Bakterienfreie Kunststoffe 13.03.2013, 14:55 Uhr

Neues Verfahren imprägniert Oberflächen dauerhaft

Mit überkritischem Kohlendioxid als Fähre bringen Oberhausener Forscher zum Beispiel Nanosilber in die Oberfläche von Lichtschaltern und Türgriffen. Dort hemmt es das Bakterienwachstum und verhindert so die Übertragung von Krankheiten.

Sie sind winzig, unsichtbar und vor allem omnipräsent: Bakterien. Daher reicht die bloße Berührung beispielsweise eines Lichtschalters oder einer Türklinke aus, um sich einen bakteriellen Infekt einzuhandeln. Besonders schwierig ist die Situation in Krankenhäusern, die seit Jahren mit den so genannten Multiresistenten Keimen (MRSA) zu kämpfen haben. Diese haben Resistenzen gegen sämtliche gebräuchlichen Antibiotika entwickelt und führen in den Kliniken zu massenhaften Erkrankungen, oft mit tödlichem Ausgang. Abhilfe schafft nur eine penible und besonders gründliche Desinfektion der Hände. Im oft hektischen Klinikalltag meist nur Utopie.

Keimfrei von innen

Ein neues Beschichtungsverfahren für Kunststoffoberflächen könnte in Zukunft das Problem der allgegenwärtigen Bakterien beseitigen. Forscher am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Kunststoffoberflächen keimfrei halten lassen. Dabei werden die Oberflächen mit Nanosilber behandelt und so gegen Bakterien beständig gemacht. Der Trick: Die Forscher arbeiten mit überkritischem Kohlendioxid. Der flüssige und der gasförmige Zustand des Stoffes lassen sich dann nicht mehr voneinander unterscheiden. So ist überkritisches Kohlendioxid genauso dicht wie eine Flüssigkeit, hat aber dieselbe Viskosität wie ein Gas.

Überkritisches Kohlendioxid ist enorm fließfähig und kann in andere Stoffe eindringen. Von der Industrie wird es schon lange eingesetzt, um zum Beispiel dem Kaffee das Koffein zu entziehen. Denn überkritisches Kohlendioxid hat deutlich andere Eigenschaften, als Kohlendioxid unter Normbedingungen und verhält sich in seinen Eigenschaften irgendwo in der Mitte zwischen einem Gas und einer Flüssigkeit. „Wir pumpen flüssiges Kohlendioxid in einen Hochdruckbehälter mit den zu imprägnierenden Kunststoffteilen und erhöhen Temperatur und Druck solange, bis das Gas den überkritischen Zustand erreicht“, erklärt Manfred Renner vom UMSICHT-Institut das Prinzip.

Dann erhöhen die Forscher den Druck noch weiter. Und das macht den feinen Unterschied: „Teilweise lösen sich Additive, wie Farbstoffe oder pharmazeutische Substanzen vollständig im Kohlendioxid auf und diffundieren zusammen mit dem Gas in den Kunststoff. Dieser Vorgang dauert nur wenige Minuten“, berichtet der Abteilungsleiter Leder- und Hochdrucktechnik am Oberhausener Fraunhofer-Institut.

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Das neue Verfahren ist umweltschonend und nicht toxisch

Das so erzeugte fluide Kohlendioxid hat hervorragende Lösemitteleigenschaften und kann die polymere Struktur der Kunststoffe öffnen. So dient das überkritische Kohlendioxid als Türöffner für alle möglichen Additive und Stoffe, mit der die Oberflächen imprägniert werden sollen. „Mit unserer Methode lassen sich hochwertige Lifestyle-Produkte wie Handyschalen kundenspezifisch ändern. Farbe, Additive und Wirkstoffe werden ohne den Einsatz von aggressiven Lösemitteln umweltschonend weit unterhalb der Schmelztemperatur in oberflächennahe Schichten eingebracht“, erläutert Renner. Der Riesenvorteil: Kohlendioxid ist nicht brennbar, nicht toxisch und gnadenlos billig. Und es funktioniert im überkritischen Zustand ganz hervorragend als Lösungsmittel, ohne der Gesundheit oder der Umwelt zu schaden wie gängige Lösemittel, die zum Beispiel beim Lackieren zum Einsatz kommen.

Nanosilber stoppt Bakterien

Der besondere Vorteil des Verfahrens ist, dass die Substanzen nicht nur auf die Oberfläche der Produkte aufgebracht werden, sondern wirklich in die Oberfläche eindringen. So können zum Beispiel auf Türgriffe nach dem Herstellungsprozess nanoskalige Silberpartikel eingebracht werden, um die Vermehrung von Bakterien zu stoppen.  Kratzer auf der Oberfläche beeinträchtigen die Imprägnierung nicht. Auch wärmeempfindliche Stoffe, wie Pharmazeutika können mit dieser Technik in Oberflächen eingebracht werden. Bei herkömmlichen Beschichtungsmethoden ist das unmöglich, weil die Pharmazeutika den hohen Beschichtungstemperaturen nicht standhalten.

All diese Additive, Farbstoffe, pharmazeutische Wirkstoffe oder eben Nanosilber bringt das überkritische Kohlendioxid zuverlässig in die oberflächennahen Strukturen der zu imprägnierenden Materialien ein. Dort bleiben sie bestehen, können nicht abgekratzt oder abgewaschen werden und sorgen daher für eine dauerhafte Imprägnierung. Eine geniale Methode für alle Bauteile und Oberflächen, die von vielen Händen berührt werden. Und ein echter Segen im hektischen Klinikalltag, weil damit gegen die garstigen multiresistenten Keime endlich eine wirksame Waffe zur Verfügung steht.

 

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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