In der Übungsfabrik dürfen Teilnehmer noch durch Fehler lernen
Kaum jemand würde in laufenden Produktionsprozessen einfach einmal etwas anderes ausprobieren. In der Prozesslernfabrik CiP an der TU Darmstadt sind Planungsfehler dagegen zunächst sogar erwünscht. Sie helfen den Teilnehmern ein Gespür für Verschwendung zu entwickeln und liefern Ansätze zur Prozessverbesserung.
Die Laufwege in der Übungsfabrik ähneln zunächst dem Nudelgewirr auf einem Spaghettiteller. Die Übungsleiter am Center für industrielle Produktion (CiP)in Darmstadt nennen die daraus entstehenden Aufzeichnungen daher Spaghettidiagramme. Von einer Empore aus können Schulungsteilnehmer sich selbst einen Eindruck von dem Geschehen auf der etwa 500 m2 großen Fabrikfläche machen. „Natürlich stellen wir die Werkstücke an den Maschinen und die Montagearbeitsplätze zunächst bewusst ungünstig auf“, erklärte Übungsleiter Manuel Wolff gegenüber den VDI nachrichten.
Schritt für Schritt werden innerhalb eines Trainingsmoduls Methoden des „Lean Manufacturing“ vermittelt und nach und nach auf die Übungsfabrik am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der TU Darmstadt übertragen. Mit Zwischenschritten wird das Gewirr schließlich in strukturierte und effiziente Prozesse überführt. Dadurch unterscheide sich das Konzept von anderen Schulungen und Seminaren zum Lean Management.
Der Gründungsvater des CiP und Leiter des PTW, Prof. Eberhard Abele, beschreibt das Konzept so: „Aus der Gedächtnisforschung wissen wir, das der Mensch nur 10 % von dem behält, was er liest, aber 90 % von dem, was er tut.“ 2007 habe ihn diese Tatsache dazu bewogen, zusammen mit McKinsey & Company sowie Partnern aus der Industrie eine Übungsumgebung aufzubauen, in der das Erlernte direkt ausprobiert werden kann. „Es war uns wichtig, echte Prozesse mit echten Maschinen abzubilden“, erklärte Abele.
In der Halle befinden sich daher eine leistungsfähige CNC-Fräsmaschine, eine CNC-Drehmaschine sowie einige modular aufgebaute Montageinseln. An ihnen werden zu Trainingszwecken Komponenten für Getriebemotoren und Pneumatikzylinder hergestellt und montiert. „Die Kompaktzylinder stehen dabei stellvertretend für Massenprodukte mit geringer Variantenvielfalt, während die Getriebemotoren Standardprodukte mit hoher Variantenvielfalt sind“, verdeutlichte Abele. Nach der Übung würden diese aber demontiert und wiederverwertet.
Genutzt wird das CiP von Studenten, Mitarbeitern der Industriepartner sowie von Produktionsverantwortlichen aus mittelständischen Unternehmen. „Die Partnerschaft bietet Unternehmen eine gute Möglichkeit, mit der Hochschule zu kooperieren“, stellte Abele fest. Für einen jährlichen Fixbetrag stünden den Partnern dann 40 Schulungstage zu, um das komplette Curriculum zu absolvieren. Zudem erhielten sie Kontakt zu Studenten und könnten Werbung für ihr Unternehmen machen.
Kenntnisse über zerspanende Fertigungstechniken und Wissen aus dem Management gehören für Abele dabei untrennbar zusammen. „Wenn sie diese Kenntnisse als Ingenieur oder Betriebsleiter nicht haben, dann können sie sich nicht einmal richtig mit einem Kaufmann verständigen“, erklärte der PTW-Leiter. Dabei beinhalteten die durch das Toyota-Produktionssystem bekannten Managementmethoden zutiefst deutsche Tugenden. „Wir unterrichten beispielsweise die 5-S-Methode die für Sortieren, Systematisieren, Säubern, Standardisieren und Selbstdisziplin steht“, verdeutlichte Abele.
Niels Eichhorn, Teamleiter am CiP, ergänzte: „Manche Unternehmen bezeichnen das abfällig als ,schöner Wohnen‘. Wir können aber mit unserem Demonstrator den Nutzen dieser Methode sichtbar machen.“
An unterschiedlichen Stellen der Lernfabrik gibt es solche Demonstratoren. Abele dazu: „Wir haben verschiedene solcher Inseln, an denen Methodenwissen didaktisch aufbereitet und anhand von konkreten Beispielen vermittelt wird.“ Demonstriert werden beispielsweise das Push- und Pull-Prinzip in der Fertigungslogistik, rüstoptimale Spannmittel für Werkstücke sowie die Visualisierung und Besprechung von Kennzahlen auf dem Shopfloor.
Inzwischen haben auch andere Hochschulen ähnliche Lernfabriken aufgebaut. Eines der jüngsten Beispiele ist die Lernfabrik für Energieproduktivität (LEP), die von McKinsey und der TU München Ende 2009 eröffnet wurde.
CiP-Gründer Abele hat damit keine Probleme: „Auf europäischer Ebene tauschen wir uns aus und ergänzen uns durch unterschiedliche Schwerpunkte.“ Die Verbesserung der Wissensvermittlung im Produktionsmanagement hält Abele dabei für unerlässlich: „Methodenkompetenz ist für unsere Firmen ein direkter Wettbewerbsvorteil gegenüber chinesischen Produktionsunternehmen.“
Selbst die Übungsleiter an der Darmstädter Lernfabrik lernen kontinuierlich dazu. CiP-Teamleiter Eichhorn berichtete: „Wir werden von den Teilnehmern regelmäßig mit neuen Anforderungen aus der Praxis konfrontiert und müssen dabei unsere Methoden kontinuierlich hinterfragen.“ MARTIN CIUPEK
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