Maschinen- und Anlagenbauer forcieren ihr Servicegeschäft
Die Hersteller von Maschinen und Anlagen weiten im lukrativen Markt der Industrieservices ihre Aktivitäten aus. Ein Wettbewerb mit den reinen Dienstleistungsunternehmen zeichnet sich ab – auch wenn die Hersteller partnerschaftliche Aspekte betonen. Beide Seiten wollen Kunden durch prozessnahe und qualitativ hochwertige Dienstleistungen dauerhaft an sich binden.
Die Zeiten, in denen sich Maschinen- und Anlagenbauer als reine Hersteller von Investitionsgütern verstanden haben, sind vorbei – eine Kernaussage auf der diesjährigen Instandhaltungs-Fachmesse Maintain, die vorige Woche in München stattfand. Der Tenor auf dem Branchentreff: Die Produktionsbetriebe drängen zunehmend in das Segment der Industrieservices.
Dort öffnet sich den Herstellern ein attraktiver Markt. Über den gesamten Produktlebenszyklus entfallen nur 20 % der Kosten auf den Produktkauf, rechnet das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart, am Beispiel einer Werkzeugmaschine vor. Die restlichen 80 % sind demnach Betriebskosten allein 37 % davon entfallen auf Wartung und Inspektion, weitere 9 % auf ungeplante Instandsetzung.
Roland Berger erwartet für Industrieservices ein Marktvolumen von fas 30 Mrd. €
Das Beratungsunternehmen Roland Berger erwartet in einer Studie aus dem Jahr 2010 für 2013 ein Marktvolumen der Industrieservices in Deutschland von 29,2 Mrd. €. Der Anteil der extern – also an Serviceanbieter – vergebenen Dienstleistungen nehme zu.
Die Hersteller finden am Markt die traditionellen, reinen Dienstleister vor. Zwar verheißt diesen die Studie „Führende Unternehmen für industrielle Instandhaltung in Deutschland“ des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Lünendonk aus Kaufbeuren bis 2017 ein Wachstum von durchschnittlich 5,4 % jährlich. Mittelfristig zeichnet sich aber ein Verdrängungswettbewerb ab. Die Studie von 2012, die Lünendonk unter reinen Dienstleistern durchgeführt hat, legt nahe, dass eine Konkurrenzsituation bevorstehen könnte. 10 % der befragten Unternehmen gaben an, die Hersteller als Wettbewerber zu betrachten, 55 % sahen in ihnen immerhin sowohl Wettbewerber als auch Partner.
„Es gibt Konkurrenz“, sagt auch Bernd Bienzeisler, Leiter des Competence Center am Fraunhofer-IAO. Die Maschinen- und Anlagenbauer hätten gemerkt, „dass sich mit Dienstleistungen Geld verdienen lässt“.
Dienstleister wie Hersteller verfolgen im Kern dieselbe Strategie: Ihr Service soll qualitativ hochwertig und so nah am Prozess des Kunden wie möglich sein. Je mehr Dienstleistungen angeboten werden und je stärker diese mit den Produktionsprozessen verwoben sind, desto besser. „Das Ziel ist es, sich unverzichtbar zu machen“, erklärt Bienzeisler.
Industrieservice-Experte: Nachfrage nach Serviceleistungen direkt vom Hersteller steigt
Den Trend, zunehmend hochwertige Dienstleistungen anzubieten beobachtet auch Dirk Martens, Geschäftsführender Gesellschafter bei HMC Heidelberg Management Consulting, dessen Beratungsschwerpunkt im Service der Investitionsgüterindustrie liegt. Der Industrieservice-Experte sieht andererseits auch die Nachfrage nach Hersteller-Services steigen. „Maschinen und Anlagen sind zunehmend von Elektronik durchdrungen der Anteil der hochwertigen Tätigkeiten am Servicegeschäft steigt.“ Die Logik angesichts immer komplexerer Technologien: Niemand versteht eine Maschine besser als ihr Hersteller.
Nach Martens Einschätzung tun sich Hersteller wie reine Dienstleister schwer, qualifizierten Nachwuchs zu finden. Dies stärke noch die Entwicklung, „dass die Hersteller versuchen, die höherwertigen Maßnahmen zu übernehmen und die minderwertigen an die Dienstleister abzugeben“. Der Branchenmonitor 2012 des Wirtschaftsverbands für Industrieservice WVIS, Düsseldorf, nennt trotz erheblichen Umsatzwachstums der Branche einen Rückgang bei den Auszubildenden von 2011 auf 2012 um 1,8 %.
Das Streben nach möglichst tiefgreifenden und prozessnahen Serviceaufträgen begleitet einen allgemeinen Wandlungsprozess der Branche. Neue Kooperationsformen entstehen zwischen Herstellern und Dienstleistern. Für einen kleinen Produktionsbetrieb, erklärt IAO-Experte Bienzeisler, könne es sich etwa lohnen, auf die auch international gut ausgebaute Infrastruktur eines klassischen Industriedienstleisters zuzugreifen.
Industrieservice: Kommunikation zwischen Anbietern und Betreibern ändert sich
Und auch die Kommunikation zwischen Serviceanbietern und Betreibern verändert sich, das wurde auf der Maintain deutlich. Dort gab es Lösungen, die es dem Instandhaltungsmitarbeiter in der Produktion des Kunden ermöglichen, per iPad eine Videokonferenz aufzubauen, um von Ferne auf das Know-how des Herstellers zuzugreifen – etwa bei Benntec, Bremen. „Unser Produkt zielt darauf ab, den Herstellern die Hoheit über ihre Dienstleistung im Bereich Maintenance zu geben“, sagt Christian Schmid, Projektmanager bei der 49 %igen Rheinmetall-Tochter.
Zudem müssen sich die Serviceanbieter – wie auch ihre Kunden – Gedanken machen, wie sie künftig mit moderner Informationstechnik umgehen möchten. „Es stehen enorme technologische Möglichkeiten bereit“, sagt Bienzeisler, „es hapert aber noch an rechtlichen Aspekten und am vertrauensvollen Umgang mit Informationen zwischen den Beteiligten.“
Moderne – vorbeugende – Instandhaltung häuft riesige Datenmassen an, da Produktionsanlagen in Echtzeit überwacht werden, etwa durch Condition Monitoring. Manche Unternehmen scheuen sich aber, ihre Prozessdaten preiszugeben. Servicekonzepte könnten – ähnlich wie die Cloud – darunter leiden. Im Kern steht die Frage: Wer hat die Hoheit über die Daten – Betreiber oder Serviceanbieter?
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