Schwäbisches Unternehmen wirkt an textiler Zukunft mit
Am Stammsitz in Albstadt-Ebingen will Groz-Beckert mit dem neu eröffneten Technologie- und Entwicklungszentrum (TEZ) die textile Zukunft mitgestalten. Textilverarbeiter und Anlagenbauer aus aller Welt können dort neue Methoden und Werkzeuge zur Verarbeitung von Textilien aller Art erproben und entwickeln.
Im Schmiechatal zwischen grünen Hügeln der Schwäbischen Alb wird die Zukunft der Textilindustrie geprägt. Damit das auch so bleibt, hat dort Groz-Beckert gerade ein neues Entwicklungszentrum eröffnet. Das Unternehmen stellt Werkzeuge und Systeme zum Stricken, Wirken, Weben, Filzen, Tuften und Nähen her sowie Maschinenteile zur Herstellung textiler Flächen. In allen Kontinenten werden Textilien aller Art mithilfe von Groz-Beckert-Produkten hergestellt – von Nylonstrümpfen bis zu faserverstärkten Flugzeugrümpfen.
Vier Geschäftsführer leiten den kleinen Weltkonzern mit Produktionsstätten in Europa und Asien. Einer von ihnen ist seit 1999 der Ingenieur Thomas Kühl. In den letzten Jahren hat er das Konzept für das Technologie- und Entwicklungszentrum (TEZ) am Stammsitz der Firma in Albstadt-Ebingen mitgestaltet und leitet es jetzt. Die Investition von 70 Mio. € stemmte Groz-Beckert aus eigener Kraft. „Statt über die weltweite Krise in der Textilindustrie zu klagen, hat die Firma bewusst investiert“, stellte Kühl gegenüber den VDI nachrichten fest. Generell investiere sein Unternehmen gezielt, um kontinuierlich sein Portfolio auszubauen.
„Innovation, Kompetenz und Partnerschaftlichkeit werden die drei Säulen des Technologie- und Entwicklungszentrums sein“, sagte Thomas Lindner, Vorsitzender der Geschäftsführung, als er das TEZ am 16. Juli vor 300 Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik einweihte. Auch wenn sich die Textilproduktion immer mehr nach Asien verlagert hat, war für die Geschäftsführung klar, das TEZ am Stammsitz zu errichten. „Hier setzten wir jenen Standard, der die Firma auch im Ausland zur Erfolgsmarke gemacht hat“, erklärte Kühl. Dabei verfolgt Groz-Beckert zwei wesentliche Ziele: die Zusammenarbeit mit Anwendern und Maschinenbauern verbessern und die eigene Kompetenz erhöhen.
Dazu bietet das TEZ für das Stricken und Wirken sowie für das Weben, Filzen, Tuften und Nähen je eine eigene Abteilung. An modernen Maschinen und Anlagen können anwendungstechnische Versuche unter realen Fertigungsbedingungen hergestellt und Kleinserien gefahren werden. „Wir bieten ideale Voraussetzungen, um mit Kunden und Partnern neue Techniken zu erproben und Prozesse zu optimieren“, erklärte Kühl. Vom TEZ profitiere auch die Serviceabteilung des Unternehmens. In einem modernen Labor würden etwa Textilien auf Fehler in der Verarbeitung oder auch auf Schadstoffe untersucht.
Darüber hinaus gebe es in der modernen Lehrwerkstatt beste Bedingungen für die 145 technischen Azubis, so Kühl. Mit zusätzlichen etwa 30 kaufmännischen Azubis liegt die Ausbildungsquote in Albstadt-Ebingen bei etwa 9 %. Auch mit der Hochschule Albstadt-Sigmaringen wird verstärkt kooperiert.
Im TEZ können jetzt Mitarbeiter, Azubis und Studenten üben, Textilien herzustellen – zum einen an alten Geräten wie Handstrickmaschinen, die in der Industrie noch vor 50 Jahren eingesetzt wurden, zum anderen an hochmodernen Maschinen, etwa zum Weben. Eine heutige Luftdüsenwebmaschine bringt es dabei auf bis zu 1000 Schuss/min – Luftstöße ersetzen dabei die klassischen Weberschiffchen. Tradition und Zukunft treffen so im TEZ zusammen.
Inzwischen hat Groz-Beckert rund 70 000 verschiedene Nadeln und Produkte im Archiv. Jährlich kommen Neuentwicklungen hinzu, die abgestimmt mit Textilmaschinenbauern oder Endkunden entwickelt werden. Manche davon werden ausgezeichnet, wie jüngst die „litespeed“-Nadel, die den 3. Platz beim diesjährigen Umweltpreis des Kyocera-Konzerns belegte. Die Nadel wird speziell in Hochleistungsrundstrickmaschinen eingesetzt, mit denen in aller Welt Bekleidungs- und technische Textilien hergestellt werden.
Die Firma freute sich über die Auszeichnung. Für Kühl ist sie das Ergebnis qualitativ hochwertiger Arbeit. Er unterstrich, dass an solchen Entwicklungen mehrere Abteilungen beteiligt seien.
Das Besondere an dieser Nadel ist ihr teilweise dünner gestalteter Schaft, der sie gegenüber Vorgängermodellen auch etwas leichter macht. Nadelöl könne sich dank der Geometrie besser im Nadelkanal der Strickmaschinen verteilen. So sinke die Reibung im Nadelkanal und die Maschine braucht laut Hersteller bis zu einem Fünftel weniger Strom, um die Nadeln zu bewegen. Auch werde der Verschleiß reduziert, weniger Öl benötigt und die Maschinentemperatur gesenkt.
Zahlreiche Firmen nutzen diese Nadeln bereits. Würden alle Hochleistungsrundstrickmaschinen weltweit damit bestückt, könnten jährlich 634 Mio. kWh elektrische Energie eingespart werden und damit 457 000 t CO2-Emissionen, hat Groz-Beckert errechnet.
Das Unternehmen will sich vor allem bei technischen Textilien engagieren. Fast die Hälfte des Umsatzes werde inzwischen in diesem Bereich erzielt. Flammhemmende Schutzkleidung oder faserverstärkter Kunststoff für die Autoindustrie seien mögliche Anwendungen, ebenso wie textile Implantate oder für Textilbeton.
Textilen Visionen sind für den Entwicklungschef Kühl keine Grenzen gesetzt. Er denkt etwa an Geotextilien. Das können gewirkte Matten sein, die Wasser halten und so in der Wüste fruchtbare Böden erschließen können. Sie können auch helfen, mehr Menschen fortzubewegen, oder auch Lebensräume im Weltall zu gestalten. Er ist sich sicher, dass das traditionsbewusste und doch moderne Unternehmen mit dem TEZ dafür richtig aufgestellt ist. RALPH AHRENS
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