Produktionstechnik für großformatige Lithium-Ionen-Batterien fehlt noch
Autoindustrie und Maschinenbau bilden hierzulande in Sachen Elektromobilität eine Schicksalsgemeinschaft. Den Übergang können sie nur gemeinsam meistern. Gerade Produktionstechnik für aufladbare Batterien gilt dafür als Schlüssel. Denn über ein Drittel der Wertschöpfung bei Stromern wird auf die Hochvolt-Energiespeicher entfallen. Hiesige Maschinenbauer müssen nicht nur präzise Fertigungsverfahren entwickeln, sondern sich auch Zugang zu dem schwierigen Markt verschaffen.
Die Analyse der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) ist schonungslos: „Die Auswertung der laufenden Förderprogramme zeigt, dass wesentliche Teilaspekte der Batterietechnologie derzeit nicht oder nur unzureichend abgedeckt sind“, heißt es in ihrem Mitte Mai vorgestellten zweiten Bericht an die Bundesregierung. Da der Wertschöpfungsanteil der Batterie am Gesamtfahrzeug bei 30 % bis 40 % liege, brauche Deutschland jedoch eine „integrierte Zell- und Batteriesystemproduktion“.
Bei der Batterietechnologie gibt es riesige Lücken
Weder bei Prozesstechnologien für die Zellen- und Batteriefertigung, noch bei Erprobung, Simulation und Modellierung oder der Materialentwicklung für Batterien gibt es laut NPE ausreichende Strukturen. Ausgerechnet bei der Schlüsselkomponente gibt es fünf Jahre vor dem angestrebten „Markthochlauf“ riesige Lücken. Das Ziel vom „globalen Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität“ wirkt da sehr sportlich.
Andreas Gutsch sieht das ähnlich und hat reagiert. Vor sechs Jahren gründete er mit LiTec im sächsischen Kamenz einen der wenigen deutschen Hoffnungsschimmer im Batteriebereich. Heute haben dort Evonik und Daimler das Sagen. Gutsch zog nach getaner Aufbauarbeit weiter, um das nächste Großprojekt anzustoßen. Als Koordinator des interdisziplinären Forschungsverbundes für die Elektromobilität „Competence E“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) treibt er Pläne für eine Referenzfabrik voran, die Lithium-Ionen-Batterien für Fahrzeuge und stationäre Einsätze fertigen soll.
„Wir müssen Maschinen- und Anlagenbauern schnellstmöglich Gelegenheit geben, Erfahrungen in der Zellenfertigung zu sammeln“, erklärte er. Auch als Referenz sei die geplante Anlage unabdingbar. Denn der Marktzugang für Neueinsteiger ist schwierig. Bisherige Batteriefabriken sind hoch subventionierte Projekte, in denen die Geldgeber möglichst Ausrüster aus dem eigenen Land sehen wollen. Die wenigen Fabrikprojekte finden zudem bisher eher außerhalb Deutschlands statt.
Um so wichtiger sind bereits vorhandene Erfahrungen. So benennt eine Studie von Roland Berger und VDMA für jeden Teil der vielstufigen Prozesskette in der Zell- und Batteriefertigung deutsche Maschinen- und Anlagenbauer. Darunter die Coatema Coating Machinery aus Dormagen.
Lithium-Ionen-Batterien: Deutsche Hersteller schließen zu Asiaten auf
„Wir sind seit 1999 mit Produktionsanlagen für Lithium-Ionen-Batterien im Markt“, berichtete deren Vice-President und Chefstratege Thomas Kolbusch. Vor allem liefere man bisher Beschichtungsanlagen an asiatische Hersteller von Consumer-Batterien. „Nachdem im Markt anfangs japanische Maschinenbauer dominierten, sind deutsche und europäische Ausrüster heute technisch mindestens gleich auf“, sagte er.
Die Erfahrungen sind auf die Produktion von Hochvoltbatterien für Fahrzeuge nur teilweise übertragbar. „Vom Mischen der Aktivmaterialien und der Beschichtungstechnik der Elektroden, über das Kalandern, also Walzen für die nötige Oberflächenporösität bis hin zur Qualitätssicherung gibt es viele Parallelen“, so Kolbusch. Allerdings gelte es im Automotive-Bereich, um ein Vielfaches breitere Elektrodenfolien schneller mit höherer Präzision zu beschichten – mit homogenen Oberflächen und reproduzierbarer Schichtdicke.
KIT-Experte Gutsch kennt Fertigungstechnik aus aller Welt. Dabei hat er gelernt, dass auch erfahrene Anlagenbauer vor den hohen Qualitätsanforderungen der Batteriefertigung kapitulieren mussten. „Es kam vor, dass ganze Fertigungslinien wieder abgebaut werden mussten, weil die Qualität nicht stimmte“, berichtete er. Gerade beim Schritt von Anlagen für Consumer- zu großen Fahrzeugbatterien habe sich mancher Ausrüster gehörig verschätzt.
Er sieht das als Chance für Sondermaschinenbauer, die es gewohnt sind, in engsten Toleranzen zu arbeiten. “ Nur durch extreme Präzision in der Fertigung sind die Anforderungen der Autoindustrie an Zyklenfestigkeit, Lebensdauer und Wirkungsgrade zu erfüllen“, sagte Gutsch.
Das gelte für das Mischen der homogenen, gleichmäßig viskosen Slurrys auf Basis von Graphit- und Lithium-Metallverbindungen in industriellem Maßstab, wie für das anschließende Aufbringen der Slurrys auf den Metallfolien der Kathoden- und Anoden, das Kalandern, für das Schneiden, das Stapeln der Elektroden und Separatoren sowie das Verdrahten und Verschweißen der Zellen. In jedem dieser Schritte entwickle sich der Markt rasant weiter.
Der Aufbau von Pilotanlagen ist wichtig, um die gesetzlichen Ziele zu erreichen
Speziell die Beschichtungsverfahren haben es laut Gutsch in sich. Zwar betragen die Schichtdicken bis zu 200 µm. Doch die Toleranzen bewegten sich im niedrigen einstelligen µm-Bereich. Punktuelle Abweichungen um wenige µm führten zu lokalen Differenzen der Feldstärke in der Batterie und verstärkten Lithium-Metall-Ablagerungen. Beides verringere Lebensdauer und Zyklenfestigkeit. Was bei kurzlebiger Consumer-Elektronik kaum ins Gewicht falle, sei für die Automobilindustrie tabu.
Deshalb sind laut Gutsch Präzisionsantriebe für Folientransport, Beschichtungsköpfe und Kalanderwalzen gefragt. Hiesige Maschinenbauer könnten mit ihrer Perfektion einen wichtigen Beitrag leisten. „Sie brauchen Hinweise, worauf es ankommt – und vor allem Praxis“, betonte er. Daher sei der Aufbau von Pilotanlagen so wichtig, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
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