Schlanke Fertigung stärkt Unternehmen in der Krise
Industriebetriebe setzen in der Absatzflaute verstärkt auf Strategien der schlanken Produktion, um maximalen Fertigungsnutzen aus minimalen Ressourcen zu ziehen. Der wichtigste Erfolgsfaktor dabei: motivierte und qualifizierte Mitarbeiter. VDI nachrichten, Düsseldorf, 29. 1. 10, kip
„Jedes produzierende Unternehmen im deutschsprachigen Raum spürt die schlechten Zeiten derzeit mehr oder weniger. Nur schlanke Prozesse können da die Wirtschaftlichkeit sichern“, so Andreas Sennheiser, Leiter Technik/Engineering im österreichischen Produktionswerk der Hilti AG, Thüringen. Das Unternehmen treibt auch in der Krise die internen Optimierungen mit Lean Management voran.
Die Ursprünge dieses Prinzips liegen im Toyota Production System (TPS) der Nachkriegsjahre. Lean wird heute zumeist als Sammelbegriff für eine Reihe von Methoden wie etwa Kanban oder Poka-Yoke angesehen, die Unternehmen dabei helfen sollen, Verschwendung – im Lean-Sprachgebrauch „Muda“ – zu vermeiden. „Der schlanke Ansatz bedeutet, maximalen Nutzen aus minimalen Ressourcen zu gewinnen,“ ergänzte Masaaki Imai, Chairman, Kaizen-Institute in Tokyo: „Er entspricht übrigens auch in vollem Umfang den Anforderungen zum Thema grüne Produktion“. Zu den wichtigsten Arten der Verschwendung gehören unter anderem Wartezeit, Überproduktion, aufwendige Prozesse sowie Fehler oder Mängel.
Eine Umstellung auf eine schlanke Produktion sei jedoch zum Scheitern verurteilt, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Produktion und Montage nicht mitziehen, erklärte Thomas Frädrich vom Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Uni Hannover, das auch Training dazu anbietet. „Was man in der Lean Production nicht mehr findet, sind Kisten mit einem Laufzettel und zehn bearbeiteten Teilen darin und jemand, der mit einem Inventarzettel herumläuft und guckt, wo Schrauben fehlen“, sagte Frädrich.
Denn mit einfachen Mitteln geht es laut IFA besser: Jeder, der Schrauben verbraucht, hat zwei Behälter mit anfangs gleicher Anzahl Schrauben am Arbeitsplatz stehen und leert nur einen Behälter. Steht schließlich ein leerer Behälter am Arbeitsplatz, wird signalisiert: Hier wird Nachschub gebraucht. Und ein bearbeitetes Teil steht im sogenannten One-piece-flow der nächsten Bearbeitungsstation sofort zur Verfügung. So könne außerdem schneller auf Kundenbedarf reagiert werden.
Auch Flextronics, Dienstleister aus dem Bereich Electronics Manufacturing Service, hat in seiner Fertigungsstätte in Paderborn Lean Manufacturing eingeführt: Alle manuellen Arbeiten erfolgen in einer u-förmig gestalteten Arbeitsumgebung, somit wird ein unnötiges Hin- und Herbewegen zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen von vornherein vermieden. „Man muss im Wesentlichen all die Tätigkeiten innerhalb der Produktion beseitigen, die überflüssig sind. Nur so erreicht man Lean,“ erläuterte Jürgen Okesson, Director Quality & Process Engineering in Paderborn.
Vor allem müsse, wer Lean Production verstehen möchte, konsequent aus Sicht seines Kunden denken, meint Roger Schulz, von der IPE GmbH, einem Fabrikplanungs-Unternehmen in Bietigheim-Bissingen. Wichtigstes Werkzeug sei dabei die Wertstromanalyse. Denn jeder vorgelagerte Prozess produziere nur das, was der nachgelagerte Prozess verlangt. Auf diese Weise würden unnötige Bestände vermieden. „Dies führt in zweiter Konsequenz zum One-piece-flow und damit zur Reduzierung von Losgrößen, im Idealfall zur Losgröße eins“, betonte Schulz.
Im Automobilbereich ist Lean schon lange im Einsatz: So gewann Audi kürzlich den „Automotive Lean Production Award“ für die schlanke Montage des Audi A3 im Werk Ingolstadt. Das Prinzip „one touch – one motion“, die Erledigung der Aufgabe mit einem einzigen Handgriff, ist in der A3-Montage nach Ansicht der Jury perfekt umgesetzt. Denn wird Material und Gerät intelligent bereitstellt, beispielsweise durch mitlaufende Materialwagen, verkürzen sich dadurch die Wege am Band.
In einem Jahr wurden so in der A3-Montage 22 000 km Laufwege eingespart. „Gerade die Fahrzeugmontage mit ihren zahlreichen, eng verzahnten Einzelabläufen ist ein Bereich, in dem wir jeden Tag ein neues Detail finden, das wir noch effizienter lösen können“, sagte Peter Kössler, Werksleiter Audi, Ingolstadt. Denn für ihn ist der Zustand von heute immer nur eine Zwischenstation: „Morgen können wir noch besser sein.“ E. LANGE/KIP
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