Nano-Schaltkreis liefert überraschend gute Ergebnisse
Sie sind dünner als ein menschliches Haar, benötigen deutlich weniger Energie und übertragen eine Menge binärer Daten. Wissenschaftlern der Technischen Universität Kaiserslautern und der Universität Wien ist es gelungen, Magnonen im Nanoformat zu entwickeln. Sie könnten künftig eine Alternative zu Computerchips darstellen.
Computerchips sind der Grundbaustein in Computerschaltkreisen. Sie bestehen hauptsächlich aus Elektronen und übertragen unterschiedliche Daten. Zur Basis gehören vor allem die binären Daten – eine Abfolge aus Einsen und Nullen. Darauf baut die Grundsprache unserer modernen Computer und Smartphones auf. Dabei verwenden die Chips in der Regel die sogenannte CMOS-Technologie – Complementary Metal Oxid Semiconductor. CMOS ist ein hochwertiges Halbleiterelement, das aus einem leitfähigen Metall und einem Oxidanteil besteht. Es ist ein inzwischen etabliertes Element und deshalb in nahezu jedem Computer eingebaut.
Ein Team aus Physikern unter der Leitung der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) und der Universität Wien hat zum ersten Mal eine Alternative entwickelt: Sie besteht aus magnetischem Material und sogenannten Magnonen im Nanoformat. Dieser neue, integrierte Schaltkreis ist besonders klein und in stromlinienförmigem 2D-Design entwickelt. Der erste Prototyp sei zwar noch nicht so schnell wie das CMOS-System, allerdings eröffne er die Chance, im Hinblick auf Anwendungen im Quanten- oder neuromorphen Computing weiter zu forschen. „Wir sehen jetzt, dass magnonenbasierte Schaltungen genauso gut sein können wie CMOS. Das reicht jedoch leider noch nicht aus, um die Industrie zu begeistern. Dafür müsste unser Schaltkreis wahrscheinlich noch mindestens hundertmal kleiner sein und hundertmal schneller arbeiten“, erklärt Andrii Chumak, Leiter der Forschungsgruppe an der Universität Wien. „Nichtsdestoweniger eröffnet unser Bauteil fantastische Möglichkeiten jenseits binärer Daten, zum Beispiel für quantenmagnonisches Rechnen bei niedrigen Temperaturen.“
Nanodrähte dünner als ein menschliches Haar
Die Komponenten innerhalb des Nanoschaltkreises bleiben dem menschlichen Auge aufgrund ihrer geringen Größe verborgen. Selbst unter dem Mikroskop sind sie kaum zu sehen. Zum Vergleich: Sie messen weniger als ein Mikrometer und sind damit noch viel dünner als ein menschliches Haar. Insgesamt ist der neu entwickelte Schaltkreis aus drei Nanodrähten zusammengesetzt. Sie bestehen aus Yttrium-Eisen-Granat, einem magnetischen Material. Die Forscher haben sich intensiv damit beschäftigt, welche Nanodrahtlänge die gewünschten Ergebnisse liefert. Auch dem idealen Abstand der Drähte zueinander haben sie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dafür erstellte das Forscherteam einige hundert Simulationen für die verschiedenen Typen von Halbaddierern.
Das Ergebnis: Die Drähte sollten möglichst eng aneinander liegend positioniert sein. So ist es möglich, zwei Richtungskoppler zu bilden, die die Magnonen durch die Drähte führen. Die Magnonen sind dabei Quanten von Spinwellen, wobei die Wellen durch Verzerrungen in der magnetischen Ordnung eines festen Materials auf Quantenebene gebildet werden. Der Aufbau im Einzelnen: Im ersten Koppler liegen zwei Drähte sehr nahe aneinander. Hier wird die Spinwelle in zwei Hälften geteilt. Die eine wandert zum zweiten Koppler, wo sie zwischen den Drähten hin- und herspringt. In Abhängigkeit von der Amplitude tritt die Welle am oberen oder unteren Draht aus. Das entspricht dann entweder einer binären 1 oder einer 0. Die Schaltung besteht aus zwei Richtkopplern, die zwei Ströme an Informationen addieren. Damit stellt sie einen sogenannten Halbaddierer dar, eine der vielseitigsten Komponenten von Computerchips. Sie ermöglichen eine Kombination aus Millionen von Schaltkreisen, mit dem Ziel, immer komplexere Berechnungen und Funktionen zu lösen. Philipp Pirro, Junior-Professor an der TUK, bringt es auf den Punkt: „Was in normalen Computern typischerweise Hunderte von Komponenten und 14 Transistoren erfordert, benötigt hier nur drei Nanodrähte, eine Spinwelle und nichtlineare Physik.“
Der Funktionsweise des menschlichen Gehirns annähern
Die Forscher wollen nach diesem Erfolg noch einen Schritt weiterkommen. „Wir sind auch interessiert daran, den Schaltkreis für neuromorphe magnonische Computer anzupassen, die sich an der Arbeitsweise unseres Gehirns orientieren“, sagt Pirro. Der Hintergrund: Spinnwellen sind für ein komplexeres und rausch-tolerantes Design deutlich besser geeignet und haben das Potenzial, deutlich mehr Informationen zu transportieren. Das liegt vor allem daran, dass sie zwei Parameter bieten: die Amplitude als Wellenhöhe und die Phase als Wellenwinkel. Im aktuellen Prototyp kam die Phase noch nicht zum Einsatz, weil das Team ihn für die binäre Datenverarbeitung einfach gestalten wollte. „Wenn dieses Gerät bereits mit CMOS konkurrieren kann, auch wenn es nicht die volle Leistung des wellenbasierten Ansatzes nutzt, können wir ziemlich sicher sein, dass ein Konzept, welches das volle Leistungsspektrum der Spinwelle nutzt, in speziellen Bereichen effizienter sein kann als CMOS“, erklärt Pirro. Ziel der Forscher ist dabei die Kombination der Stärken – aus CMOS- und Magnonik-Technologie.
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