Ab in den Keller: Sicherer Flug bei extremem Wetter
Es sind die schwierigsten Manöver, die Hubschrauberpiloten beherrschen müssen: der Anflug von Schiffen und Bohrinseln oder die Bergung von Verletzten in der Nähe einer Felswand bei bei stürmischen Böen. Doch wie soll man das trainieren ohne jemanden zu gefährden? Ingenieure der TU München hatten da eine Idee.
Wenn Michael Dörfler zu einer schwierigen Bergrettung an einer hohen Felswand ansetzt hält er seinen Hubschrauber außerordentlich ruhig, damit der „Bergretter“ seine Arbeit machen kann. So jedenfalls in der beliebten ZDF-Serie. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Luftwirbel und Böen können den Helikopter durcheinanderwirbeln. Im Extremfall stürzt er gar ab. Einsätze auf Bohrinseln, Schiffen und Felswänden sind extrem gefährlich. Dann jedenfalls, wenn der Pilot zu wenig Erfahrung mit tückischen Wetterverhältnissen hat.
Realität bisher nur unzureichend wiedergegeben
Die Erfahrungen kann der Pilot künftig machen, ohne einen Fuß in seinen Hubschrauber zu setzen, geschweige denn abheben zu müssen. Ingenieure der TU München haben ein Simulationsprogramm entwickelt, das Hubschrauberpiloten optimal auf Extremsituationen vorbereiten soll.
Erstmals berücksichtigt es Strömungsmechanik und Flugdynamik in Kombination. „Bisher können Flugsimulatoren die Realität bei Flügen in der Nähe von Großobjekten nur unzureichend wiedergeben“, sagt Jürgen Rauleder. „Das Problem: Die derzeitigen Programme folgen, was die Windverhältnisse und die Reaktionen des Hubschraubers betrifft, einem starren Muster.“
Umgang lernen mit tückischen Luftverwirbelungen
Das wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Schiffe beispielsweise erzeugen Luftverwirbelungen und starke lokale Geschwindigkeitsschwankungen, in der Fachsprache „Schiffsnachlaufströmung“ genannt. Sie ähnelt den Wirbelschleppen, wie sie von Flugzeugen ausgelöst werden.
Selbst rund um Windkraftanlagen kommen Wirbelschleppen vor und können deren Effizienz stark vermindern.
Aber kommen wir zurück zum Hubschrauber. Die Wellen sorgen dafür, dass der Wind noch zusätzlich abgelenkt und damit noch tückischer wird. Nähert sich ein Hubschrauber, überlagern sich die Strömungen, die dessen Rotoren erzeugen, mit denen, die ohnehin schon da sind. Ähnlich kompliziert sind die Verhältnisse in der Nähe eines Berghangs oder neben hohen Gebäuden.
Angehende Piloten müssen derart schwierige Situationen unzählige Male üben. Stets ist ein erfahrener Pilot dabei, der im Notfall hilft, das komplexe Wechselspiel der Strömungen auszugleichen, indem der Anstellwinkel der Rotorblätter im richtigen Augenblick verändert wird. „Das klassische Training ist teuer, risikoreich und für die angehenden Piloten sehr anstrengend“, so Rauleder. „Außerdem wird das Material stark belastet: Weil die ersten Landungen meist recht hart sind, verursachen sie einen hohen Verschleiß bei Dämpfungselementen und Landewerk.“
Pilot spürt im Simulator die Strömungen
Wenn der Pilot im Simulator sitzt, spürt er die Strömungen. Er kann reagieren und registriert unmittelbar danach, ob seine Entscheidung richtig war. Die ersten Tests fanden im Keller des Instituts für Hubschraubertechnologie der TU in München statt. Das Potenzial dieser Methode stieß international auf großes Interesse und wird unter anderem vom US Office of Naval Research als Grundlagenforschung unterstützt.
US-Forscher helfen mit echten Daten aus
Jetzt fehlt nur noch der Härtetest, also der Abgleich mit der Realität. Dazu tragen die Daten bei, die US-Forscher mit hunderten Sensoren in der Umgebung eines fahrenden Schiffes ermittelt haben. Zum Abgleich der Flugdynamik verwendet das Team der TU München außerdem Daten des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR), die während Flugtests ermittelt wurden. Erst wenn Realität und Simulation übereinstimmen, ist das Programm tatsächlich als alternative Schulung geeignet.
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