Lebensmittelproduktion: Die Pizza kommt in Zukunft aus dem 3-D-Drucker
Das Essen der Zukunft kommt nicht mehr aus dem Ofen oder vom Herd – sondern aus 3-D-Druckern. Niederländische und deutsche Ingenieure arbeiten bereits an der Technologie.
Die Kekse auf dem Schreibtisch von Kjeld van Bommel erzeugen einen gewissen Überraschungseffekt. Welcher Bäcker oder Konditor vermag schon exakt gleiche Pyramiden, Prismen, Polyeder oder Ketten aus ineinander verschränkten rechteckigen Rahmen zu backen? Und in der Tat: Die kleinen Knabbereien, die der Chemietechnik-Ingenieur des Technologie-Forschungszentrums TNO im niederländischen Eindhoven gelegentlich serviert, sind kein normales Backwerk – sie kommen aus der Druckmaschine.
Diese Druckmaschine ist Teil des europäischen Forschungsprojektes „Performance“, das von der EU mit 4 Mio. € gefördert wird. Beteiligt sind neben dem niederländischen TNO – vergleichbar einem deutschen Fraunhofer-Institut – auch der Maschinenhersteller Foodjet aus Nimwegen sowie das Bremerhavener Lebensmitteltechnologie-Unternehmen Biozoon und die Hochschule Weihenstephan Triesdorf.
Forschungsprojekt will 3-D-Drucken auch für die Lebensmittelindustrie nutzbar machen
Die Forschungspartner haben sich ein großes und auf den ersten Blick befremdliches Ziel gesetzt: „Wir wollen das in der Fertigungstechnik schon erprobte 3-D-Drucken auch für die Lebensmittelindustrie nutzbar machen“, sagt Biozoon-Geschäftsführer Matthias Kück.
Unter dem Stichwort Rapid Prototyping gewinnt dreidimensionales Drucken in der Industrie eine rasant wachsende Bedeutung. Mittlerweile gibt es sogar die ersten Desktop-Drucker, die z. B. aus flüssigem oder pulverisiertem Kunststoff CAD-gesteuert in kürzester Zeit Schicht für Schicht dreidimensionale Modelle fertigen, für die klassische Modellbauer früher in mühsamer Handarbeit Stunden oder gar Tage benötigt hätten.
Schrittweise zieht diese Drucktechnik nun auch in die Lebensmittelindustrie ein: „Sie wird beispielsweise genutzt, um Tomatensoße auf Pizzaböden zu applizieren oder um Pralinen oder Kuchen zu beschriften“, sagt Pascal de Grood, Gründer und Geschäftsführer von Foodjet. Das Unternehmen zählt zu den Pionieren unter den Druckmaschinen-Herstellern für die Lebensmittelbranche. Selbst die in unserem Nachbarland so beliebten Eierkuchen werden nicht mehr klassisch gebacken, sondern schichtweise gedruckt: „Es gibt Maschinen, die bis zu eine Million Stück am Tag herstellen“, sagt de Grood.
Die Maschinen, die für diese Zwecke eingesetzt werden, lassen sich am ehesten mit Tintenstrahldruckern vergleichen. Pizzen können so gezielt Linie für Linie mit Tomatensoße aus Strahldüsen „bedruckt“ werden: „Das spart Material und geht auch noch schneller“, sagt de Grood. Selbst in der Massenfertigung ist kein Pizzaboden wie der andere geformt, der durch optische Sensoren gesteuerte „Tintenstrahldrucker“ beschichtet nur die gewünschten Flächen und kleckert nichts daneben. Zurzeit ist diese Technologie aber nur zweidimensional – die Produkte werden nur flächig bedruckt.
Lebensmittelproduktion mithilfe des 3-D-Drucks soll auch pflegebedürtigen Menschen zu Gute kommen
Dass die niederländischen und deutschen Forscher nun in eine neue Dimension vorstoßen wollen, ist wörtlich und bildlich zugleich gemeint. „Es geht nicht nur darum, die Produktion von Lebensmitteln schneller und effizienter zu machen. Wir wollen auch völlig neue Nahrungsmittel ermöglichen“, sagt Biozoon-Chef Kück. Für Menschen mit Kau- und Schluckbeschwerden – z. B. Pflege- oder Krebspatienten – werden die Bestandteile herkömmlich gekochter Gerichte püriert, dann mithilfe von Texturgebern bis zu einer dauerhaft stabilen Konsistenz angedickt und mit Hilfe von Hohlformen wieder in eine Gestalt gebracht, die dem ursprünglichen Aussehen ähnelt.
Bislang ist dies pure Handarbeit. „Um solche Gerichte im großen Stil herstellen zu können, benötigt man industrielle Produktionstechnologien“, sagt Kück. Wie beim Rapid Prototyping müsste es auch bei Lebensmitteln möglich sein, einen dreidimensionalen Körper schnell, präzise und bei einem hochgradig effizienten Materialeinsatz herzustellen.
Denn die Verfahren sind ähnlich – zumindest in der Theorie. Beim „Tintenstrahldrucken“ beispielsweise wird eine flüssige Substanz schichtweise aufgetragen und vor jeder neuen Beschichtung kurz getrocknet. Beim Sintern härtet ein Laserstrahl ein Pulver ebenfalls Schicht für Schicht in der gewünschten Form aus zudem gibt es jede Menge weiterer Möglichkeiten, etwa durch das Schmelzen von Material unter einem Elektronenstrahl oder das Laminieren von hauchdünnen Materialschichten.
Was in der übrigen Industrie längst gängige Praxis ist, wirft im Zusammenhang mit Lebensmittelzutaten erhebliche Probleme auf, bestätigen Pascal de Grood und Kjeld van Bommel. Die eingesetzten Zutaten sind viel komplizierter in der Verarbeitung. Mehl, Zucker oder Salz können schnell verklumpen und die Druckerdüsen verkleben. Zudem müssen Lebensmittelzutaten behutsamer behandelt werden als chemische Komponenten oder gar Metalle. „Schokolade kann man nicht beliebig erhitzen, sonst wird sie grau, verliert ihren Geschmack oder zerfällt sogar in ihre Bestandteile“, beschreibt de Grood ein eingängiges Problem.
Aus der Empfindlichkeit des Materials ergibt sich die Notwendigkeit, die Produktionsabläufe exakt zu planen und präzise zu steuern. „Ich kann ja nicht einfach Schicht für Schicht übereinanderlegen, sondern muss den genauen Zeitpunkt abwarten, zu dem die erste Schicht zwar fest genug ist, die zweite Schicht zu tragen, aber zugleich noch so feucht ist, dass sie sich mit der nächsten Schicht verbindet“, so van Bommel. In ersten Versuchen ist dies gelungen – so produzierten die Wissenschaftler bereits Ringe, Röhren, Netze, Pyramiden – und eben jene Kekse, wie sie auf van Bommels Schreibtisch stehen.
Ziel des Forschungsprojekts „Performance“: „Personalisierte Nahrungsmittel“ mithilfe von 3-D-Drucktechnik
Das EU-Forschungsobjekt „Performance“ zeigt die Richtung, in die die Reise geht. Ziel sind „personalisierte Nahrungsmittel“: Hochwertige natürliche Lebensmittel wie Karotten, Blumenkohl, Hähnchen oder Lachs werden den Bedürfnissen des einzelnen Nutzers entsprechend mit hochwertigen Eiweißen, essentiellen Ölen, Spurenelementen und Vitaminen angereichert und in individuell angepasster Portionsgröße mit dem 3-D-Drucker als Mahlzeit auf den Teller gedruckt.
Der Nutzen des gedruckten Essens: Beim einzelnen Nutzer kann individuell einer Mangelernährung vorgebeugt werden, wie sie bei Patienten mit Schluckbeschwerden häufig auftritt zudem lässt sich der Heilungsprozess unter Umständen durch die Beigabe von Nährstoffen beschleunigen. Aus der 3-D-Nahrung wird so eine Variante von „smart food“ – intelligente Lebensmittel, die auf bestimmte Bedürfnisse hin optimiert sind.
Denkbar sind so auch völlig neue Lebensmittel, die beispielsweise neue Rohstoffquellen für Proteine, Kohlenhydrate und Vitamine nutzen. Das lässt zumindest der Blick ins das Kochbuch „The essential digital cookbook“ aus den TNO-Laboren vermuten. Das Protein in den „Spice-Bytes“, die Kjeld van Bommel seinen Besuchern anbietet, stammt nicht nur aus Mehl – sondern auch aus gemahlenen Mehlwürmern.
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