Smart Grids: Nicht mal die Stromzähler sind intelligent
Schon 30 % des Stroms in Deutschland kam 2016 aus erneuerbaren Quellen. Der Teil der Energiewende ist geglückt. Doch von intelligenten Stromnetzen und der Vernetzung kleiner Energieerzeuger ist Deutschland noch weit entfernt. Zumindest die technischen Lösungen, die gibt es auf der Hannover Messe und der Energiemesse Energy zu sehen.
Vor mehr als zehn Jahren montierten der Karlsruher Stromversorger EnBW und seine Tochter Yello die ersten digitalen Stromzähler, die via Internet alle 15 Minuten ausgelesen wurden. Die Verbraucher konnten sich jederzeit über ihren aktuellen Stromverbrauch per PC oder Laptop informieren. Das half, den Verbrauch zu senken. Wer Glüh- gegen Sparlampen austauschte, konnte am Monitor die Einsparung in Echtzeit sehen.
Das war der Beginn des Aufbaus intelligenter Stromnetze, die das schwankende Angebot von Wind- und Solarstrom an den ebenfalls schwankenden Verbrauch anpassen sollen. Dazu fehlte den Zählern von damals noch eins: Die Rückmeldung, wann Strommangel oder ein Überangebot herrschte.
Weiß man in Echtzeit, wer wann wo Strom erzeugt, wann Strom „übrig“ oder knapp ist, lassen sich bei Bedarf große industrielle Verbraucher zu- oder abschalten. Das ist sogar denkbar bis hinunter in den privaten Haushalt. Warum sollen Waschmaschine und Trockner nicht nachts laufen, wenn Strom zur Genüge ins Netz eingespeist wird?
Zurück zum alten Stromzähler
Aber genau dafür braucht man die intelligenten Stromzähler. Derzeit werden die Zähler sogar routinemäßig ausgetauscht. Das Problem: Obwohl seit Mitte 2016 das Digitalisierungsgesetz den schrittweisen Einbau intelligenter Zähler vorschreibt, gibt es keine, die den Anforderungen an den Datenschutz entsprechen.
Aus diesem Grund werden elektronische Zähler mit Fernauslesung, Smart Meter genannt, nur im Rahmen von Feldversuchen installiert – die Bemühungen, die Energiewende in den Griff zu bekommen, stocken. Und längst nicht jeder wird zu Feldversuchen zugelassen. E.On beispielsweise lehnt Bewerber aus dem Raum Aachen ab. Im Herbst, so heißt es bei den Stromversorgern, sollen die ersten Zähler verfügbar sein, die den Segen des Bundeamtes für Sicherheit in der Informationstechnik haben.
Frankreich dagegen drückt auf die Tube. Fünf Milliarden Euro nimmt das Land in die Hand, um bis 2021 alle Haushalte in Frankreich mit intelligenten Zählern auszustatten.
Das Internet verbindet alle „Stromer“
Die Einführung ist zunächst für Verbraucher vorgeschrieben, die pro Jahr mehr als 6000 Kilowattstunden an Strom verbrauchen. Später folgen die übrigen Haushalte mit geringerem Stromverbrauch. Das aber ist lediglich der erste Schritt zum Smart Grid, zum intelligenten Stromnetz.
Dabei handelt es sich um eine digitale Infrastruktur, die es allen Akteuren und Komponenten im Energiesystem ermöglicht, miteinander zu kommunizieren. Dazu zählen sämtliche Stromerzeuger, auch die Solarkraftwerke auf dem Dach, Großbatterien, Speicher für Solarstrom in Privathäusern, virtuelle Kraftwerke, also Zusammenschlüsse von zahlreichen Kleinanlagen, die zentral gefahren werden. Die Stromnetze werden dann so gestaltet, dass örtlich erzeugte Energie zu einem möglichst hohen Prozentsatz in der Nachbarschaft verbraucht wird, um die Netze zu entlasten.
Neue Plattform für virtuelle Kraftwerke
Mit SmartPool hat Innogy, die Erneuerbare-Energien-Tochter des Essener Energiekonzerns RWE, ein System entwickelt, mit dem sich tausende Stromerzeuger zu einem virtuellen Kraftwerk zusammenschalten lassen. Der gesamte Funktionsumfang des SmartPools wird ab dem Spätsommer 2017 bereitstehen, verspricht das Unternehmen.
Ins Smart Grid werden auch Verbraucher wie Spülmaschinen und industrielle Großanlagen via Internet eingebunden. Diese erhalten alle paar Minuten eine Information über den aktuellen Strompreis, der wiederum vom Angebot abhängt.
In einer stürmischen Nacht, wenn sehr viel Windstrom produziert wird, oder einem strahlend schönen Sonnentag, der die Solarkraftwerke auch Hochtouren laufen lässt, ist das Angebot groß, der Preis niedrig. Umgekehrt ist es an windarmen Tagen, wenn zusätzlich noch der Himmel wolkenverhangen ist.
Hohe Sicherheitsanforderungen sollen Katastrophen verhindern
Auf der Hannover Messe werden zahlreiche Detaillösungen präsentiert. Technisch ist das Smart Grid längst machbar. Doch die Investitionen und die Anforderungen an die Sicherheit sind sehr hoch. Unter allen Umständen muss verhindert werden, dass Saboteure, die millionenfach Schadsoftware ins Netz stellen, Zugriff auf die Stromnetze bekommen. Das würde sich zu einer Katastrophe ausweiten.
Ein Beitrag von: