der Zugänglichkeit für die Reinigung?
„Hersteller finden in den verschiedenen Veröffentlichungen der EHEDG die notwendigen Konstruktionsdetails zur Einhaltung des Standes der Technik. In vielen Seminaren werden die Inhalte dieser Guidelines vermittelt“, so Hofmann. Inzwischen hat der letzte Ehec-Skandal in der Gemüseverarbeitung gezeigt, dass auch das Hygienic Design außerhalb geschlossener Rohrleitungen in der Milch- und Getränkeindustrie wichtig ist. „Die EHEDG reagiert auf diesen Sachverhalt und entwickelt im Moment eine neue Guideline für offene Prozesse“, so Hofmann.
Mitglied der Gruppe ist seit zwei Jahren die Hengesbach Prozessmesstechnik. „Uns ist es besonders wichtig, auch auf europäischer Ebene aktiv an der Weiterentwicklung technischer Richtlinien und Standards in Form der EHEDG-Guidelines mitzuwirken“, sagt Geschäftsführerin Gabriele Hengesbach.
Im Januar 2011 untersuchte das Weihenstephaner Forschungszentrum von Hengesbach das modulare Anschlusssystem PZM mit Elastomerabdichtung auf die Kriterien des EHEDG-Zertifikat EL Aseptic. Im Gutachten wurde bestätigt, dass alle produktberührenden Oberflächen in-line-dampfsterilisierbar sind und keine kalten Stellen vorliegen.
Produktzertifikat EHEDG Type EL Aseptic bisher das einzige im Bereich der Messtechnik
Das Anschlusssystem PZM wird inzwischen in einer ganzen Palette von Druck-, Füllstands-, und Temperaturmessgeräten in Hygienic Design eingebaut und mit entsprechenden Nachweisen angeboten. „Das Produktzertifikat EHEDG Type EL Aseptic ist meines Wissens bisher das einzige im Bereich der Messtechnik“, erklärt Hengesbach.
Auch Danfoss setzt auf den Standard. Laut Unternehmensangaben sei das VLT FlexConcept die derzeit einzige Lösung im Markt, die speziell für hygienekritische Anlagenteile EHEDG-zertifizierte Komponenten im Bereich Motortechnik und Drehzahlregelung zur Installation direkt in der Anlage bereitstellt. Der VLT OneGearDrive sei zudem für den direkten Einsatz im Reinraum vom Fraunhofer IPA in Stuttgart zertifiziert.
Alle Komponenten, die für die Installation direkt in der Anlage vorgesehen sind, haben dazu glatte, hydrophobe Oberflächen, sind in Schutzart IP67 und IP 69K /NEMA 4x ausgeführt und gegen säure- oder laugenhaltige Reinigungsmittel als auch gegen Desinfektionsmittel beständig. Schräg angeordnete Kühlrippen am dezentralen Frequenzumrichter VLT FCD 302 und eine Speziallackierung mit einer Beständigkeit von pH 2 bis pH 12 sorgen laut Danfoss für eine gut zu reinigende Oberfläche ohne Schmutznester.
Auch Motor und Getriebe haben ein besonderes Design. „Unsere Motoren verzichten auf Lüfter, die schwebende Keime und Schmutzpartikel ansaugen und wieder an die Umgebungsluft abgeben können“, sagt Friedrich Kelnhofer, Global Manager OGD bei Danfoss VLT. „Dies verringert deutlich die Möglichkeit der Aerosolbildung und damit eine Kontamination von Produkten oder Komponenten an der Produktionsanlage. Somit kann dieser Antrieb in allen Bereichen im Nassteil eingesetzt werden. Derzeit ist der VLT OneGearDrive der einzig verfügbare Antrieb, der neben der IPA- auch die EHEDG-Zertifizierung bekommen hat“, so Kelnhofer.
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