So funktionieren die Katalysatoren für die E-Fuel-Produktion
Im Projekt CARE-O-SENE werden Katalysatoren entwickelt, mit denen die Treibstoffproduktion ohne Erdöl gelingen soll. In der Forschung gibt es Fortschritte, aber die Industrie stagniert.
Die Luftfahrtindustrie träumt von einer Kettenreaktion – im doppelten Sinne. Erstens soll das Kerosin in Zukunft synthetisiert werden; in sogenannten Fischer-Tropsch-Reaktoren (FT) werden die erwünschten Kettenmoleküle zusammengesetzt, Kohlenstoffglied um Kohlenstoffglied. Denn Kerosin, das ist ein Gemisch von kettenförmigen Kohlenwasserstoffen unterschiedlicher Formen und Längen.
Zweitens soll es auch bei den Produktionskapazitäten eine positive Kettenreaktion geben, damit sich aus einer überschaubaren Riege von Start-ups und Forschungsanlagen eine Industrie entwickelt, die den Luftverkehrssektor mit Kerosin versorgen kann. Und daran könnte das Projekt – trotz einiger Fortschritte in der Forschung – scheitern.
Katalysatorforschung im Projekt CARE-O-SENE
Die Forschung konzentriert sich darauf, einen altehrwürdigen chemischen Prozess auf die Rohstoffbasis der postfossilen Zeit umzurüsten: die Fischer-Tropsch-Synthese. Diese ist seit Jahrzehnten das Standardverfahren zur Erzeugung von Kohlenwasserstoffen diverser Kettenlängen aus Bausteinmolekülen, vor allem aus Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffmonoxid (CO).
Die größten FT-Reaktoren stehen über großen Erdgasfeldern, verarbeiten also Kohlenstoff fossilen Ursprungs. In Zukunft soll der Kohlenstoff biogen sein oder aus der Luft abgeschieden werden, der Wasserstoff stammt aus Elektrolyse.
Und damit das gelingt, damit es sich auch wirtschaftlich lohnt, muss das Verfahren auf die Kerosinproduktion zugeschnitten werden. In der FT-Syntese entsteht ein Crude aus Kohlenwasserstoffen aller möglichen Kettenlängen – vom kurzkettigen Gas bis zum langkettigen Naphtha. An den Reaktor schließt sich ein Cracker an, in dem längere Ketten kontrolliert aufgespalten werden. Bislang liefert das Verfahren viel zu wenig Kerosin. „Wir wollen den Industriestandard von 50 % Kerosinanteil auf 80 % anheben“, sagt Tobias Sontheimer, CARE-O-Sene-Projektleiter am Helmholtz-Zentrum Berlin.
Das Ziel besteht darin, ein Crude mit möglichst vielen langkettigen wachsartigen Molekülen zu gewinnen, die sich dann gezielt in Kettenlängen des Kerosinspektrums cracken lassen. „Wir minimieren den Anteil der kurzkettigen Kohlenwasserstoffe“, sagt Dirk Schär, der Projektleiter seitens des südafrikanischen Projektpartners Sasol.
Möglichst viele aktive Zentren
CARE-O-SENE zielt darauf ab, eine Kernkomponente im FT-Reaktor zu optimieren, den Katalysator. Der Katalysator soll die Reaktion vereinfachen, ohne sich während dessen zu verbrauchen. Schär vergleicht das mit dem Tunnelbau. Bei einer chemischen Reaktion muss ein Energieberg überwunden werden. „Der Katalysator gräbt einen Tunnel durch den Energieberg. Die Reaktion läuft leichter und schneller ab“, sagt Schär.
Der Fokus liegt im Projekt auf den aktiven Zentren des Katalysators – das sind die Regionen, an denen Ketten entstehen. Dort wird Kohlenstoffglied um Kohlenstoffglied an die Kette angehängt. Erstens soll es möglichst viele aktive Zentren geben. Zweitens sollen dort Kohlenstoffketten entstehen, die lang, aber auch nicht zu lang sind. „Die Kette muss sich irgendwann lösen, sonst würde sie am Katalysator kleben bleiben und diesen deaktivieren. Irgendwo zwischen Festhalten und Loslassen liegt das goldene Optimum“, erläutert Schär. „Das ist wie im Güterbahnhof. Wir koppeln Waggon um Waggon an, aber irgendwann muss der Zug auch mal losfahren.“
Stresstest für Katalysator bei Sasol in Südafrika
Sasol bringt in das Projekt den Slurry-Bubble-Prozess ein. Dotiertes Kobaltpulver wird mit Wachs vermischt. Durch dieses Gemisch strömt von unten Synthesegas, an den Seiten wird ständig Produkt abgezogen. Das Gemisch ist flüssig, der Katalysator ist in der Flüssigkeit aufgeschlämmt. Das Synthesegas wird bei Temperaturen zwischen 200 °C und 250 °C durch den Katalysatorschlamm hindurchgedrückt. In dem Dreiphasengemisch geschieht die Reaktion. Laut Schär lässt sich der Slurry-Bubble-Prozess „besonders gut hochskalieren auf Anlagen im Industriemaßstab“.
Am Sasol-Standort Sasolburg in Südafrika haben die Projektpartner Stresstests durchgeführt, in denen untersucht wurde, ob der neue Katalysator im Dreiphasengemisch überdauert oder ob er sich zu immer feinerem Pulver zerreibt. Die 100-tägige Testphase hat das Material überstanden. Ebenso wie den folgenden Stabilitätstest. „Wir haben den Katalysator ein Jahr lang laufen gelassen, ohne dass er signifikant an Aktivität verloren hätte“, berichtet Schär.
Die CARE-O-SENE-Partner untersuchen im Projekt außerdem, wie sich der Katalysator recyceln – oder reaktivieren – lässt. Mit der Zeit setzen Nebenreaktionen, die sich nicht vollständig vermeiden lassen, die aktiven Zentren zu. Diese „Blockaden“ müssen chemisch gelöst werden, um den Katalysator wieder in einen aktiven Zustand zu überführen.
Das Enddatum des Projekts ist von 2025 auf Ende 2026 verschoben worden, damit genug Zeit bleibt, den 80-Prozent-Katalysator in die Industrie zu überführen. Zusätzlich sollen im Projekt neue Katalysatoren erforscht werden – sogenannte Dünnschichtkatalysatoren –, die sich aktuell noch im Stadium der Grundlagenforschung befinden.
Fällt die E-Fuel-Produktion mangels Produzenten aus?
Synthetisches Kerosin gilt als Schlüsselmaßnahme, um die CO2-Intensität der Luftfahrt zu senken. Noch allerdings sind E-Fuels um mindestens den Faktor drei bis fünf teurer als fossiles Kerosin, das aus Erdöl gewonnen wird. Das müsste sich ändern, wenn Fluggesellschaften und -gäste von der synthetischen Alternative überzeugt werden sollen.
Wenn das Vorhaben nicht schon mangels Produktionskapazitäten ausfällt. Derzeit sind annähernd 40 FT-Anlagen in der EU geplant, inklusive der Anlagen im Vereinigten Königreich entspricht das einer Jahresproduktion von 1,8 Mio. t synthetischen Kerosins. Das reicht gerade einmal, um die – nicht eben ambitionierte – EU-Quote für E-Fuels in Flugkraftstoffen für das Jahr 2030 zu erfüllen. Und die liegt bei 1,2 % des Kraftstoffs.
Viel Zeit bleibt nicht. „Die nächsten paar Jahre sind entscheidend für den Hochlauf“, sagt der Helmholtz-Forscher Tobias Sontheimer.
In Deutschland sieht es sogar noch etwas düsterer aus als im Rest der EU. Oder in den Worten des Katalysatorforschers Dirk Schär: „Die Projekte, die in Deutschland momentan in der Umsetzung sind – Ineratec und das DLR –, sind deutlich zu klein, als dass wir irgendwelche Beimischquoten erfüllen können.“
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