Windkraftbranche bekommt zusätzlichen Antrieb
In der Windkraftbranche ist die Entwicklung noch lange nicht ausgereizt – vor allem neue Getriebeideen sorgen für viel Wirbel. Sie sollen effizienter und dabei störunanfälliger werden. Damit dürften sie auch auf der Husum Wind Energy 2010 kommende Woche Thema sein.
Wie kaum ein anderer Zweig der regenerativen Energieerzeugung boomt die Windenergiebranche. Dabei begann ihr Siegeszug vor etwas über drei Jahrzehnten mit einer Nennleistung von gerade einmal 50 kW. In der bis heute anhaltenden Entwicklung entstehen dabei immer leistungsfähigere Anlagen.
Eine Windkraftanlage ist heute meist für eine Betriebszeit von 160 000 h und eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgerichtet. In dieser Zeit vollzieht die Rotorwelle 144 Mio. Umdrehungen und die Generatorwelle 15 Mrd. Umdrehungen. Derzeit bestreitet die Windkraft allein in Deutschland knapp 7 % des Strombedarfs in Deutschland. Die installierte Leistung der Windkraftwerke stieg im Jahr 2009 auf rund 25 780 MW. Insgesamt waren zum Jahresende 21 160 Windenergieanlagen in Betrieb.
Auch in Zukunft ist in der Windbranche mit vielen Innovationen zu rechnen, wie die Husum Wind Energy 2010 zeigen wird, die kommende Woche beginnt. Im Fokus dabei: Neue Getriebearten – sie sollen die Windanlagen künftig noch effizienter machen als bisher und gleichzeitig weniger störanfällig sein. Geforscht wird dafür auf vielen Ebenen. Ein Beispiel ist ein vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördertes Projekt am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen. Es beschäftigt sich mit dem Einsatz hydrostatischer Getriebe in Windenergieanlagen.
Idee der Ingenieure: Ein solch neues Getriebe nutzt sogenannte Radialkolbenpumpen, die mit der Windrotordrehzahl direkt angetrieben werden, um die aus dem Wind gewonnene mechanische Leistung in einen Hochdruck-Ölvolumenstrom umzuwandeln. Dieser Strom wiederum wird auf verschiedene Hydraulikmotoren aufgeteilt und in eine konstante Generatordrehzahl umgesetzt. Hauptvorteil des Konzepts ist, das so kein Frequenzumrichter mehr notwendig ist, um die Anlage mit dem Stromnetz zu verbinden.
„Weiterhin kann das System sehr flexibel an verschiedene Windsituationen angepasst werden“, sagt Johannes Schmitz, der gemeinsam mit seinem Kollegen Nils Vatheuer an der RWTH Aachen an dem Projekt forscht. Auf der Windenergie-Messe sollen nun die ersten Forschungsergebnisse aus der Praxis vorgestellt werden. Vorläufiges Fazit der Forscher: Mögliche Antriebstrangkonzepte von Windenergieanlagen sind nicht nur auf mechanische Getriebe oder direkt angetriebene langsam laufende Generatoren beschränkt – hydrostatische Getriebe können ebenfalls eine Vielzahl von Vorteilen bei der stufenlosen Leistungsübertragung bieten.
Große Schritte nach vorn macht auch das Projekt des „Super Compact Drive“ (SCD) des Windkraftanlagen-Herstellers Aerodyn aus Rendsburg. Dessen neues Prinzip eliminiert die Nachteile der beiden vorherrschenden Anlagentypen – Getriebeanlagen und direktgetriebene Anlagen mit Synchrongenerator – und geht neue Wege bei Kompaktheit, Gondelgewicht und Zuverlässigkeit.
Voriges Jahr wurde das Projekt neu vorgestellt, auf der diesjährigen Messe soll nun eine 1:1-Zeichung einer 6,0 MW starken Anlage ausgestellt werden. Grundgedanke der SCD-Technologie mit ihren zwei Rotorblättern ist es, die Komponenten Rotorlager, Getriebe und Generator in etwa dem gleichen Durchmesser auszulegen, hintereinander anzuordnen und damit einen möglichst kurzen Antriebstrang zu schaffen. Mehr noch: Die kompakte Bauweise mit Unterbringung aller Komponenten im Triebstrang und Kopfträger mache eine Gondelverkleidung überflüssig.
Der Herstellungspreis für die Anlage soll im Vergleich zu derzeit üblichen Anlagen um bis zu ein Viertel günstiger sein. Mit China ist bereits ein Lizenzvertrag unterschrieben und es wird gerade eine Produktionshalle gebaut, um dort die kompakten Getriebe sowohl für Windkraftanlagen an Land als auch auf See zu fertigen. Vor allem von den Offshoreanlagen verspricht man sich bei Aerodyn viel: „Wegen des Zweiblattrotors sind sie leichter auf See zu transportieren, leichter zu montieren und leichter zu warten“, sagt Annette Schröter von Aerodyn Development + Marketing .
Generell stoßen die Erbauer von Offshore-Windkraftanlagen oft noch auf unvorhergesehene Schwierigkeiten – so mussten bereits kurz nach Inbetriebnahme des ersten deutschen Windparks Alpha Ventus in der Nordsee die ersten Anlagen abgeschaltet werden – Grund waren Getriebeprobleme.
Auf den Einsatz im Meer richtet sich auch eine neue Getriebegeneration von Winergy. Hier soll eine hohe Leistungsdichte ein kompakteres Design als bei bisherigen Getrieben ermöglichen, sodass ein gewichtsreduzierter 6,5-MW-Antriebsstrang in einer 5-MW-Gondel Platz findet. Kleine und leichte Teile sowie eine 360 Grad Drehbarkeit des Getriebes, erlaubten den Austausch auf der Gondel mit dem internen Servicekran.
Nicht zuletzt sollen auch getriebelose Windenergieanlagen auf hoher See künftig zuverlässiger werden. Siemens hat in diesem Jahr deshalb eine 3-MW-Turbine mit einem Rotordurchmesser von 101 m auf den Markt gebracht, die im Vergleich zu einer herkömmlichen Getriebe-Windturbine mit der Hälfte der Teile auskommt. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Transport des Maschinenhauses mit Standardfahrzeugen erfolgen kann. OLIVER KLEMPERT
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