Selbstheilendes Metall kann unter Spannung kleinste Risse schließen
Manchmal liegt gerade in Widersprüchen die Lösung eines Problems. Amerikanische Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben in Experimenten zufällig entdeckt, dass ein beschädigtes Metall sich unter bestimmten Bedingungen selbst heilen kann.
So ziehen sich beispielsweise Metallrisse, wenn sie unter Spannung gesetzt werden, wieder zusammen. Dieser so genannte kontraintuitive Effekt könnte den Weg für große Fortschritte im Bereich der Materialwissenschaften ebnen.
Anfangs traute das US-Forschungsteam seinen eigenen Augen nicht und veröffentlichte daher seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Physical Review Letters auch erst nach zahlreichen weiteren Versuchen. Zu ihrer eigenen Überraschung wurden die mikroskopisch feinen Metallrisse in einem Nickelblech unter Druck nicht etwa größer, sondern verringerten sich. Sie schlossen sich sogar, indem die Kanten verschmolzen.
Antwort liegt in der Grundstruktur der Metalle
Die Forscher erstellten ein Computermodell, um das Phänomen zu erklären und fanden heraus, dass die Antwort in der Basisstruktur der Metalle liegt. Metalle setzen sich aus mikroskopisch kleinen kristallinen Körnern unterschiedlicher Größe und Form zusammen. Die Orientierung und Größe dieser Körner beeinflussen die gesamte mechanische Stärke sowie andere Eigenschaften des Materials.
Nickel ist dabei von besonderem Interesse, denn es bildet die Grundlage für so viele Superlegierungen, die in rauhen Bedingungen wie in Flugzeugturbinen, Ölbohrinseln in der Tiefsee und als Verbindungen für Schwerindustriemaschinen Verwendung finden. Inzwischen hat man herausgefunden, dass diese kristallinen Körner auch nicht so statisch sind, wie ursprünglich angenommen.
Druck verändert Mikrostrukturen
Nach Aussagen von Professor Michael Demkowicz, Materialwissenschaftler an der MIT, beginnen die Korngrenzen beim Auseinanderziehen des Materials zu wandern und bewirken, dass sich die Risse letztendlich schließen. Der Schlüssel für die „Materialheilung“ liegt daher in der Korngrenzenwanderung.
Die selbsttätige Metallheilung beeinflusst nicht die großen Risse, die man mit dem Auge sehen kann, sondern allein Schäden an Mikrostrukturen. Bislang ist es Forschern nur gelungen, den Heilungsprozess bei sogenannten Disklinationen zu reproduzieren. Dabei handelt es sich um einen kleinen Riss, der nur ein Stück in ein Korn hineinragt, es aber nicht gänzlich durchdringt. Es wird aber angenommen, dass diese Defekte im Mikromaßstab sozusagen der „Samen“ für größere, schließlich katastrophale Materialermüdungen sein können.
Auswirkungen werden umgekehrt
Es entsteht zunächst ein Spannungsfeld, das die Auswirkungen einer Belastung umkehre, erläutert Demkowicz. Das heißt, werden beide Seiten eines Risses auseinandergezogen, erweitern sich diese nicht weiter, sondern schließen sich wieder. Das MIT-Team ist der Meinung, dass dieser Mechanismus eingesetzt werden kann, um zu verhindern, dass Superlegierungen strukturelle Risse entwickeln, indem die kleinen Fehler schon im Vorfeld geheilt werden, bevor sie zu größerem Schaden führen. Ziel ist es nun Metalllegierungen zu erzeugen, die unter bestimmten Umständen selbst heilen, indem sie dem richtigen Druck in der richtigen Richtung ausgesetzt werden. Wenn der Heilungseffekt robust genug ist, könnte das langfristig zu Metallen führen, die auch im Alter nicht ermüden.
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