Start-up-Porträt 17.01.2025, 15:30 Uhr

Mit der AR-Brille die künftige Fabrik erlebbar machen

Eine neue Produktionslinie mit 2D-Skizzen planen? Viel zu Old School für XRify. Das Start-up setzt stattdessen auf Lidar-Scanner, 3D-Zwillinge und Augmented-Reality-Brillen.

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Können sich Mitarbeitende auf dem Shopfloor noch sicher bewegen, falls eine neue Maschine in die Produktionslinie integriert wird? XRify macht die Antwort erlebbar.

Foto: PlanAR

Der Weihnachtsbaum passte mal wieder nicht ins Wohnzimmer. Papa hatte sich beim Kauf verschätzt. Wütend griff er zur Säge – jedes Jahr das gleiche Bild.

An seinem Arbeitsplatz ein ähnliches Bild: Beim Hersteller von Präzisionsteilen für die Automobilindustrie hatte er die Aufgabe, die Produktionslinie um ein neues 5-Achs-Bearbeitungszentrum zu erweitern. Er kramte also Hallenpläne aus den Schubladen. Diese wurden allerdings ewig nicht aktualisiert. Das Ergebnis: Die neu bestellte Maschine passte nicht in die Halle und musste zurückgeschickt werden – ein weit kostspieligeres Unterfangen als das händische Ablängen des Weihnachtsbaums.

„So was ist kein Einzelfall. Viele Industriebetriebe planen auf Basis falscher Annahmen und verlieren dadurch Zeit und Geld“, sagt Jan Philipp Hummel, Gründer und Geschäftsführer des Start-ups XRify aus Gerbrunn bei Würzburg. Die sogenannte Zehnerpotenzregel besage dabei, dass in der Fabrikplanung die Kosten der Fehlerbehebung in jeder Stufe der Wertschöpfungskette um den Faktor zehn steigen. Heißt: Je später ein Fehler entdeckt wird, desto höher sind die Kosten, um ihn zu beheben.

Falsche Maße aus veralteten 2D-Plänen führen nicht nur dazu, dass bestellte Maschinen zurückgehen, sondern auch zu fehlerhaften Infrastrukturen, die später teuer zurückgebaut werden müssen. „Um die Planung von Beginn an auf ein solides Fundament zu stellen, konstruieren wir für Unternehmen präzise 3D-Zwillinge ihrer Fabriken und machen diese mit Augmented-Reality-Brillen erlebbar. Die Verbindung der Realität mit virtuellen Objekten am Ort der Umsetzung hebt die Anschaulichkeit und Zuverlässigkeit der Planung auf ein neues Niveau.“

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Lidar-Scanner bilden den Status quo punktgenau ab

Und so funktioniert die Lösung von XRify: Das Start-up vermisst in einem ersten Schritt die Halle eines Industrieunternehmens mit einem Lidar-Scanner. Dieses rotierende Gerät sendet Laserstrahlen aus und fängt die Reflexionen ein. Dadurch entsteht eine Punktwolke aus Millionen von einzelnen Messpunkten, die die genaue Geometrie und Struktur der Halle widerspiegeln – inklusive aller Maschinen und der gesamten Infrastruktur, von Leitungen bis hin zu Belüftungsanlagen. Diese Daten nutzt das Start-up dann, um ein digitales, dreidimensionales Modell der Halle zu erstellen. „Der erste wesentliche Vorteil ist, dass es ab diesem Punkt für die zukünftige Planung nur noch eine zentrale Datei gibt – nicht mehrere Dateien, die in verschiedenen Silos der Abteilungen liegen und für planerisches Chaos sorgen können“, erklärt Hummel.

Lesetipp: Schöne und modulare Fabriken aus dem Baukasten

Der zweite Vorteil: Alle Objekte im 3D-Modell lassen sich freistellen und nach Belieben neu positionieren – ähnlich wie in einem Computerspiel. Dadurch können Planer geometrische Möglichkeiten besser erkennen und unterschiedliche Einrichtungen sowie ganze Logistikprozesse experimentell durchspielen. Wie sich dadurch hohe Kosten vermeiden lassen, erklärt Hummel an einem Beispiel: Ein Automobilhersteller wollte eine Spritzgussmaschine in seine Fertigung integrieren. Er beauftragte ein Beratungsunternehmen, das ihm erklärte, er müsse aus Platzgründen eine neue Halle bauen. Der Hersteller holte deshalb von XRify eine zweite Meinung ein. „Wir haben die Halle vermessen und im 3D-Modell Teile der Einrichtung und Infrastruktur so umgestellt, dass die Maschine schließlich doch aufgestellt werden konnte – ohne einen teuren Neubau. Allein mit 2D-Skizzen wäre dieser Lösungsweg unentdeckt geblieben.“

AR-Brillen lassen die Mitarbeitenden sehen, wo sie arbeiten würden

Doch der digitale Zwilling ist lediglich ein Teil des Angebots von XRify. Der zweite Teil ist noch beeindruckender: Die Mitarbeitenden ziehen Augmented-Reality-Brillen auf und spazieren durch ihre Halle. Die Brillen, handelsübliche Hololens-2-Modelle von Microsoft, blenden Objekte aus dem 3D-Modell in die reale Umgebung ein. Somit wird etwa eine neue Maschine, die noch nicht in der Halle steht, in Originalgröße lebensnah erlebbar.

Jan Philipp Hummel (Bildmitte) ist Gründer und Co-Geschäftsführer des Start-ups XRify. Hier zeigt er potenziellen Kunden, wie deren Intralogistik künftig aussehen könnte.

Foto: Krisztian Müller – T&O Electronic Solutions

Auch das unterstützt die Planung, wie Manuel Rohde, Mitgründer und ebenfalls Geschäftsführer von XRify, an einem Beispiel erklärt. Ein Maschinenbauer wollte im Zuge einer Fabrikmodernisierung eine Drehmaschine direkt neben einer Tür aufstellen. Entsprechende 2D-Skizzen hingen wochenlang aus und wurden von den Werkern beiläufig abgenickt.

Dann aber kam die Überraschung, als das Unternehmen den Plan mithilfe von XRify absichern wollte. „Ein Werker zog eine AR-Brille auf und ging um die virtuelle Maschine. Dabei wurde ihm schlagartig klar, dass er unter diesen Umständen nicht arbeiten möchte. Denn viel zu groß erschien ihm die Gefahr, dass jemand durch die Tür stürmt und ihn unabsichtlich in die Drehmaschine schubsen könnte“, erklärt Rohde. „Dank des AR-Einsatzes konnte das Unternehmen rechtzeitig einen passenderen Ort für die Drehmaschine finden.“

Jan Philipp Hummel und Manuel Rohde (re.) haben XRify im März 2024 gegründet.

Foto: Krisztian Müller – T&O Electronic Solutions

Möglich sei es bei solchen virtuellen Rundgängen auch, Logistikprozesse zu prüfen. So würde beispielsweise direkt ersichtlich, ob Transportwagen an Säulen vorbeikämen oder Roboter ausreichende Bewegungsräume hätten.

Lesetipp: Worauf Unternehmen bei der Einführung von AR achten müssen

Philipp Hummel und Manuel Rohde haben das Start-up im März 2024 gegründet. Beide hatten zuvor Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt studiert. Unterstützung erhielten die Jungunternehmer von einem Netz an Gesellschaftern – unter ihnen Opting Value Consulting, die T&O Group und die Trips Group. Diese Investoren stellen nicht nur Geld zur Verfügung, sondern sind auch beratend tätig und ermöglichen es dem Start-up, auf berufliche Netzwerke zurückzugreifen. Seit der Gründung ist zudem der habilitierte Ingenieur Volker Bräutigam von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen mit an Bord. Er ist überzeugt: „Diese Erfolgsgeschichte demonstriert eindrucksvoll, wie aus einer engagierten Forschungsarbeit ein Unternehmen hervorgehen kann, das nicht nur die digitale Transformation vorantreibt, sondern auch einen nachhaltigen Mehrwert für die Industrie schafft.“

Ein Beitrag von:

  • Patrick Schroeder

    Patrick Schroeder arbeitete während seines Studiums der Kommunikationsforschung bei verschiedenen Tageszeitungen. 2012 machte er sich als Journalist selbstständig. Zu seinen Themen gehören Automatisierungstechnik, IT und Industrie 4.0.

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