Metallverarbeitung 03.09.2010, 19:48 Uhr

„Im Mittelstand können wir Seismograph sein“

Stricknadeln, Druckknöpfe, Kontaktelemente für Handytastaturen und Antiblockiersysteme – das Familienunternehmen Prym hält eine breite Produktpalette für sehr verschiedene Branchen parat. Für Firmenchef Andreas Engelhardt sind Rohstoffe und deren Einsatz, aber auch Schnelligkeit im Prozess und im Markt die Themen der Zukunft.

„Jeder hat dieses Produkt schon mindestens einmal in der Hand gehabt“, sagt Andreas Engelhardt stolz und zieht einen winzigen Druckknopf aus seinem Portemonnaie, den er wie einen Talisman bei sich trägt. „Was ich so toll finde, ist, dass durch Innovation aus diesem genialen Knopf bei Prym bis heute ganz viele Nischenprodukte entstanden sind, die das Leben für den Verbraucher leichter machen.“ Man spürt sofort, dass der 50-Jährige einer ist, der die Dinge mit Leidenschaft tut. Seit 2005 steht er als Vorsitzender der Geschäftsführung an der Spitze der Prym Gruppe, des ältesten deutschen Industrieunternehmens in Familienbesitz, und ist dabei der Erste, der ein komplett familienfremdes Management führt.

Mit 3600 Mitarbeitern in drei sehr verschiedenen Divisionen entwickelt und produziert die Prym Gruppe hochwertige Kleinstprodukte – vom Nähartikel bis zum elektromechanischen Bauteil –, deren Klammer der Werkstoff Metall ist. „Wir wollen, dass jede Division die Nase vorn hat und in ihrem Marktsegment unter den Marktführern ist“, sagt Engelhardt. „Innovation ist deshalb für uns sehr wichtig.“

Engelhardt hat schon zuvor wichtige Stationen seiner Karriere in Familienunternehmen absolviert. Erste Geschäftsführungsaufgaben absolvierte er beim damaligen Automobilzulieferer Devalit in Wuppertal, später folgten Geschäftsführungsaufgaben für die Automotive- und die Bautechniksparte in der Illbruck Gruppe. Kein Wunder also, dass er „Mittelständler aus Überzeugung“ ist. Mit der Prym Gruppe wolle er groß genug sein, um global mitzumischen, aber klein genug, um schnell und flexibel zu bleiben. „Im Mittelstand können wir Seismograph sein für das, was beim Kunden im Markt passiert und dafür sorgen, dass es bei uns im Hause aufgenommen und umgesetzt wird.“

Der agile Manager, der auch schon mal 30 Hagebau-Märkte unter seinen Fittichen hatte, ist ein Macher und gern „nah dran“: an den Kunden, den Märkten, den Mitarbeitern und den Produkten. „Ich bin einer, der Informationen aufsaugt. Ich scanne, ich habe einen angeborenen 360° Winkel.“ In dreißig Jahren Handels- und Produktionsgeschäft habe er viel gesehen und gelernt: „Das ist mein Reservoir, aus dem ich kreative Impulse fürs Unternehmen schöpfe.“

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Bei Prym könne er auf eine gewachsene Firmenkultur setzen, die durch Einsatzbereitschaft, Know-how, und Loyalität geprägt sei. Zwar gebe es ein institutionalisiertes Vorschlagswesen und ein Prämiensystem für gute Einfälle der Mitarbeiter, aber „alle, die bei uns in der Entwicklung und im Produktmanagement arbeiten, haben so eine Art Sportsgeist und sagen: Mensch, da müssen wir eigentlich noch eine Schippe drauflegen. Das ist eine Grundeinstellung, für die man keine Instrumente installieren muss.“ Mit flachen Hierarchien und dem persönlichen Kontakt sorge er dafür, dass „besonders gute und pfiffige Ideen“ schnell auf seinem Schreibtisch landen. „Ich bin dann der Gaspedaltreter und sorge dafür, dass Innovationen schnell umgesetzt werden können.“

Dieser Tage freut sich Engelhardt gerade, dass eine neue ergonomische Produktlinie von Prym Consumer mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet wurde, weil sie das Handling von Nähwerkzeugen, z. B. von Stoffschneidern und Fadentrennern, vereinfacht. Der Kurzwarensparte mit ihren rund 1500 Mitarbeitern habe auch die Wirtschaftskrise nichts anhaben können. Im Gegenteil: „Viele Menschen, die sich in dem Cocooning genannten Trend ins traute Heim zurückzogen, kauften Nähzeug von Prym, um ihre Kleidung durch Applikationen und eigene Handarbeit aufzuwerten“, erklärt Engelhardt.

Sicherheitund Langlebigkeit der Produkte, beständige Oberflächen, schadstofffreie Materialien, innovatives Design sind die großen Themen der rund 1400 Mitarbeiter der Fashion-Sparte. „Wir sind Vorreiter bei Knöpfen mit nickelfreien Oberflächen und verwenden kadmium- und bleifreie Lacke und gesundheitsverträgliche Farben“, erzählt Engelhardt. Selbst der Druckknopf erweise sich immer wieder als innovationsfähig. Prym habe eine Feder aus Kunststoff entwickelt, die z. B. Druckknöpfen in Arbeitsbekleidung noch mehr Stabilität verleihe und die Schließfunktionalität auch bei äußerer Verformung des Knopfes erhalte.

Weil Druck- und Jeansknöpfe auch ein Modethema sind, arbeite die Fashion-Sparte mit Trendscouts in New York, London and Paris zusammen. Sie sind die Newslieferanten für die Designer, die jedes Jahr vier Knopf-Kollektionen für Prym entwerfen. Innovation bei Prym sei generell stark kundengetrieben, erklärt Engelhardt. „Wir bekommen da jeden Tag viele Themen auf den Tisch.“

Die Elektroniksparte Inovan mit ihren rund 700 Mitarbeitern gehört seit den 90er-Jahren zur Prym Gruppe und bündelt als technologisch anspruchsvollste Sparte das Know-how der Gruppe. Inovan fertigt mikrofeine Stanzteile aus Metall, die vor allem im Niederspannungsbereich zum Einsatz kommen.

Wer z. B. den An-/Ausschalter an seinem Handy betätigt, drücke dabei nicht selten auf eine Schnappscheibe von Inovan. Die Schnappscheibe ist ein federndes Kontaktelement unter der Schalttaste, das den Schaltprozess auslöst und dem Anwender eine taktile Rückmeldung gibt. Prym fertigt Schnappscheiben aus Edelstahl mit galvanisch veredelter Oberfläche, die bei einem Durchmesser von 6 mm noch bis zu 10 Mio. Schaltvorgänge überstehen müssen. „Unsere Komponenten finden sich in fast 60 % der Kommunikationstechnik, z. B. in Nokia-Handys und in Cherry-Tastaturen“, verrät Engelhardt stolz.

In der Automobilindustrie kommen Kontakte und Schaltungen von Inovan z. B. in Antiblockiersystemen, Start-Stopp-Automatiken und Beleuchtungsanlagen zum Einsatz. „In den Einspritzanlagen im Motorraum bringen wir auf sehr kleiner Fläche unser Oberflächen-Know-how ein“, erklärt Engelhardt.

Am Markt habe Prym einen entscheidenden Vorteil: „Wir sind eine der wenigen Firmen, die vom Rohstoffprozess über das Veredeln, das Stanzen, den Verbund von Metall und Kunststoff und das Zusammenmontieren alles in einem Haus machen können. Viele Mitbewerber machen nur Teilprozesse und kaufen selbst bei uns ein.“

Innovationsbedarfim Elektronikbereich sieht Engelhardt vor allem beim Thema Rohstoffe: „Edelmetalle werden immer teurer, deshalb müssen wir sie möglichst sparsam einsetzen und auch für Alternativen und neue Legierungen sorgen.“ Zum Beispiel in der Verbindungstechnik: Inovan fertigt Stanzgitter aus Bronze, die als elektrische Leiterbahnen in Hybrid-Baugruppen aus Metall- und Kunststoff zum Einsatz kommen.

Durch Beschichtung der Metallgitter z. B. mit Gold wird eine hochleitfähige Bondoberfläche aufgelegt, an der durch Reibschweißen (Bonden) später dünne Drähte zur Signalweiterleitung angesetzt werden. „Früher haben wir Stanzteile auf breiter Fläche mit Gold veredelt“, erklärt Engelhardt. „Heute können wir punktgenau da veredeln, wo wir eine Kontaktstelle brauchen.“ Inovan sei mit dieser sogenannten „Spot-Veredelung“ Marktführer.

Und es gehe noch besser: „Zusammen mit einem großen Systemlieferanten aus dem Automotive-Bereich haben wir gerade ein Nanoschichtsystem zur Herstellung von bondbaren Oberflächen entwickelt.“ Der Clou daran sei der Einsatz von Palladium. „Durch den Einsatz einer Schicht von 50 nm Palladium brauchen wir nur noch eine sehr dünne Goldschicht von 5 nm. Dieses System erlaubt Edelmetalleinsparungen bis zu 70 %.“

Als Engelhard 2005 ins Unternehmen kam, stand Prym vor großen Herausforderungen. Die EU hatte gerade in einem Kartellrechtsverfahren ein Bußgeld im zweistelligen Millionenbereich gegen Prym für Vergehen aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren verhängt. Der Vorwurf: Preisabsprachen mit Konkurrenten. Fertigungs- und Logistikprozesse waren nicht mehr wettbewerbsfähig.

„Wir haben allein 8500 Produkte im Kurzwarenbereich und etwa 4500 bis 5000 Produkte in der Fashionsparte, die wir weltweit ständig greifbar haben müssen“, rechnet Engelhardt vor. „Jede Woche kommen 20 bis 40 neue Produkte dazu.“ Wer am Markt konkurrenzfähig bleiben wolle, müsse immer schneller werden. Deshalb seien Produktionsprozesse vereinfacht und zusammengelegt, präzise Planungssysteme eingeführt und Lieferzeiten halbiert worden. „Die Idee des Designers für ein Accessoire kann heute in nur drei Wochen bis zur Serienreife umgesetzt werden, damit der Kunde ohne Lagerware auskommt.“

Am Stammsitz der Prym Gruppe in Stolberg arbeiten heute 700 der 3600 Mitarbeiter. Hier sind alle drei Divisionen mit Teilen von Geschäftsführung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb angesiedelt. Inovan beschäftigt zudem rund 450 Mitarbeiter „in der Goldstadt Pforzheim“. Gefertigt wird bei Prym längst weltweit. „Wir müssen mit unseren Druckknöpfen da sein, wo unsere Kunden produzieren, in Nordafrika, in der Türkei, in China oder Sri Lanka.“ Engelhardt ist überzeugt, dass Standortsicherung und Innovation heute Hand in Hand gehen. „Wir kämpfen jeden Tag darum, darzustellen, wie wir Prozesse verbessern können, welche Technologien wir brauchen, welches Know-how von Ingenieuren in Deutschland wir pushen müssen, damit wir hier immer eine Nase vorn sind.“

Rund 10 % bis 15 % der Mitarbeiter bei Prym sind Ingenieure und Techniker. „Mit unseren rund 100 Auszubildenden liegen wir über dem Bundesdurchschnitt“, sagt Engelhardt zufrieden. Das Engagement zahle sich aus: „Wir merken jetzt beim Fachkräftemangel, dass wir auf unsere selbst ausgebildeten Kräfte zurückgreifen können.“

Die Krise bescherte Prym im vergangenen Jahr Umsatzeinbußen von 50 Mio. €. Der Automobilbereich, aber auch die Fashion-Sparte seien eingebrochen. Durch die Möglichkeit der Kurzarbeit habe man Entlassungen weitgehend vermeiden können. „Eine der besten Entscheidungen, die die Politik treffen konnte“, urteilt der Manager, der selbst fünf Jahre lang nebenberuflich als Abgeordneter der CDU im NRW-Landtag saß.

Die Auftragslage habe sich mittlerweile in allen Bereichen wieder stabilisiert. Engelhardt ist sich ganz sicher: „Familienunternehmen wie Prym sind heute deshalb noch da, weil sie auch in schwierigen Zeiten mit einer echten Seele durch die Krise gehen.“ Und er attestiert: „Es ist eine tolle Aufgabe, das älteste deutsche Unternehmen weiterzuentwickeln und weiter nach vorne zu bringen, ohne seine Seele zu verändern.“ HEIKE FREIMANN

Ein Beitrag von:

  • Heike Freimann

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