Modellbahner Sanda Kan kündigt seinen Kunden
Das ist neu. Nicht der Kunde kündigt seinen Lieferanten, etwa wegen Mängeln, sondern ein chinesischer Lieferant wirft seine Kunden raus. Sanda Kan, der größte Modellbahnbauer der Welt, muss reorganisieren. Eine Folge: Er will nicht mehr für alle seine bisherigen Kunden produzieren. In Deutschland betroffen: Märklin/Trix.
Sanda Kan, eine chinesische Tochtergesellschaft des in Hongkong konzentrierten und dort auch börsennotierten Kader-Konzerns, verschickte Ende Juni dieses Jahres „blaue Briefe“. Sie enthielten die Aufkündigung der bisherigen Zusammenarbeit mit Firmen in aller Welt, in Deutschland beispielsweise mit Märklin/Trix.
Es soll keineswegs die Größe der Aufträge gewesen sein, die Sanda Kan in seiner Entscheidung beeinflusste, sondern – so wird vermutet – die Größe des Kunden.
Sanda Kan ist ein chinesisches Industrieunternehmen, das unter der Führung von Wai Shing Ting zwischen 1979 und 2009 zum mit Abstand weltgrößten Modellbahn-Produzenten heranwuchs – gerechnet einschließlich des umfangreichen Zubehörs für die kleinen Bahnen.
Heute zählt Sanda Kan 10 000 Mitarbeiter, von denen die meisten in Firmenwohnungen untergebracht sind. In der Zentrale arbeiten 60 Designer und 275 Ingenieure, die aus dem Design serienreife Produkte machen.In der Produktion sind weitere 50 Ingenieure beschäftigt. Schließlich gibt es rund 400 Werkzeugmacher. Ein solcher Gigant hat zwangsläufig auch mit Problemen zu kämpfen. Vor wenigen Jahren waren das vor allem Qualitätsmängel und mangelnde Liefertermintreue, die sich aus der extrem breiten Produktpalette ableiteten. Im Spätherbst 2008 kam es schließlich zur Übernahme von Sanda Kan durch den Kader-Konzern.
Für ein Großunternehmen wie Sanda Kan war die Zersplitterung der Entwicklung und Produktion auf die Dauer finanziell wie organisatorisch nicht tragbar. Also überlebten die großen Kunden oder jene, zu denen ganz besondere Beziehungen bestanden.
Inzwischen bemüht sich Sanda Kan, neue Kunden zu gewinnen. Um Roco/Fleischmann beispielsweise, deren Bahnen das chinesische Unternehmen außerordentlich gerne produzieren möchte.
Was Sanda Kan in den zurückliegenden zwei Monaten an Veränderungen in der Branche losgetreten hat, bezeichnet der Chef von Atlas Railroad aus den Vereinigten Staaten, Tom Haedrich, als die wohl größte Veränderung im gesamten Modellbahngeschäft.
Die Konsequenzen sind derzeit bereits zu erkennen. Zum Beispiel hat Märklin, von deren Produkten 6 % bis 7 % von Sanda Kan gefertigt wurden, diese Produktion an eine eigene Gesellschaft in Ungarn gegeben. Andere Modellbahn-Unternehmen – gleich ob sie blaue Briefe aus China erhielten oder nicht – sind vorsichtiger geworden. Sie bemühen sich derzeit darum, Produktionsbeziehungen auch zu anderen chinesischen Herstellern aufzubauen oder diese, soweit sie schon bestehen, auszuweiten.
In der Praxis ist das nicht so einfach, weil von Größe und Know-how her kaum ein anderer chinesischer Anbieter Sanda Kan das Wasser reichen kann. PETER ODRICH
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