Kann Wasserstoff im Hochofen die Emissionen nachhaltig reduzieren?
Der Duisburger Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel startete die Versuchsreihe, Wasserstoff im Hochofen einzusetzen. Die Tests sollen zeigen, wie nachhaltig CO2-Emissionen damit reduziert werden können. Aktuelle Zahlen belegen: Die Rohstahlproduktion in Deutschland verharrt zu Beginn des neuen Jahres auf einem niedrigen Niveau. Im Januar 2020 wurde mit 3,1 Millionen Tonnen rund 10 % weniger produziert als im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Das Unternehmen Thyssenkrupp hat es sich im Rahmen seiner Klimastrategie zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Der erste Schritt soll bis 2030 erreicht sein. Dann sollen die Emissionen aus Produktion und Prozessen sowie die Emissionen aus dem Bezug von Energie um 30 % geringer ausfallen. „Wir haben uns mit unserer Klimastrategie ein klares Ziel gesetzt“, sagt Klaus Keysberg, Mitglied des Vorstands der Thyssenkrupp AG und zuständig für Materialgeschäfte des Konzerns. „Die Stahlproduktion nimmt für die Erreichung unserer Klimaziele eine wichtige Rolle ein, denn der Hebel der Sparte bei der Senkung der Emissionen ist groß. Deswegen treiben wir den Wandel zur Wasserstofftechnologie mit aller Kraft voran.“
Wasserdampf statt CO2-Emissionen am Hochofen
Damit aus dem Ofen eine Tonne Roheisen herauskommt, benötigt man rund 300 Kilogramm Koks und 200 Kilogramm Kohlenstaub. Letzter wird über 28 sogenannte Blasformen im unteren Schachtbereich des Hochofens eingeblasen. Der Kohlenstaub dient dabei als zusätzliches Reduktionsmittel. Diesen will Thyssenkrupp nun ersetzen – und zwar durch Wasserstoff. Dieser wird an einer der 28 Blasformen in den Hochofen injiziert. Schrittweise plant das Unternehmen den Wasserstoff auf alle 28 Blasformen am Hochofen 9 auszuweiten und dann auch auf alle drei weiteren Hochöfen am Duisburger Produktionsstandort. Da bei dem Einsatz von Wasserstoff im Gegensatz zu dem Kohlenstaub, der bislang eingeblasen wird, nur Wasserdampf entsteht, könnte an dieser Stelle in der Produktion bis zu 20 % CO2 eingespart werden. Premal Desai, Sprecher des Vorstands von Thyssenkrupp Steel Europe bezeichnete den Start der Versuchsreihe als „wegweisend“ in der Stahlindustrie.
„Wir leisten Pionierarbeit. Die Nutzung von Wasserstoff ist der entscheidende Hebel für eine klimaneutrale Stahlproduktion. Der heutige Versuch ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Transformation unserer Produktion, an deren Ende grüner Stahl stehen wird.“
Vorausgegangen waren in den vergangenen Monaten Untersuchungen und Simulationsrechnungen. Mit dem Versuchsstart am Hochofen 9 beginnt nun der industrielle Maßstab des Projekts. Mit der Versuchsreihe begibt das Unternehmen sich auf technologisches Neuland. Zugleich ist es entscheidend, dass auch mit Wasserstoff Roheisen in gewohnter Qualität hergestellt werden kann. Dazu wolle man den Betriebsablauf im Hochofen nun kontinuierlich analysieren und auswerten. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, die Ausweitung des Wasserstoffeinsatzes gezielt zu unterstützen.
Wasserstoff ist wichtiger Baustein für Klimastrategie
Für Thyssenkrupp ist Wasserstoff der wichtigste Baustein für die firmeneigene Klimastrategie. Die Umstellung der Hochöfen markiert dabei nur den Anfang. Ab Mitte der 2020er-Jahre ist geplant, großtechnische Direktreduktionsanlagen aufzubauen, die mit wasserstoffhaltigen Gasen betrieben werden. In diesen Anlagen wird Eisenschwamm hergestellt. Er soll zunächst in den bestehenden Hochöfen eingeschmolzen werden. Langfristig wolle man diesen in sogenannte Elektrolichtbogenöfen mithilfe erneuerbarer Energien zu Rohstahl verarbeiten.
Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein Energieträger. Das bedeutet, man kann mit dessen Hilfe Energie speichern und transportieren. Zur Herstellung ist allerdings eine Primärenergiequelle notwendig. Deshalb bezeichnet man Wasserstoff auch als sogenannte Sekundärenergie. Ähnlich wie Erdgas lässt es sich in zusammengepresster oder flüssiger Form sehr gute speichern. Wasserstoff ist ein zentraler Bestandteil bei zahlreichen metallurgischen und industriellen Fertigungsprozessen.
Das Land NRW fördert das Projekt von Thyssenkrupp im Rahmen seiner Initiative „IN4climate.NRW“. Das Ziel der Initiative ist eine klimaneutrale Industrie. Erreichen will man dies durch zukunftsfähige Technologien und innovative Ansätze. Es gilt CO2-Emissionen und die Kosten der Unternehmen gleichermaßen zu reduzieren. Daran beteiligen sich Industrie, Wissenschaft und Politik. Gemeinsam will man auf dieser Plattform innovative Strategien erarbeiten. Das Betriebsforschungsinstitut des Stahlinstitutes VdEH begleitet das Projekt von Thyssenkrupp wissenschaftlich.
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