Nano-Wunderland Singapur
Singapur entwickelt sich nicht nur zum internationalen Finanzplatz, sondern auch zu einem begehrten Standort für Nanotechnologien. Der südostasiatische Inselstaat lockt renommierte Wissenschaftler an und fördert junge Nanotechunternehmen.
Sandra Ahmed strahlt. Seit sie eine transparente Zahnspange trägt, braucht sie ihr Lächeln nicht mehr zu verstecken. Die kleine Start-up-Firma Biomers in Singapur hat die Zahnspange mit einem nanofaserverstärkten Kunststoffdraht entwickelt.
„Das ist die erste nahezu unsichtbare Spange, die eine ähnliche Festigkeit aufweist wie Metallspangen“, erklärte Biomers-Mitgründerin Renuga Gopal den VDI nachrichten. Der kaum 1 mm dicke Kunststoffdraht besteht aus ineinander verwobenen Polymerfasern. In einem speziellen Verfahren werden Nanofüllstoffe beigemischt, dadurch erhält der Draht die mechanischen Eigenschaften von metallischen Drähten.
Bisher ist keine unsichtbare Technik so effektiv wie Metallspangen, sagte Gopal. Entweder sind schwierige Zahnbewegungen damit kaum möglich oder die Zunge reibt daran, wenn die Spange an der Zahninnenseite angebracht wird. Die unsichtbare Spangentechnik könnte nun eine Alternative sein.
Bioingenieurin Gopal spricht von einem Durchbruch in der Kieferorthopädie und träumt gar von einem Milliardenmarkt. Etwa 70 % der Weltbevölkerung leiden unter Zahnfehlstellungen. Jährlich werden 10 Mio. kieferorthopädische Behandlungsfälle begonnen. Da sieht Biomers ein Marktpotenzial von weltweit fast 2 Mrd. $ für seine Produkte. In Singapur werden die Spangensysteme bereits eingesetzt, in den USA steht Biomers kurz vor der Markteinführung.
Biomers ist nur ein Beispiel für die florierende Nano-Landschaft im kleinen südostasiatischen Stadtstaat. Nach Angaben der staatlichen Wirtschaftsentwicklungsbehörde EDB gibt es rund 50 Firmen, die auf dem Feld der Nanotechnologie arbeiten.
Hinzu kommen mehrere Konzerne, die in der Nanoforschung aktiv sind. BASF beispielsweise betreibt ein Nanoforschungszentrum in Singapur. Die EDB sieht Singapur als eine der führenden Nano-Nationen neben Taiwan, Südkorea und Japan.
Tatsächlich hat sich der Zwergstaat zum internationalen Zentrum für Nanotechnologie entwickelt. Singapurs Regierung fördert massiv Forschung und industrielle Anwendung. „Wir sehen Nanotech als Querschnittstechnologie der Zukunft“, erklärte Chen Yuan Gow, Nano-Experte der EDB. So vergibt der Staat stolze 500 000 Singapur-Dollar an Nano-Start-ups, wenn diese ein erstes Konzept präsentieren. Zudem investiert das Land Milliarden in die Forschung und lockt renommierte Nanowissenschaftler an.
Rachid Yazami fühlt sich „an Japan in den 60er-Jahren erinnert“. Wie Japan habe Singapur strategische Zielgebiete auserkoren und hole nun die besten Wissenschaftler ins Land. „Das ist sehr klug“, lobte Yazami. Der Franzose tüftelt an der Nanyang University in Zusammenarbeit mit der TU München an Batterien der Zukunft für die Elektroautos. Mithilfe der Nanotechnologie könnten Batterien in Sekundenschnelle aufgeladen sein, meinte er. „In fünf Jahren wird das möglich sein“, prophezeit Yazami.
Singapur fördert Forschung und Entwicklung im Bereich der Nanotechnologie über ein weit verzweigtes Netzwerk. Zentraler Thinktank ist die Agentur für Wissenschaft, Technologie und Forschung. Teil der Agentur ist das Institut für Bioengineering und Nanotechnologie. In den beiden Unis, der Nanyang University und der National University of Singapore (NUS), wird die Nano-Forschung gebündelt. Als interdisziplinäre Forschungseinrichtung hat sich innerhalb der NUS Nanocore etabliert, die die Geräte zur Verfügung stellt.
Der Stadtstaat hat zudem sechs Nano-Fonds aufgelegt, die die Nanotechnologie vorantreiben sollen. Der größte von ihnen ist der Nanostart Early Stage Venture Fonds, der von der Frankfurter Nano-Beteiligungsgesellschaft Nanostart gemanagt wird. Das Volumen des Fonds liegt bei 22 Mio. $, finanziert vom Staat (10 Mio. $) und Anlegern (12 Mio. $).
Der Fonds hat derzeit drei Beteiligungen: Biomers, Microlight und Mint. Microlight entwickelt optische Sensor- und Abtastsysteme für Sicherheits- und Überwachungsanwendungen. Mint mischt im lukrativen Wassergeschäft mit. Das Unternehmen liefert Nanosensoren für die Überprüfung der Wasserqualität bei der Aufbereitung mit Membrantechnik.
Besonders im Bereich der Cleantech und Medizintechnik steckt großes Potenzial für Nanoanwendungen aus Singapur. In der Photovoltaik zum Beispiel können Solarzellen und -anlagen mit Nanomaterialien optimiert werden. Die Firma Tera Barrier Films hat nanooptimierte Schutzfilme erfunden, die Photovoltaikanlagen vor Feuchtigkeit und Schmutz schützen.
In der Nanomedizin sieht Nanostart ebenfalls vielfältige Einsatzmöglichkeiten – in der In-vitro- und In-vivo-Diagnostik, der Krebstherapie, der Zellregenerierung und in der Chirurgie. So könnten Nanobioroboter Infektionen und körperliche Schäden entdecken. Mit Silbernanopartikeln lassen sich Wunden und Infektionen heilen.
Nanostart gibt sich mit den bisherigen drei Investments in Singapur nicht zufrieden und sucht bereits nach weiteren potenziellen Beteiligungen. „Hier passiert ständig etwas in der Nanotechnologie“, schwärmte Nanostart-Asia-Chef Andreas Kröll, „das ist wirklich aufregend.“ N. BLECHNER/U. MICHELINE
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