Nachhaltigkeit prägt Fabrik der Zukunft
Die Fabrik der Zukunft ist laut Reimund Neugebauer, Institutsleiter Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz, effizient, emissionsneutral und ergonomisch. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können davon profitieren.
Die Ressourcenverknappung ist neben der Globalisierung und dem Umwelt- und Klimaschutz ein prägender Trend für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Ein Weg, diese Ressourcensituation zu entschärfen, ist die Erschließung neuer Quellen. Ein anderer besteht darin, die verfügbaren Ressourcen bestmöglich auszunutzen.
Eine optimale Verwendung aller am Herstellungsprozess beteiligten Rohstoffe und die optimale Ausnutzung der eingesetzten Energie kann die Abhängigkeit von den benötigten Ressourcen senken. Gleichzeitig werden Rohstoffe frei, die für neue Produkte oder zur Erhöhung des bisherigen Produktionsumfangs genutzt werden können.
Energie- und ressourceneffizient, emissionsneutral, ergonomisch
Die wirtschaftliche Fabrik der Zukunft ist demnach herausgefordert, energie- und ressourceneffiziente Abläufe mit effizienten Anlagen zu betreiben. Im optimalen Fall beruht sie auf einem energie- und ressourceneffizienten Gesamtkonzept.
Neben der Energie- und Ressourceneffizienz gibt es zusätzliche globale Trends, die die Fabrik der Zukunft entscheidend prägen. Der Umwelt- und Klimaschutz – mit dem Vorreiter der CO2-Emissionsreduzierung – hat sich in den letzten Jahren als Wettbewerbsfaktor etabliert: Umweltkennzeichen wie das Energielabel an Elektrogeräten oder das 2011 eingeführte Pkw-Label fungieren mittlerweile als kaufbestimmende Produktmerkmale.
Ein weiterer Trend, dem sich das produzierende Gewerbe stellen muss, ist der demographische Wandel. Fehlende Fachkräfte und ein späteres Renteneintrittsalter fordern entsprechende Maßnahmen, um die Produktionsbedingungen der sich abzeichnenden Arbeitnehmerstruktur anzupassen. Hierbei nimmt zukünftig die Ergonomie in der Fertigung einen hohen Stellenwert ein, denn Mitarbeiter bestimmen wesentlich über die Qualität und Produktivität im Herstellungsprozess.
Energie- und Ressourceneffizienz, Emissionsneutralität und Ergonomie sind demnach drei wichtige Säulen, mit denen die Fabrik der Zukunft – als E³-Fabrik – wirtschaftlich agiert und ihre Position am Markt behaupten und ausbauen kann.
Wertschöpfung steht auch in Zukunft im Mittelpunkt der Fabrik
Die Wertschöpfungskette bleibt Mittelpunkt der E³-Fabrik, wodurch die darin enthaltenen Prozesse und Anlagen zur Herstellung der Produkte die Bausteine darstellen, mit denen diese drei Kernziele umgesetzt werden können. Konkrete Analysen und Optimierungsmaßnahmen können dabei auf verschiedenen Betrachtungsebenen stattfinden, die sich jeweils im Grad der Vernetzung voneinander unterscheiden.
Erste Betrachtungsebene: Prozess oder Fertigungsverfahren
Eine derartige Betrachtungsebene kann z. B. ein einzelner Prozess bzw. ein Fertigungsverfahren sein. Zielführende Ansätze zur Erreichung eines energie- bzw. ressourceneffizienten Prozesses sind unter anderem intelligente Überwachungs- und Regelungsstrategien oder der Einsatz sogenannter „Effizienztechnologien“, d. h. Verfahren, die weniger energie- oder materialintensiv sind.
In der Steigerung der Energieeffizienz von Maschinen und Anlagen liegt ebenfalls großes Potenzial zur Energie- und Ressourceneinsparung. Geeignete Ansätze dafür sind der Leichtbau von Maschinenkomponenten, die Bewegungsoptimierung, vor allem in Bezug auf energieintensive Anfahr- und Bremsvorgänge, oder die energetische Interaktion von Maschine und Prozess.
Zweite Betrachtungsebene:
Prozesskette
Eine weitere Betrachtungsebene mit größerem Vernetzungsgrad ist die Prozesskette. Oftmals kann eine größere Energie- und Ressourcenreduzierung erreicht werden, wenn die Prozesse mit ihren Wechselwirkungen zu vor- und nachgelagerten Prozessen bzw. der gesamten Herstellungskette analysiert und verbessert werden. So kann z. B. an die Umgebung abgegebene und daher bis dahin ungenutzte Wärme in nachfolgenden Arbeitsschritten, wie einer Wärmebehandlung, wirksam eingesetzt werden.
Ebenfalls kann die Kombination von Prozessschritten oder die Integration von nachfolgenden Arbeitsschritten in Hauptbearbeitungsprozesse die Prozesskette verkürzen und somit den Ressourcen- und Energiebedarf senken.
Dritte Betrachtungsebene:
Produktionsbereich
Eine weitere Betrachtungsebene, die über die einzelnen Wertschöpfungsketten hinausgeht, ist der Produktionsbereich. Energie ist als Planungs- und Steuerungskriterium in der Produktion unterrepräsentiert. Die Erfassung und Auswertung von prozesskettenübergreifenden Energiekennwerten sowie die Nutzung von Verbrauchskenngrößen zur Produktionssteuerung ist daher eine weitere Ausbaustufe, um die Fabrik der Zukunft zur E³-Fabrik zu führen.
Vierte Betrachtungsebene:
Gesamte Fabrik
„Oberste“ Betrachtungsebene ist die Fabrik, die über umweltfreundliche Energiequellen, wie Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft die Prozesse mit Energie versorgt wird. In Form von Energieleitständen kann dabei das Energieversorgungssystem mit dem Gebäude und den ablaufenden Prozessen gekoppelt und entsprechend abgestimmt werden. Ziel ist es außerdem, geschlossene Energie- und Ressourcenkreisläufe zu schaffen, also ungenutzte Energie in nutzbare Energie zu überführen. Damit wird der im Sinne der Wertschöpfung entstehende „Verlust“ von Energie und Ressourcen minimiert.
Mit diesen vier Betrachtungsebenen kann die Fabrik ganzheitlich unter dem Aspekt der Energie- und Ressourceneffizienz analysiert und effizient gestaltet werden. Der optimale Einsatz der verfügbaren Ressourcen befähigt die Fabrik der Zukunft dazu, nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Innovation und neue Methoden sind Basis für nachhaltige Produkte
Basis für die Realisierung der E³-Fabrik sind Innovationen und neue Methoden für nachhaltige Produkte und Prozesse. Daher forscht ein internationales Wissenschaftlerteam an der TU Chemnitz und dem Fraunhofer IWU zu diesem Thema. Im Rahmen des durch den Freistaat Sachsen geförderten Spitzentechnologieclusters „Energieeffiziente Produkt- und Prozessinnovationen in der Produktionstechnik“ (eniPROD) setzen sich die Forscher mit diesen vier Betrachtungsebenen auseinander und entwickeln in den Handlungsfeldern Produktentwicklung, Produktionssysteme, Werkstoffe, Prozessketten sowie Logistik und Fabrikplanung Bausteine für das Zukunftskonzept der E³-Fabrik.
Chancen und Möglichkeiten für
den Mittelstand
Die ökonomisch und ökologisch stimulierte Forderung nach energie- und ressourceneffizienter Produktion ist zugleich Treiber und Chance, und dies nicht nur für die OEM, sondern insbesondere auch für KMU. Der Weg zur Fertigung möglichst CO2-neutraler Produkte öffnet ein weites Spektrum zur Gewinnung und Umsetzung von neuen Wettbewerbsvorteilen. Davon werden nicht nur Anbieter von Ingenieurdienstleistungen und innovativen Technologien profitieren, sondern ebenso z. B. Hersteller von Werkzeugen und Produktionsanlagen.
In den Forderungen nach Null-Fehler-Produktion zur Eliminierung von Ausschuss und 100 %iger Werkstoffausnutzung, Null-Kreislaufverlusten mit kreislauforientierter Steuerungs- und Antriebsgestaltung von Systemen zur Energiespeicherung und -rückgewinnung, liegt noch erhebliches Potenzial zum Ausbau bestehender oder Aufbau neuer Geschäftsfelder für KMU.
Dass dies mehr als nur eine Vision ist, bestätigt die seit drei Jahren vom Fraunhofer IWU geführte und mit Mitteln des BMBF unterstützte Innovationsallianz „Green Car Body Technology“. Darin verfolgen 60 überwiegend klein- und mittelständisch geprägte Unternehmen das Ziel zur Halbierung des Energieeinsatzes in der Karosserieproduktion.
Der Ansatz E3 für die Fabrik der Zukunft hat damit schon heute das Potenzial zum Aufbau einer energieautarken Produktion. Dies gilt vorrangig für KMU, die daraus absehbar nachhaltige Wettbewerbsvorteile erwarten dürfen.
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